Traumberuf Islamlehrer

Von Ita Niehaus |
Der Beruf ihres Vaters hat für Yesim Yildirim immer eine große Rolle gespielt. Daher ist die 31-Jährige beruflich auch in die Fußstapfen von Ömer Aslangeciner getreten und unterrichtet nun ebenfalls islamische Religion an einer deutschen Schule.
Islamunterricht in der ersten Klasse der Albert-Schweitzer-Schule in Lehrte, einer kleinen Stadt in der Nähe von Hannover. Um den Propheten Noah, auf Arabisch "Nuh", geht es heute.

"Allah hat dann gesagt, er soll ein Schiff bauen."
"Und warum hat er das gebaut?"
"Um die Tiere zu retten."
"Nur die Tiere?"
"Auch die Menschen."

Die elf muslimischen Kinder kommen aus der Türkei, aus Bosnien und dem Kosovo. Ömer Aslangeciner will ihnen im bekenntnisorientierten Islamunterricht die Grundlagen ihres Glaubens vermitteln. Dabei ist ihm vor allem eines wichtig:

"Dass jeder Mensch anders ist, genauso wie jede andere Religion anders sein kann. Man sollte für die anderen Menschen und die anderen Religionen Verständnis haben, um friedlich zusammenzuleben, andere Gedanken, die fanatisch sind, außer Acht lassen."

Als eine der ersten Grundschulen in Niedersachsen bietet die Albert-Schweitzer-Schule im Rahmen des Niedersächsischen Modellversuchs schon seit neun Jahren Islamunterricht an. Inzwischen werden bereits an 43 Grundschulen mehr als 2000 Kinder in islamischer Religion unterrichtet. Ömer Aslangeciner war von Anfang an mit dabei.

"Es war sehr schwierig, wir hatten gar nichts, noch nicht einmal einen Zettel. Aber wir haben durch die Seminare, die wir jedes Jahr drei, vier Mal gemacht haben, vieles von unseren deutschen Kollegen, evangelischen und katholischen Lehrern, gelernt."

Ortswechsel. Die Grundschule Osterberg in Garbsen bei Hannover. Über die Hälfte der Schüler hat einen Migrationshintergrund, viele von ihnen sind Muslime.

"...und wenn wir in den Sommerferien umziehen - Selin schwirrt der Kopf, sie hält sich die Ohren zu , alle Gedanken wirbeln durcheinander. Schließlich hört sie sich rufen: Aber ich will hier nicht weg..."

Yesim Yildirim erzählt den Schülern der ersten Klasse die Geschichte von Selin, die mit ihrer Familie nach Frankfurt zieht.

"Die Kinder sollen sich in die Lage von Selin versetzen, um anschließend dann die Geschichte von Abraham zu hören und zu verstehen, warum er eben von Haran wegziehen soll. Man muss auf jeden Fall den Lebensbezug herstellen zu den Kindern. Sonst - Abraham ist ja etliche Jahre her, wo er gelebt hat. Und das ist für die Kinder schwierig nachzuvollziehen, dass ein Mann, ein Prophet, so einen Auftrag bekommt."

Die 31-jährige Yesim Yildirim führt freundlich, aber bestimmt durch den Unterricht. Sie ist eine Religionslehrerin der neuen Generation: Islam ist eines von mehreren Fächern der Grundschullehrerin mit deutschem Staatsexamen.

An der Universität Osnabrück bildete sie sich in Islamischer Theologie weiter. Wenn alles läuft wie geplant, wird sie nach ihrer Probezeit Ende des Jahres Beamtin sein. Schon als kleines Mädchen begleitete Yesim Yildirim ihren Vater Ömer Aslangeciner manchmal in die Schule.

"Von klein auf war es ein Traumberuf, da hat mein Vater eine große Rolle als Vorbild gespielt. Weil er bei den Menschen auch was erreichen wollte. Er hat sich auch für Gerechtigkeit ein- gesetzt, für Bildung. Viele von seinen Schülern haben studiert und sind erfolgreiche Geschäftsmänner. Wenn ich sehe, wie glücklich ihn das macht, ja, dann möchte ich das auch."

"Natürlich bin ich sehr stolz auf sie."

Ömer Aslangeciner sieht jünger aus als er ist. Seit mehr als vierzig Jahren ist er Grundschullehrer. Zunächst arbeitete er in der Türkei, dann als Türkischlehrer in Niedersachsen. Wie viele andere Islamlehrer ist auch der 63-jährige ein Quereinsteiger. Mit dem Erreichten hat er sich nie zufrieden gegeben. Er wollte seinen Schülern einen möglichst guten Unterricht bieten. Per Fernstudium bildete er sich an der Universität Osnabrück weiter, und begann dort mit Ende 50 dann auch noch ein Studium für Islamunterricht, das er vor zwei Jahren mit dem Master abschloss.

"Am Anfang war ich nicht so ganz sicher, aber jetzt weiß ich, was ich mache und da geht man dann im Unterricht lockerer. Ich weiß auch Gründe und Hintergründe und auch verschiedene Glaubensrichtungen."

Eine eigenständige islamische Religionspädagogik gibt es in Deutschland noch nicht, sie entsteht erst nach und nach. Der engagierte Lehrer gibt seine Erfahrungen weiter - unter anderem arbeitete er mit an den Rahmenrichtlinien des Niedersächsischen Kultusministeriums für Islamunterricht an Grundschulen. Und auch seine Tochter hat er mit seinem Verständnis von einem guten Islamunterricht geprägt.
"Guten Islamunterricht macht aus, dass die Kinder nicht nur über ihre eigene Religion Dinge erfahren, sondern auch über andere Religionen. Wir leben ja hier in einem christlichen Land und wir sind eine Minderheit, die Kinder erfahren durch diese Prophetengeschichten nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch, wie sich gegenüber anderen Religionen verhalten sollen."

Beide sind sich einig: Islamunterricht fördert die Integration. Er ist jedoch keine Alternative zum Koranunterricht in der Moschee, sondern eine wichtige Ergänzung. Und: Eine fundierte theologische Ausbildung reicht nicht aus, ein guter Islamlehrer muss auch mit den unterschiedlichen Strömungen im Islam umgehen können - ob streng gläubig oder liberal, ob Sunniten oder Alewiten.

"Viele Eltern schicken ihre Kinder zum Islamunterricht und die vertrauen uns. Und viele sagen uns, mein Kind soll nicht so streng erzogen werden. Jeder Mensch ist Gott gegenüber verantwortlich, manche verstehen das so, manche so , aber man darf die anderen Leute nicht zwingen, wie man selbst denkt. Die Kinder sollen dann später alles entscheiden."

Rund 49.000 Schüler muslimischen Glaubens sollen ab dem kommenden Jahr im neuen Fach "Islamische Religion" in Niedersachsen unterrichtet werden. Ein ehrgeiziges Ziel.

"Es kann nicht auf einmal überall Islamunterricht geben. Man braucht wenigstens 120 Lehrer und das hat man nicht."

In frühestens fünf Jahren werden die ersten an einer deutschen Universität voll ausgebildeten islamischen Religionslehrer unterrichten. Also Religionslehrer, die Islam als Hauptfach studiert und ein Referendariat gemacht haben. Neben dem ersten und zweiten Staatsexamen brauchen sie künftig auch die Zustimmung ihrer Religionsgemeinschaft. Das ist bei evangelischen und katholischen Religionslehrern genauso. Der Unterschied: Der Islam ist keine anerkannte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Deshalb hat das Land Niedersachsen einen Beirat ins Leben gerufen, mit Vertretern muslimischer Verbände, der über diese Lehrerlaubnis, die Ijaza, entscheiden soll. Verlangt wird unter anderem - Zitat - eine "fortwährende Lebensweise nach der rechten islamischen Lehre." Viele liberale Muslime befürchten, dass sich konservative Kräfte durchsetzen könnten
"Ich befürchte das überhaupt gar nicht, weil wir nach diesen Richtlinien arbeiten, was vom Kultusministerium gemacht wird. Es war ein Schock für uns. Aber danach haben wir mit denen zweimal zusammen gekommen, dann haben wir Verständnis gehabt. Wie das man von einem evangelischen Kollegen verlangt, soll man auch vom islamischen Kollegen verlangen."

"Vögel, ein Fisch und ein Löwe, Berge, Sonne."
"Und was hat Gott alles erschaffen? Was du gesagt hast..."
"Die Liebe."

Zurück im Islamunterricht bei Ömer Aslangeciner. In zwei Jahren wird er in Rente gehen. Wie für viele andere Muslime ist auch für ihn die Einführung von Islamunterricht als reguläres Schulfach ein wichtiger Schritt hin zur Gleichberechtigung der Religionen.

"Ich bin sehr optimistisch. Ich denke, viele Jugendliche, die hier studieren und hier geboren sind, die können die Sache weitermachen, so weitergeben wie wir das gemacht haben."