Von der Biodiversität bis zum Emissionshandel
Die Landwirtschaft verursacht ein Viertel aller weltweiten Treibhausgasemissionen. Hierzulande sollen die Bauern die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent senken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Landwirte und Verbraucher umdenken.
"Hier ist jetzt Weizen gesät, da war vorher anderthalb Jahre Kleegras, das Kleegras wurde dann untergepflügt und ist dann die Vorfrucht oder der Dünger für unseren biologisch erzeugten Weizen."
Geschäftsführer Stefan Palme stapft über die spätherbstlichen Felder von "Gut Wilmersdorf" im UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Auf rund tausend Hektar baut der Bioland-Betrieb im Nordosten Brandenburgs verschiedene Getreidearten an, Luzerne und Heil- sowie Gewürzkräuter. Die vielseitigen Fruchtfolgen förderten das Bodenleben, erklärt Palme. Das sei ebenso günstig fürs Klima wie der Verzicht auf synthetischen Dünger.
"Der mit einem erheblichen Aufwand an fossiler Energie hergestellt wird. Am Ende ist entscheidend, was man über mehrere Jahre hinweg an Humus im Boden akkumuliert, das ist das Wesentliche."
Als Humus wird der Teil des Bodens bezeichnet, der aus zersetzten organischen Substanzen besteht. Das erledigen zum Beispiel die Regenwürmer. Und umso mehr Humus angereichert wird in der Landwirtschaft, umso weniger schädigt sie das Klima, meint auch Hermann Lotze-Campen. Der Agrarwissenschaftler leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung den Bereich "Klimawirkung und Vulnerabilität".
"Humus ist im wesentlichen Boden-Kohlenstoff. Und wenn man den Humus-Anteil erhöht, indem man zum Beispiel mehr organische Masse in den Boden einbringt, durch unterschiedliche Bewirtschaftungsweisen, dann kann man ein gewisses Maß an Kohlenstoff im Boden speichern."
Am wirksamsten Hebel sitzt der Verbraucher
Der sonst in der Atmosphäre Unheil anrichten würde. In Lotze-Campens Büro hängt ein weißer Zettel an der Wand, darauf groß und mahnend: "24 Prozent". Es ist der Anteil von Landwirtschaft und Bodennutzung am globalen Ausstoß von Treibhausgasen.
"Das Zwei-Grad-Ziel oder sogar darunter wird nicht erreichbar sein, ohne dass man auch die landwirtschaftlichen Emissionen deutlich reduziert."
Am wirksamsten Hebel sitzt für Lotze-Campen, der auch Professor für Nachhaltige Landnutzung und Klimawandel an der Berliner Humboldt-Universität ist, aber der Verbraucher.
"Das größte Potenzial, die landwirtschaftlichen Emissionen zu reduzieren, wäre, zum Beispiel tatsächlich deutlich weniger Fleisch zu essen. Damit könnte man tatsächlich einen substanziellen Beitrag der Landwirtschaft zur Begrenzung des Klimawandels leisten."
Denn das hätte weniger Viehhaltung zur Folge, was gut für das Klima wäre, weil Wiederkäuer wie Rinder das Treibhausgas Methan ausstoßen. Um das zu reduzieren, suchen Forscher nach neuen Futtermischungen, die die Methanproduktion der Rinder senken sollen.
Wissenschaftler arbeiten auch an effektiveren Methoden der Bodenbearbeitung. So wird zum Beispiel Stickstoff-Dünger, der auf Pflanzen gekippt und von denen aber nicht vollständig aufgenommen wird, auch in Lachgas umgewandelt und trägt dann zum Klimawandel bei.
"Deswegen plädieren wir ja auch stark für einen Preis auf die Emissionen, damit es überhaupt einen Anreiz gibt, diese neuen Technologien auch in der Landwirtschaft überhaupt zu suchen und zu erforschen."
Heißt konkret: Die Landwirte in den Emissionshandel einzubinden. Jede Tonne Methan, Lachgas oder CO2, die ein Hof ausstößt, finanziell zu bestrafen und jede Tonne, die im Boden gespeichert wird, zu belohnen. Zukunftsmusik bislang, weil die Bodenspeicherwerte der Landwirtschaft schwer zu messen sind. Prinzipiell hätte Bio-Bauer Stefan Palme vom "Gut Wilmersdorf" in Brandenburg damit aber kein Problem.
"Ich denke schon, dass es Sinn macht, auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zu Klimaschutz leisten. Ich denke allerdings, es wäre wichtig, wenn es wirklich eine gesamte Betrachtung der Nährstoffkreisläufe umfasst und dann nicht nur einzelne Details sich rausgepickt werden."
Viele Höfe betreiben immer noch Raubbau
Die Zukunft gehöre einer Landwirtschaft, meint Palme, die nicht versucht, aus Böden, Pflanzen und Tieren den höchstmöglichen Ertrag heraus zu pressen.
"Ich glaube, dass es kurzfristig so ist, dass Betriebe, die Raubbau betreiben, weil sie sehr viel Marktfrüchte und sehr stark zehrende Kulturen anbauen, kurzfristig einen Vorteil haben, weil sie mehr verdienen. Aber ich denke, spätestens nach zehn, 15 Jahren werden die Betriebe dann den Preis bezahlen. Und wenn es um eine langfristig erfolgreiche Landwirtschaft geht, die auch noch nach mehreren Generation weiter gut wirtschaftet, ist das glücklicherweise auch eine Landwirtschaft, die auch weitgehend klimaneutral ist."
Weil sie auf Fruchtwechsel setzt, die dem jeweiligen Standort angepasst sind, auf geschlossene Stoffkreisläufe und Schädlinge nicht massiv mit Chemie bekämpft, dafür aber Nützlinge fördert.
"Hier an der Stelle sind an dem Weg hier, wo wir stehen, Bäume den ganzen Weg entlang gepflanzt worden. Dort hinten Richtung Greifenberg haben wir vor ein paar Jahren eine Hecke angelegt, jetzt kommen noch mehrere Hecken dazu, insgesamt zweieinhalb Kilometer, die wir anpflanzen. Da geht’s um Biodiversität, also Förderung des Schreiadlers in dem Fall, aber das hat natürlich auch eine Klimawirkung, wenn man mehr Vegetation in der Landschaft wachsen lässt."
Artenvielfalt statt Monokulturen, Energie aus Biomasse statt Viehhaltung: Die deutsche Landwirtschaft hat viel zu tun, wenn sie mithelfen will, die Klimaziele zu erreichen.