Treffen der EU-Innenminister

Wer sichert die Grenzen?

Eine Hand hält am 29.04.2014 im LKA in Mainz (Rheinland-Pfalz) einen Fächer gefälschter Pässe.
Frontex sieht in gefälschten Pässen ein Sicherheitsrisiko. © picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Von Annette Riedel |
Die EU-Innenminister beraten bei ihrem informellen Treffen über den Schutz der Außengrenzen Europas. Eine Frage ist, ob die EU-Grenzschutzagentur Frontex daran stärker als bislang beteiligt wird.
Niemand unter den EU-Innen- und Justizministern wird wegen der Tatsache, dass ihr zweitägiges Treffen in Amsterdam "informell" - will sagen beschlussfrei - ist, erwartet, dass es deshalb ein entspannter Gedankenaustausch wird. Zu ungemütlich sind die Themen, mit denen sich die Minister-Runde zu befassen hat: der Umgang mit der Terrorismus-Bedrohung einerseits und die Flüchtlingskrise andererseits. Dass Österreich jetzt eine Obergrenze – oder einen Richtwert, wie der österreichische Bundeskanzler es nennt, für seine Aufnahme von Flüchtlingen vorgegeben hat, macht die Sache nicht einfacher. Nicht nur die SPD-Innenexpertin im EU-Parlament, Birgit Sippel, befürchtet eine Kettenreaktion.
"Es ist politisch schädlich, weil die Gefahr besteht, dass irgendwann alle dicht machen. Ich weiß nicht, ob die niederländische Ratspräsidentschaft das ernst gemeint hat, aber Herr Rutte hat ja gesagt, man könne mit der Türkei zusammenarbeiten, um die Flüchtlingszahlen gen Null zu bringen. Das wird es nie geben."
Martin Schulz fordert effektivere Sicherung
Jedenfalls hat der niederländische Regierungschef Rutte in der Tat gesagt, dass sich das Zeitfenster doch noch zu einer wie immer gearteten europäischen Lösung zu kommen, zu schließen begonnen hat. Dass sich schnell Substantielles bewegen muss, weiß auch EU-Parlamentspräsident Schulz.
"Wir brauchen eine effektivere Sicherung der Außengrenzen. Dazu bedarf es der Kooperation mit Nachbarländern. Wir brauchen eine infrastrukturelle und auch personelle Verstärkung derjenigen Länder, die die Außengrenzen am stärksten schützen müssen. Das gilt insbesondere für Griechenland. Aber das wird nichts bringen, wenn wir kein faires Verteilungssystem haben."
Und da die vor Monaten beschlossene EU-weite Umverteilung von 160.000 Schutzbedürftigen aus Griechenland und Italien auf dem Niveau von kaum über 300 verharrt, werden die EU-Innenminister auch einmal mehr darüber zu diskutieren haben. Und - noch liegen zwar Vorschläge der EU-Kommission zur Veränderung des Dublin-Systems, nach dem eigentlich für die Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen ausschließlich die EU-Länder mit Außengrenzen zuständig sind, nicht offiziell über den Tisch. Aber die EU-Innenminister dürften sich zur Dublin-Reform schon ihre Gedanken gemacht haben und sie in Amsterdam austauschen. Denn die Vorschläge werden sehr bald kommen, kündigte EU-Kommissionspräsident Juncker in der vergangenen Woche an.
"Jeder sagt, Dublin muss reformiert werden, aber wenn es soweit ist, dass wir unsere Vorschläge machen, dann scheitert das wieder an der unzureichenden Einsicht in die Notwendigkeit einer Neuverteilung in Europa."
Dublin-Reform funktioniert nicht mehr
Dublin funktioniert in der existierenden Form wegen der hohen Zahl von Asylsuchenden erkennbar nicht mehr. Aber auch wegen der Terrorismus-Gefahr – Thema am zweiten Tag des EU-Innenminister-Treffens – wird an mehreren EU-Binnengrenzen zurzeit wieder kontrolliert. Unter anderem an der dänisch-schwedischen, an der deutsch-österreichischen, an der deutsch-belgischen. Birgit Sippel benennt die Folgen, sollten sich die Kontrollen verstetigen. Sei es zur Terrorismusbekämpfung, sei es um Flüchtlinge an Landesgrenzen zu stoppen.
"Wenn plötzlich wieder alle LKWs an der Grenze stehen und kontrolliert werden – das hat massive wirtschaftliche Auswirkungen. Es hat Auswirkungen auf das politische Selbstverständnis. Und das wäre tatsächlich ein Auseinanderbrechen Europas. Ich glaube, das wäre ein Schlag, von dem wir uns alle gemeinsam lange nicht erholen würden."
Bundesinnenminister De Maizière hat schon angekündigt, dass Deutschland seinen im Schengen-System vorgesehenen Spielraum nutzen und die temporären Kontrollen verlängern werde. Bis Mai kann er das noch ohne die Zustimmung der übrigen EU-Länder tun. Dann müssten diese empfehlen, weiter zu kontrollieren, auf Grundlage der Feststellung, dass die Kontrolle an den Außengrenzen, namentlich an der griechischen Außengrenze, weiterhin nicht funktioniert. Spätestens da kommt die Rolle der Türkei ins Spiel. Auch darüber und wie die verstärkte Zusammenarbeit mit Ankara funktioniert - oder eben auch nicht – werden die EU-Innenminister diskutieren.
Mehr zum Thema