Bilder wie nach dem Tod Khomeinis
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Im Iran galt der getötete General Soleimani als Nationalheld. Die Trauerbekundungen entsprängen der schiitischen Tradition, erläutert der Politologe Cornelius Adebahr. Soleimanis Tod bekomme besondere Bedeutung, weil er zum Märtyrer erklärt wurde.
Dieter Kassel: An dem Tag, der nicht der Tag danach ist, denn die Trauerfeierlichkeiten, die gestern schon aus dem Iran weltweit so beeindruckende Bilder geliefert haben, die gehen heute weiter. Heute erst wird ja der getötete General Soleimani beigesetzt. Wir werden also wahrscheinlich auch heute wieder Dinge sehen, die manchen Angst machen, viele beeindrucken und die viele im Westen auch nicht so ganz richtig verstehen. Über diese Symbolik, die da auch eine große Rolle spielt, wollen wir mit Cornelius Adebahr reden.
Der Politikanalyst und Berater hat von 2011 bis 2013 im Iran gelebt und gearbeitet und danach dann auch noch in den USA. Inzwischen lebt er wieder in Deutschland und hat hier unter anderem auch das Buch veröffentlicht "Inside Iran". Wenn wir mal zwei Beispiele nehmen, also Chamenei, Staatsoberhaupt, die Stimme brach ihm weg, er hatte Tränen in den Augen, und auch die Tochter des Generals, die schwarze Tage angekündigt hat. Ist das alles Teil eines Rituals, nur Symbolik, oder ist das alles ernst zu nehmen?
Religiös motivierte Trauermärsche
Adebahr: Es ist durchaus ein ernstgemeintes Ritual, um es mal so zu sagen. Es geht ja zurück auf schiitische Glaubenstraditionen. Bei den Schiiten spielt Trauer eine furchtbar wichtige Rolle. Manche sagen, der schiitische Zweig des Islams ist gar keine fröhliche, sondern eben eine Trauerreligion.
Das hat mit den Ursprüngen zu tun, als man sich von den, was heute die Sunniten sind, trennte in dem Streit um die Nachfolge des Propheten Mohammed, und da gibt es einen Imam, Imam Hussein, der in einer Schlacht umgekommen ist und der als einer der ersten Märtyrer verehrt wird.
Es gibt auch jetzt immer noch jährliche Trauermärsche ihm zu Ehren, wo die Menschen in Schwarz gekleidet durch die Straßen ziehen, manche Männer sich geißeln oder auch nur symbolisch geißeln und wo man versucht, durch den Schmerz auszudrücken die Verbundenheit, die Verbundenheit im Glauben, die Verbundenheit mit diesem Märtyrer. Das ist das Reservoir, auf dem das, was jetzt an Trauermärschen stattfindet, alles aufbaut. Das ist ein sehr ernster, ein religiöser Hintergrund.
Kassel: Was aber für mich das alles wieder ein bisschen relativiert, denn so gesehen könnte man ja sagen, das ist alles gar nicht so ungewöhnlich. Soleimani war einer der wichtigsten Männer im Iran, er ist getötet worden, und nach dem, was Sie erzählt haben, würde ich sagen, das ist für iranische Verhältnisse nur angemessen, was da gerade passiert.
Adebahr: Er war eine wichtige Persönlichkeit, er war ein hochrangiger General, er hat diese Revolutionsgarden kommandiert, aber war auch am Iran-Irak-Krieg in den 1980er-Jahren beteiligt. Das hat ihm schon einen gewissen Status verliehen. Jetzt war er ein Nationalheld nach dem Kampf gegen den "Islamischen Staat". Das ist aus Sicht des Irans ein existenzieller Kampf gewesen, der da im Nachbarland Irak stattgefunden hat.
Es ging darum, diese ausbreitende Terrorgruppe, die Iran direkt bedroht hat, zurückzudrängen. Dafür war er hauptsächlich verantwortlich, und das hat ihm einen Status als Nationalheld beigebracht. Es ist also durchaus angemessen, es ist aber auch nicht normal. Der Tod als solcher dieses Mannes ist nicht normal. Es lässt sich sehr leicht mit diesem Märtyrertod in Verbindung bringen. Er wurde auch von Chamenei zu einem Märtyrer erklärt. Wenn man sich jetzt einfach mal die Bilder anschaut, dann geht das schon fast in Richtung Trauermärsche nach dem Tod Khomeinis, also des Revolutionsführers 1989.
Politische Symbolik auf beiden Seiten
Kassel: Nun könnte man natürlich sofort denken, auf der anderen Seite, der amerikanischen Seite, ist das nicht so. Diese Bedeutung von Symbolen und Theatralik gibt es da nicht, aber auf der anderen Seite hat Donald Trump ja sofort mit möglichen Angriffen auf exakt 52 bereits ausgewählte Ziele, die im Iran liegen oder etwas mit dem Iran zu tun haben, genannt. 52 wegen der Anzahl der Geiseln in der Botschaft in Teheran 1979. Auf einer gewissen Ebene ist doch diese Macht der Symbole da fast vergleichbar, oder?
Adebahr: Auch das ist eine sehr symbolische Zahl. Er hat das dann in dem Tweet, den er dazu geschrieben hat, auch gleich versucht zu erklären, um es seinen Landsleuten dann doch noch mal in Erinnerung zu rufen. Wenn er es nicht erklärt hätte, hätte niemand gewusst, wo genau, oder hätten nur wenige Leute gewusst, wo diese 52 Ziele herkommen, wo die Zahl herkommt.
So präsent wird sie den Amerikanern nicht sein, aber auch dort gibt es ein Reservoir an Ressentiment gegenüber Iran. Diese Periode der Geiselnahme, das waren 444 Tage von November '79 bis zum Januar 1981, exakt bis zum Tag der Amtseinführung von Ronald Reagan. Dann wurden die Geiseln freigelassen. Das ist also eine lange Zeit, eine sehr prägende Zeit.
Auf dieser Ablehnung baut in der US-Iran-Politik viel auf, auf dieser tiefen Abneigung gegenüber Iran. In der Zeit fing man dort an, amerikanische Fahnen öffentlich zu verbrennen, und man hatte vorher mit dem Schah sehr gut zusammengearbeitet. Also ein Verbündeter ging verloren, ein Feind entstand, und das ist sozusagen das, woran der Präsident jetzt erinnert.
Kassel: Wer kann da jetzt helfen, und wie kann man sich da einigen, denn wir können doch, glaube ich, davon ausgehen, gegenseitige Bedrohungen bei Twitter, dabei wird es eventuell nicht bleiben?
Adebahr: Das steht zu befürchten. Was jetzt passieren müsste, sind intensive Gespräche, einerseits soweit das möglich ist, zwischen dem Iran und den USA. Der französische Präsident hat das im letzten September schon mal versucht. Der hat sich jetzt auch wieder eingeschaltet, will da vermitteln. Es geht natürlich auch um Irak, der jetzt zum Austragungsort dieser Rivalität zu werden droht.
Irak will ausländische Soldaten des Landes verweisen. Da hat die Bundesrepublik auch ein direktes Interesse, hier auf Stabilität hinzuwirken und in Gespräche einzusteigen. Was man noch hoffen kann, ist, dass die Iraner sich Zeit lassen mit ihrer Antwort. Es gab Fälle in der Vergangenheit, wo das auch der Fall gewesen ist nach dem Abschuss eines Passagierflugzeugs in den 1980er-Jahren. Da haben sie auch Rache geschworen, aber es passierte lange nichts, sodass einfach Zeit entsteht, um in Gespräche einzusteigen, um regionale Sicherheit in den Vordergrund zu stellen.
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