Transzendentale Meditation

Tauchgang an die Quelle des Bewusstseins

Im indischen Ashram traf der kanadische Filmemacher Paul Saltzman zufällig die Beatles - und machte viele Fotos von ihnen.
Die Beatles auf Sinnsuche: Filmemacher Paul Saltzmann traf die Musiker zufällig in einem indischen Ashram. © Paul Saltzman / Beatles Story
Von Antje Stiebitz |
Der indische Guru Maharishi Mahesh Yogi gilt als Maskottchen der Hippie-Generation. Die Beatles, die Rolling Stones und halb Hollywood saßen ihm zu Füßen. Seine Transzendentale Meditation wird weltweit gelehrt – und ist markenrechtlich geschützt.
"Schön, ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen, es wird möglicherweise noch den einen oder anderen Nachzügler geben."
Im Center für Transzendentale Meditation in Berlin-Kreuzberg haben sich acht Interessierte eingefunden. Weiße Vorhänge, Holzlaminat und gedämpftes Licht vermitteln eine freundliche Atmosphäre. Sobald sich alle Anwesenden in den zwei Stuhlreihen niedergelassen haben, beginnt der Meditationslehrer Christoph Hoff seinen Informationsvortrag mit dem kurzen Film "David Lynch on Consciousness, Creativity and the Brain". Darin erklärt der US-amerikanische Filmregisseur Folgendes:
"Wenn dein Bewusstsein die Größe eines Golfballs hat, dann liest du ein Buch, und dein Verständnis ist dabei so groß wie ein Golfball. Wenn du hinaus blickst, ist deine Achtsamkeit golfballgroß und wenn Du morgens aufstehst, ist dein Wachheitszustand golfballgroß. Aber wenn du dein Bewusstsein erweiterst, dann liest du das Buch mit mehr Verständnis, du blickst achtsamer hinaus, und du bist wacher, wenn Du aufstehst – das ist Bewusstsein. Und in jedem von uns gibt es einen Ozean von reinem pulsierendem Bewusstsein."
Der US-amerikanischer Filmregisseur, Filmproduzent und Drehbuchautor David Lynch.
Filmregisseur David Lynch: Ozean von pulsierendem Bewusstsein© imago / ZUMA Press
Maharishi Mahesh Yogi habe mit der Transzendentalen Meditation eine schlichte Methode gelehrt, in diesen Ozean einzutauchen. David Lynch ist einer von zahlreichen Prominenten, die die mittlerweile als Markennamen geschützte Transzendentale Meditation für sich entdeckt haben.

Mit Meditation das Leid in der Welt bekämpfen

Der Gründer der neohinduistischen Meditationsbewegung, Guru Maharishi Mahes Yogi, mit bürgerlichem Namen ehemals Mahesh Verma, studierte in der indischen Stadt Allahabad zunächst Physik und Mathematik. Etwa 1950 schloss sich der junge Mann dem Swami Brahmananda Saraswati an und folgte ihm in das Kloster Jyotirmath in den Himalaya.
Bevor der Lehrer 1953 starb, betraute er Mahesh Verma mit einer Mission: Er solle in die Welt hinausgehen und die Menschen in ihrem Kampf gegen Leid unterstützen. Und zwar mit Hilfe einer lange vergessenen Meditationstechnik. Während der nächsten Jahre bereitete sich der junge Mann auf diese Aufgabe vor und wurde zu Maharishi Mahes Yogi. Im Jahr 1959, mit seiner ersten Auslandsreise nach San Francisco, begann seine Mission im Westen.
David Lynch begann im Alter von rund 35 Jahren mit der TM und ist heute davon überzeugt, dass die Technik sein Leben verändert hat: "Ich liebe das Filmemachen jetzt mehr als je zuvor, Ideen fließen besser, jeder am Set hat mehr Spaß, die Menschen sehen aus wie Freunde, nicht wie Feinde. Es ist eine wunderschöne Sache, denn das sind wir."
Maharishi Mahesh Yogi, Gründer der Transzendentalen Meditation, oder kurz: TM
Maharishi Mahesh Yogi, Gründer der Transzendentalen Meditation, oder kurz: TM© picture alliance / dpa / UPI
Christoph Hoff schaltet den Beamer aus und rollt die Filmleinwand hoch: "Haben Sie Fragen zu dem, was David Lynch erklärt hat? Er hat ja so einen gewissen Queraufriss gemacht." Als sich keiner rührt, wendet sich der Meditationslehrer einem Flipchart zu, nimmt einen Stift in die Hand und beginnt zu erklären:
"Wenn wir über Transzendentale Meditation sprechen, dann sprechen wir über eine uralte geistige Technik aus der vedischen Kultur Indiens. Sie wird im Sitzen für zweimal 20 Minuten mit geschlossenen Augen ausgeführt, und es passieren erstaunliche Dinge, wenn man meditiert und die Augen zu macht."

Tagesbewusstsein und reines Bewusstsein

Während Christoph Hoff spricht, zeichnet er ein Schaubild auf das Papier. Ganz oben: unser Tagesbewusstsein, ganz unten: reines Bewusstsein. Von dort, auf der Zeichnung durch kleine Kringel markiert, steigen unsere Gedanken auf, wie Luftblasen vom Grunde eines Sees. Zwischen Alltagsbewusstsein und reinem Bewusstsein, so der Meditationslehrer, finden sich vielschichtig angeordnet Gedanken und Emotionen. Bei der Meditation tauchen wir mit Hilfe eines Mantras, einer Klangsilbe, hinunter ins reine Bewusstsein. Wir transzendieren.
Hoff: "Was passiert, wenn wir eintauchen in unser Bewusstsein, das ist zunächst einmal, dass den Gedanken die Luft ausgeht, könnte man sagen, die verblassen allmählich, und sie ordnen sich gleichzeitig. Das heißt, es entsteht mehr innere Harmonie, die wir spüren."
Diese Harmonie wirke sich auf allen Ebenen positiv auf den menschlichen Organismus aus. Christoph Hoff teilt an alle Anwesenden eine Broschüre aus, die mit zahlreichen Grafiken und wissenschaftlichen Studien darstellt, wie Transzendentale Meditation auf den Körper und auf die Seele wirkt. Die während der Meditation erfahrene körperliche Entspannung, so die Quintessenz, schaffe die Basis für Heilung. Ob bei Stressbelastung, psychosomatischen Störungen, Sucht, Herzkrankheiten oder posttraumatischen Belastungsstörungen.

Nicht mehr dem Hinduismus verbunden?

Gründete die Lehre der TM anfänglich noch gänzlich in der hinduistischen Tradition, versuchte Maharishi die Meditationstechnik zunehmend im westlichen Wissenschaftsverständnis zu verankern. Denn auch wenn der Tauchgang an die Quelle des Bewusstseins zunächst nach mystischem Erleben klingt, fühlte sich der Guru einem "Zeitalter der Wissenschaft" verpflichtet:
"Lasst uns sichergehen, dass wir bei allem, was wir versuchen und erreichen wollen, realistisch bleiben. Unser Zeitalter der wissenschaftlichen Entfaltung schenkt keiner Sache Glauben, die sich im Gewand des Mystizismus verhüllt."
Der Theologe Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hält die entspannende Wirkung der TM für bewiesen. Allerdings verweist er auf autoritäre Strukturen der Organisation und betont, dass in der Meditationstechnik auch religiöse Elemente enthalten sind. Etwa die Mantren, die bei der Initiation vergeben werden.
Eißler: "Diese Klangsilben – auch wenn das so nicht vermittelt wird und möglicherweise von den Praktizierenden jetzt auch im Einzelnen nicht so verstanden wird, ist es so, dass die im Grunde auch auf Hindu-Gottheiten verweisen und dass diese Silben eben auch eine religiöse Konnotation haben."

Von hochfliegenden Plänen ist wenig geblieben

Heute sei davon in der Öffentlichkeit kaum noch die Rede, aber in den 70ern habe Maharishi Ideen verfolgt, mit denen er stark auf die Gesellschaft einwirken wollte. Er propagierte eine Weltregierung und rief das Zeitalter der Erleuchtung aus. Noch 2008 sorgte die Maharishi-Stiftung in Berlin für Wirbel.
Eißler: "Damals war der Erwerb des Teufelsbergs in Berlin für eine Friedensuniversität oder einen Friedensturm, der da gebaut werden sollte, geplant. Es gab die Initiative, viele Friedenpaläste und eben Türme der Unbesiegbarkeit zu bauen. Eigentlich ist davon ja wenig zu sehen, aber es waren eben auch ganz große, auch großspurige Konzepte, die Städte zu verändern."
TM-Seance in den 1980er Jahren auf einem Berg in Israel: Schwerelos in der Luft schweben
TM-Seance in den 1980er Jahren auf einem Berg in Israel: Schwerelos in der Luft schweben© picture alliance / dpa / AFP
Die Naturgesetzpartei, die sich 1992 gründete, weil sie die Prinzipien der TM politisch verankern wollte, hat sich 2004 aufgelöst. Das immer wieder aufsehenerregende "Yogische Fliegen" – die hüpfende Vorwärtsbewegung im Lotussitz mit dem Ziel, bei maximaler Transzendentaler Meditation irgendwann zu schweben – wird im Kreuzberger TM-Zentrum mit keiner Silbe erwähnt.

Geht es um Geld oder Lebensglück?

Aufbruchsstimmung im Berliner TM-Zentrum. Während einige der Teilnehmer sofort ein Gespräch mit Christoph Hoff aufnehmen, verlassen andere schnell den Raum. Die 24-jährige Eunice etwa ist enttäuscht: "Ich habe jetzt eigentlich nicht viel mitgenommen, denn hier wurde nur geworben, für das Produkt sozusagen. Und ich habe einfach das Gefühl es geht am Ende doch immer ums Geld."
Tatsächlich kostet der Grundkurs mit jeweils ein bis zwei Stunden an vier aufeinanderfolgenden Tagen im Kreuzberger TM-Center 1170 Euro. Hinter der Transzendentalen Meditation steckt heute eine ganze Organisation mit verschiedenen Wirtschaftszweigen. Doch jenseits aller Geldfragen fand Eunices Freundin den Vortrag interessant: "Man lernt halt diese Technik, und locken tut natürlich ein glückliches, erfülltes, zufriedenes Leben."
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