Trauminsel auf der Anklagebank

Von Kai Küstner · 09.04.2013
Auch vier Jahre nach dem Krieg ist Sri Lanka noch weit von der Normalität entfernt. Das zeigt die Resolution, die der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf Betreiben der USA vor drei Wochen verabschiedet hat. Die internationale Gemeinschaft versucht damit erneut, Druck auf das Regime in Colombo auszuüben und Sri Lanka dazu zu bewegen, mutmaßliche Kriegsverbrechen im jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit den Tamilen-Rebellen aufzuarbeiten.
Diese Demonstrierenden in Sri Lanks Hauptstadt Colombo sind wütend. Wütend auf die USA, auf die Europäer und all die anderen Nationen, die vor kurzem im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gegen ihr Land stimmten:

Protestler: "Amerika sollte sich schämen. Diese Resolution dient nur einem Zweck: dieses Land zu destabilisieren."

Sogar der große Nachbar Indien - ein Schoßhund Amerikas, wie einer der Protestler schimpft - stimmte gegen Sri Lanka. Die Vereinten Nationen versuchen auf diese Weise, die Urlaubinsel zur Aufarbeitung mutmaßlicher Kriegsverbrechen zu bewegen:

Goldene Strände säumen unser Land. Nur einer von so vielen Sätzen, mit denen Sri Lanka für sich und seine unbestrittene Schönheit wirbt. Die Insel ist ein Tourismus-Paradies. Aber eben nicht nur das: Auf der vermeintlichen Trauminsel tobte Jahrzehnte lang ein blutiger Krieg.

Zwischen mit terroristischen Mitteln operierenden Tamilen-Extremisten, die einen eigenen Staat wollten. Und den Regierungstruppen. Dieser Krieg ist seit Mai 2009 beendet. Die entscheidende Frage jedoch lautet – zu welchem Preis:

Um die Welt gingen erschütternde Bilder, die der Sender Channel 4 zeigte. Eingekeilt auf einem winzigen Küstenstreifen durchlitten zehntausende tamilische Zivilisten die letzten Kriegstage. Alles deutet darauf hin, dass die Rebellen sie an der Flucht hinderten.

Um sie als menschliche Schutzschilde vor den heranrückenden Regierungstruppen zu missbrauchen. Die wiederum ihrerseits gewillt schienen, diesen Krieg ein für alle Mal zu beenden, koste es, was es wolle:

Rund 40.000 tote Zivilisten
Bis zum Mai 2009 gab es 65 Attacken auf medizinische Versorgungspunkte, an denen Zivilisten behandelt wurden, berichtet Buchautor Gordon Weiss. Vor großflächigen Bombardements schreckten die Regierungstruppen den Berichten zufolge nicht zurück. Flüchtlingskonvois griffen sie an. Kankenhäuser, die vom Roten Kreuz klar als solche gekennzeichnet worden waren.

Von bis zu 40.000 getöteten Zivilisten gehen die Vereinten Nationen alleine in den letzten Kriegswochen aus. In wenigen Monaten starben hier also laut UN bis zu 15 Mal so viele Zivilpersonen wie im gesamten Jahr 2009 in Afghanistan. Die Regirung in Sri Lanka hingegen nutzt jede sich bietende Gelegenheit, sich für die Beendigung des Bürgerkrieges ausgiebig feiern zu lassen. Die Urlauber sonnen sich an den Stränden. Sri Lankas Präsident Rajapakse und seine Brüder – gleich zwei von ihnen sind Minister – sonnen sich im Erfolg des gewonnenen Krieges:

Rajapakse: "Wir können doch nicht, so einst der Präsident, jemanden dafür bestrafen, dass er den Terrorismus besiegt habe. Auch die neue Resolution der Vereinten Nationen weist die Regierung als Einmischung in innere Angelegenhieten zurück. Und immer wieder darauf hin, dass eine internationale Untersuchung nur den Aussöhnungsprozess auf der Insel stören würde."

Ganguly, HRW Neu Delhi: "Die Regierung in Sri Lanka hat sich bislang gesperrt zuzugeben, dass es überhaupt Menschenrechtsverletzungen gegeben hat. Das geht damit los, dass sie stets von null zivilen Opfern sprach. Es ist nötig, dass die Regierung ein wenig Druck spürt, um die Wahrheit anzuerkennen und sich dann mit den Verstößen beschäftigt."

Fordert Meenakshi Ganguly von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Interview mit dem ARD-Hörfunk-Studio Neu Delhi. Ohne eine Aufarbeitung der Gräueltaten, befürchten viele, würden sich die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat, nie wirklich schließen."
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