Halloween in Cata, Kaca, Katzendorf
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu mit rumänischen Wurzeln verbrachte im Herbst 2014 einige Woche in einem kleinen siebenbürgischen Dorf. Für den Originalton berichtet sie von den Einwohnern und den Spuren der Vergangenheit.
Die Kinder des Dorfes sind seit Wochen in Aufregung.
Sie schwärmen. Sie tuscheln. Sie hoffen. Sie freuen sich im Voraus. Katzendorf liegt etwas abgelegen. Keine Busverbindungen. Nur ein kleiner, vergessener Bahnhof. Dort hält ein Zug zweimal am Tag.
Und doch. Ist Katzendorf mit der Welt verbunden. Erlebt die Welt gleichzeitig.
Heute ist Halloween.
Halloween kennen die Kinder aus dem Internet. Und aus dem freiwilligen Englischunterricht von Anastasia. Anastasia aus der Republica Moldova. Inzwischen Leiterin des Touristeninfocenters im Ort.
Die Kinder des Dorfes können den Abend kaum erwarten. Die großen, wie die kleinen. Die rumänischen, die ungarischen. Und besonders die Zigeunerkinder. Roma? Nein. Sie sind keine Roma. Sind Zigeuner, wohnen in der Tziganie, sagen sie. Sächsische Kinder gibt es hier keine mehr.
Am Morgen inspiziert der Bürgermeister den Park. Das Touristenzentrum. Die Schule und die Umgebung. Gibt den Sozialhilfeempfängern Aufgaben. Macht mit. Es ist auch für eure Kinder, sagt er. Frauen und Männer aus der Tzigänie fegen die Gegend, reparieren Zäune und Geräte auf dem Spielplatz.
Vermutlich hat es sich herumgesprochen, heute kommt der Bürgermeister. Alle im Dorf sind an ihrem Platz. Oder ist Halloween daran schuld. Selbst die Apothekerin, die seit Tagen ohne Erklärung verschwunden war, trinkt ihren Kaffee nebenan in der Arztpraxis.
Früher feierte man die Nacht des heiligen Andrei.
In dieser Nacht fallen die Grenzen zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren. Erwachen die Toten. Es ist die Nacht der Wölfe. Der Wehrwölfe.
Zum Schutz reibt man die Türrahmen mit Knoblauch ein.
Halloween mit Verkleidung und Masken. Auch für die Kinder aus der Tziganie. Tagsüber herrscht eine elektrisierende Stimmung. Seit Wochen wird in der Schule und im Infocenter eifrig gebastelt. Aus so gut wie nichts, sind kleine Wunder entstanden. Die Kinder sind außer sich vor Freude. Vorfreude. In der Schule waren sie heute besser als sonst. Hausaufgaben haben sie mit links erledigt. Trotz der großen Aufregung.
Am Abend lachen feurig die Riesenmäuler der Kürbismonster. Das Dorf ist von Dunkelheit umhüllt. Nur das Infocenter ist beleuchtet. Davor stehen alle auf der Hauptstraße. Der Schuldirektor. Die Lehrer. Die Kinder. Die Eltern. Auch Roma Eltern. Viele Eltern, die noch nie bei ihren Kindern in der Schule gewesen sind.
Die Geister sind da. Sie ziehen aus der Dunkelheit in die einzige Lichtoase vor dem Touristencenter. Zeigen sich in ihrer Pracht. Musik aus den Boxen. Und Märchen. Und Geschichten. Wettbewerbe. Tänze. Spiele. Es wird fotografiert. Gefilmt. Aufgenommen. Die Lehrer und der Schuldirektor führen Regie. Anastasia verteilt die Preise. Leuchtende, köstlich schmeckende Äpfel.
Alle sind da und freuen sich. Sie freuen sich gemeinsam.
Die rumänischen Eltern. Die Ungarischen. Die Roma.
Sind stolz auf ihre Kinder.
Ein gemeinsames Leben. Gleichgestellt? Dieses Fest könnte ein Anfang sein.
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu ist in Rumänien aufgewachsen und lebt inzwischen seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Im vergangenen Herbst ist Carmen Francesca Banciu wieder für einige Wochen nach Rumänien zurückgekehrt, in den kleinen siebenbürgischen Ort Katzendorf.