Zu Gast in Katzendorf
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu mit rumänischen Wurzeln verbrachte im Herbst 2014 einige Woche in einem kleinen siebenbürgischen Dorf. Für den Originalton stellt die Autorin diesen Ort exklusiv vor. Sie berichtet von den Einwohnern und vom Versuch, Neues aufzubauen und den Spuren der Vergangenheit.
Ich habe mir das Dorf nicht ausgesucht. Es war umgekehrt. Eines Tages kam ein Anruf mit der Einladung. Wollen Sie sie annehmen? Ich soll für ein Jahr Dorfschreiberin von Katzendorf werden. Ein literarischer Preis einer sächsisch-rumänisch-ungarisch-roma Gemeinde aus Siebenbürgen. Aus Transsilvanien in Rumänien. Einer kleinen Gemeinde, von der ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt.
Es ist ein sonniger Herbsttag. Ich spaziere auf dem Hügel entlang der Ortschaft.
Der Hügel teilt das Dorf in zwei Welten. Im Tal links die Tziganie, der Ortsteil der Roma. Mit kleinen, bunten Häusern und engen, verwinkelten Gassen. Mit geflickten Blechdächern und Straßen voller Schlaglöchern.
Rechts vom Hügel, entlang der Landstraße, streng geordnet und gleichmäßig geformt, die ehemaligen Häuser und Höfe der Sachsen. Kleine Burgen mit einer geschlossenen Straßenfront. Und langgestreckten Höfen.
Katzendorf gibt es seit dem 12. Jahrhundert
Es ist ein sonniger Tag. Und auf beiden Seiten des Hügels läuft das Leben in ruhigen Bahnen. Die Männer prüfen den Zustand der Dächer und Häuser. Die Frauen wecken Obst ein. Treffen Vorkehrungen für den Winter. Die Kinder spielen. Oder sind in der Schule. Arbeit hat jeder nur bei sich zu Hause. Die Arbeitsstellen im Ort kann man an einer Hand zählen. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus, seit der Auswanderung der Sachsen, gibt es für die Roma schon gar keine Arbeit mehr.
Katzendorf, heute Cata, Kaca, Kazendorf gibt es schon lange. Etwa seit dem 12. Jahrhundert.
Das Gebiet in der Gegend war wild und menschenleer als die Sachsen kamen. Sie haben Wälder gerodet und Ortschaften gegründet. Sie haben ihre Sprache, Bräuche und Sitten mitgebracht. Sie haben ein streng geordnetes Leben geschaffen. Um hier das Überleben zu ermöglichen.
Und sie haben die Gegend zu ihrer Heimat gemacht.
Nach über 800 Jahren ausgewandert
Bis der Kommunismus sie erschreckt hat. Nach über 800 Jahren sind sie ausgewandert. Nach Deutschland oder sonst wohin.
Und trotzdem, fühlen sie sich immer noch mit der Gegend verbunden.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus haben viele ihre Häuser zurückgekauft. Wirtschaften gegründet. Geschäfte angefangen. Bleiben aber meistens nur über den Sommer da.
Früher gab es nur Sachsen hier. Dann kamen die Rumänen und die Ungarn dazu. Später auch die Roma. Inzwischen sind die Roma in der Mehrzahl. In Katzendorf etwa 80 Prozent.
Die Sachsen sind ausgewandert. Haben alles zurück gelassen. Haben Raum für Neues gelassen. Für die Roma. Für die thüringische Charlotte aus Belgien. Für die über Facebook angeheiratete Anastasia aus Moldavien. Für Evia aus Lettland, für Krishan aus Indien. Für den Käsemeister aus Brasilien. Für den Druiden aus Deutschland. Und für andere, die es wagen, ihr Glück zu suchen. Neues auszuprobieren. Für alle Pioniere der Neuzeit. Ja, sogar wieder für die Sachsen.
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu ist in Rumänien aufgewachsen und lebt inzwischen seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Im vergangenen Herbst ist Carmen Francesca Banciu wieder für einige Wochen nach Rumänien zurückgekehrt, in den kleinen siebenbürgischen Ort Katzendorf.