Der Hype um die Honigbiene
29:42 Minuten
Die Biene ist ein Superstar - vor allem seit sie in Gefahr ist. In den Städten gibt es immer mehr Hobbyimker, die die Biene retten wollen. Berufsimker sind skeptisch. Auf Dauer werde der Städter lieber ins Kino gehen, als nach seinen Bienen zu schauen.
Ein Gartengrundstück im brandenburgischen Mahlow, direkt an einer viel befahrenen Landstraße an der Stadtgrenze zu Berlin. Ein beständiges Summen liegt in der Luft. Martin Perschke hat hier 60 Beuten platziert – so nennt der Imker die hüfthohen Holzkisten, in denen sich jeweils ein Bienenvolk befindet. Jacke und Schleier hat er angezogen, die Handschuhe lässt er weg. Er ist längst abgehärtet.
"Ja, die stechen schon, aber ich kann das ab!"
Das Szenario wirkt unspektakulär. Doch was hier geschieht, macht einen Großteil seiner Jahresernte an Honig aus. Es ist jetzt Juni. Mitte Mai hat Martin Perschke die 60 Bienenvölker mit seinem Transporter hierher gefahren. Normalerweise stehen sie im Umkreis seines Hofes rund um Storkow, knapp 50 Kilometer weiter südöstlich. Doch jetzt blühen die Linden. Und nirgendwo sonst gibt es so viele Linden wie in der deutschen Hauptstadt. Für seine Bienen ein El Dorado.
Der Biene geht es in der Stadt besser als auf dem Land
"Die fliegen hier über die Straße und dann rein nach Berlin. Dann holen die Honig. Hier sind die ganzen Parks, die ganzen Altersheime hier hinten gleich, und da fliegen die schon Jahre lang. Fliegen gleich hier hoch, und zack! rüber in den Park zu den Rentnern."
60 Völker, das sind etwa zwei Millionen Bienen, die Martin Perschke am Stadtrand von Berlin für sich arbeiten lässt. Und die er vorher auf die Amerikanische Faulbrut hat überprüfen lassen, eine meldepflichtige Bienenseuche. Alles in Ordnung, hieß es, jetzt stehen die Beuten für ein paar Wochen hier. Wieder einmal.
"Weil Berlin überhaupt sehr grün ist. Ganz viele Linden, überall Parks, da blüht es ja überall, der Mauerstreifen war perfekt für die, die ganzen Bahnanlagen, da fühlen sich die Bienen wunderbar. Teilweise besser als bei uns draußen, wo wirklich ganz viel Landwirtschaft betrieben wird, konventionelle, da haben die dann nichts mehr, da ist alles tot gespritzt. Da ist kein Randstreifen mehr, wo sie sich was holen können. Und da sind die besser aufgehoben in Berlin. Habe ich alles mitgemacht, die haben ein ganzes Jahr gestanden in Berlin, und es ging denen super. Die haben Honig produziert, einwandfrei."
Damit die Bienen dem Imker eine reiche Honigernte bescheren, gehört mehr dazu als einfach nur die Honigwaben einzupacken. Im Frühsommer produzieren die Bienen neue Königinnen. Um das zu verhindern, schaut der Imker jede Woche seine Völker durch. Die sogenannte Schwarmkontrolle. Martin Perschke besitzt 160 Bienenvölker. Er hat also reichlich zu tun. Wabe für Wabe holt er aus der Beute heraus und schaut, ob sich darauf eine Weiselzelle, auch Schwarmzelle genannt, gebildet hat.
"Das ist zum Beispiel so 'ne Schwarmzelle. Hier würde jetzt eine neue Königin rausschlüpfen. Aus diesem Ding. Das nehmen wir raus, damit keine junge Königin kommt. Deswegen nehmen wir eine raus, machen sie in eine neue Wabe rein, da können die Bienen wieder bauen und können wieder Brut machen, und da ist der Druck raus aus der Kiste."
Vorsichtig packt der Imker die Zarge mit Königinnenbrut in eine neue Kiste. Aus dem Ableger entsteht ein Jungvolk, das er, wenn es sich gut entwickelt, im nächsten Jahr verkaufen wird. Immer wieder findet Martin Perschke bei seiner Kontrolle Schwarmzellen. Die er für gut befindet, behält er, die vermeintlich schwachen nicht. Zwei Königinnen pro Beute gehen jedenfalls nicht. Dann würden die Bienen schwärmen, also abhauen.
"Ja, dann würde die alte abziehen, raus ziehen mit der Hälfte vom Volk und die Hälfte vom Honig mitnehmen. Und das wollen wir ja nicht. Wir wollen den Honig ja haben für uns."
Imkern macht Arbeit – und zwar ziemlich viel
Wenn besonders viel zu tun ist, hilft ihm seine Mutter. Normalerweise kümmert sie sich mehr um die Vermarktung des Honigs: Schleudern, Abfüllen, auf den Märkten verkaufen. Aber auch die Schwarmkontrolle ist ihr nicht fremd. Sie hilft schon lange beim Imkern.
"Zu DDR-Zeiten hatten wir immer so um die 40 Völker und 40 Ableger, da sind wir auch schon in den Raps gewandert, hat uns sehr viel Geld gebracht, wurde ja auch vom Staat gefördert, wir haben damals 14 Mark fürs Kilo bekommen. Wir konnten das gleich in Milchkannen abgeben, brauchten gar nichts abfüllen, darum hat sich der Staat gekümmert, dass alles vermarktet wurde. Das war meistens alles für den Export. Und da konnte man mehr Geld mit verdienen als auf der Arbeit. Und das haben wir auch gemacht. Es ist immer viel Arbeit gewesen, aber hat auch was gebracht, und wir hatten dadurch ein gutes Leben."
Angefangen mit der Imkerei hat ihr Großvater – 1925. Damals war es ein Hobby. Ihr Sohn Martin, heute 39, eigentlich gelernter Dachdecker, machte aus dem Hobby einen Beruf. Seinen Beruf. 2005 gründete er eine Ich-AG, begann mit 40 Völkern und vier Hektar Land. Heute hat er viermal so viele Völker, sein Land ist auf zehn Hektar angewachsen, durchweg biozertifiziert. Und auch die Nachbarbauern betreiben ökologischen Landbau. Ergebnis: er produziert sortenreinen und unbehandelten Honig. Den Hype, der in den vergangenen Jahren um die Honigbiene entstanden ist, sieht Martin Perschke mit gemischten Gefühlen. Bewusstsein schaffen für die Nöte der Bienen: sehr gut. Selbsternannte Hobbyimker: nun ja.
"Meist ist es doch so mit den Hobbyimkern: die machen es ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre. Dann verlieren sie wieder den Spaß dran, weil das halt 'ne Menge Arbeit ist. In voller Montur bei 30 Grad, von oben bis unten angezogen, wenn die anderen alle am Strand liegen, dann müssen wir arbeiten, wir Imker. Und dann hören sie auf damit meistens."
Perschke dreht eine Runde um seine Bienenstöcke und sinniert.
"Das ist einfach so. Im Sommer hast du drei Monate, vier Monate richtig extrem viel zu tun, wenn du Bienen hast. Und die Hobbyimker sind ja nicht so schnell wie unsereins. Wir sind hier in zwei, drei Minuten mit einem Volk fertig, die brauchen dann aber eine Stunde für jedes Volk. Und wenn dann jeder Sonnabendnachmittag draufgegangen ist, sagt die Freundin irgendwann: ‚Nee, lass das mal mit den Bienen sein, mach mal lieber was mit mir’. Die wollen dann lieber ins Kino gehen oder zur Grillparty."
Imkern als Modetrend
Ein Gewerbehof im Berliner Stadtteil Moabit. Hier befindet sich das Ausbildungszentrum für moderne Imkerei, finanziert unter anderem mit Mitteln der Berliner Senatsverwaltung für Verbraucherschutz. Der Raum weiß gefliest, hygienisch tiptop, alles genauestens beschriftet. Ordnung ist wichtig, sagt Josef Meinhardt, ehemaliger Lehrer an einer Oberschule und seit knapp 20 Jahren Hobbyimker. Ein Trendsetter sozusagen, denn damals war die Imkerei nur etwas für Liebhaber. Heute will sich jeder um die bedrohten Bienen kümmern, gerade in der Großstadt. Meinhardt, heute Pensionär, unterrichtet die Hobbyimker aus der Hauptstadt.
Gerade hat er ein sogenanntes Baurähmchen zusammengenagelt. Die gibt es zwar auch zu kaufen, aber die Teilnehmer seines Kurses sollen die einfachen Handgriffe im Umgang mit den Bienen selbst beherrschen.
"Wir richten jetzt einen neuen Brutraum ein, dazu gehört auch ein Baurähmchen jetzt. An welche Position?"
Josef Meinhardt bringt seinen Schülern bei, nach welcher Systematik die Beute, also die künstliche Behausung der Bienen, aufgebaut ist. Bewegliche Waben beispielsweise erleichterten das Imkern ungemein, findet er. Learning by doing reicht ihm nicht.
"Ja, ich mag diese Kommerzialisierung von Imkerei, und vor allen Dingen von Stadtimkerei nicht. Es ist ein Hobby, ich unterstütze und arbeite mit denen zusammen, die Imkerei als Hobby betreiben. Und das will ich fördern und unterstützen. Ich will nicht diejenigen unterstützen, die sozusagen sich als Berufsimker darstellen und zum Beispiel durch Völkerverkauf das große Geschäft machen. Oder Imker, die das Handwerk nicht beherrschen und jedes Jahr ihre Bienen verlieren. Man kann viel Geld damit verdienen, weil es ein Hobby ist, und die Leute zahlen inzwischen fast jeden Preis für Völker. Früher war 120 Euro Standard, jetzt sind 180 durchaus drin."
Josef Meinhardt unterrichtet zuerst die Theorie, dann geht er in die Praxis mit seinen Schülern. Zum Ausbildungszentrum in Berlin-Moabit gehören auch fünf Lehr-Bienenvölker, die auf dem windumtosten Dach des Gebäudes stehen.
Doch Vorsicht ist geboten. Niemals das Einflugloch der Bienen versperren, das könnte sie aggressiv machen. Von der Seite öffnet Benedikt eine Beute. Hannes schnappt sich den Smoker und bläst ein wenig Rauch hinein.
"Warum machst du diesen Smoke da ran?" "Um die Bienen zu beruhigen, sagt man, aber eigentlich versetzt man sie in Panik, und die gehen dann auf ihre Futterwaben und fressen sich voll, um vor dem Feuer fliehen zu können."
Vor allem aber: die Bienen flüchten nach unten, die angehenden Hobbyimker können nun in aller Ruhe einzelne Waben herausnehmen und betrachten. Die beiden Freunde Hannes, angestellt in einer Unternehmensberatung, und Benedikt, Polizeibeamter, beide Ende 20, haben fest vor, die Imkerei zu ihrem Hobby zu machen.
"Ich lerne das jetzt von der Pike auf, also ich weiß eigentlich kaum was. Ich habe einfach Lust, das mal zu machen. Gerade in Berlin hat man halt so 'ne Sehnsucht nach Natur, und da ist das natürlich eine tolle Sache zu imkern. Ich weiß nicht, wie viel Zeit man nachher tatsächlich braucht, aber ich würde das schon gerne machen als Hobby. Das hat ja schon auch was sehr Beschauliches und irgendwie Meditatives, sich um Bienen zu kümmern."
Auch Benedikt will zurück zur Natur.
"Ich glaube, dass es ein Hobby ist, das einen ein bisschen erdet, eines der wenigen Hobbys, wo man sich nicht viel Stress machen muss und was man gut vereinbaren kann mit dem Stadtleben hier in Berlin. Es gibt Zeiten, wo man mehr machen muss, aber darauf muss man sich halt einlassen, aber es ist nicht so wie bei anderen Hobbys, wo man sich jeden Tag stundenweise raus schneiden muss, was weiß ich: wenn man ein ordentliches Musikinstrument spielen will oder so. Und das geht beim Imkern doch ganz gut."
Viele Hobbyimker hören bald wieder auf
"Wie sind denn überhaupt Ihre Erfahrungen mit Ihren Kursteilnehmern: wie viele bleiben dran?" – "Mehr als die Hälfte. Am liebsten sind mir diejenigen, die nicht sofort anfangen, sondern erstmal ernsthaft alles vorbereiten, bei manchen dauert das zwei, drei Jahre, bis sie einen ordentlichen Stellplatz haben, die Bedingungen geschaffen haben, auch familiär."
Josef Meinhardt sucht die Königin und erklärt seinen Schülern: Man erkennt sie nicht nur an ihrer Markierung, sondern auch an ihrem Gang. Die Königin bewegt sich eleganter als die Arbeiterinnen. Dann kommt er wieder auf die Imkerei zurück.
"Das ist ja ein ganz enormer Einschnitt ins Familienleben, Imkerei ist ja nicht so, dass man das nur dann macht, wenn man gerade Lust hat, Zeit hat, sondern wenn man sich entscheidet Imker zu sein, dann bestimmt nicht der Terminkalender, was ich mache, sondern das Verhalten der Bienen. Also die Entwicklung der Bienen. Da können Sie nicht sagen: ich gehe jetzt ins Kino, tschüss Bienen, wenn die gerade schwärmen wollen. Dann müssen Sie präsent sein. Ist ja auch ein Kostenfaktor: Wenn so ein Schwarm abhaut, ist es ein großer Verlust. Sie haben dann keinen Honig, und die Bienen sind dann auch weg."
Mit Ameisensäure gegen die Varroamilbe
Auf dem Biolandhof von Martin Perschke im brandenburgischen Storkow, etwa 50 Kilometer südöstlich von Berlin, ist Hochsaison. Es ist Ende August, mehrere Arbeiten stehen an. Gerade hat der Imker einen 50-Kilo-Kanister mit frisch geschleudertem Akazienhonig auf den Tisch gewuchtet, ein Mädchen aus der Nachbarschaft wird ihn nun in Gläser füllen.
Im Schnelldurchlauf zeigt Martin Perschke seinen Hof. Es geht vorbei an Regalen mit tonnenweise fertig abgefülltem Honig, die Treppe hinauf ins Dachgeschoss, wo altes und neues Bienenwachs und mehrere 100 gedrahtete Rähmchen auf ihre Verwendung warten. Wieder hinunter in den Raum, in dem er das Zuckerwasser anrührt, das er seinen Bienen zufüttert, damit sie gut über den Winter kommen.
Am Ende des kurzen Rundgangs über den alten Bauernhof steht sein ganzer Stolz: die Honigschleuder aus Edelstahl. 2006 hat er sie gekauft. Kostenpunkt damals: 5000 Euro.
"Und dann wird der Honig ganz langsam angeschleudert, erst in eine Richtung, dann hält er an, dann in die andere Richtung ganz langsam, ganze Weile, dreht dann schneller, dreht dann alles raus, hält dann wieder an, und dreht dann die Seite rum, wieder anders rum. Dreht das vollkommen aus, wie dieses Programm jetzt eingestellt ist."
Eigentlich, fügt er hinzu, bräuchte er längst eine größere Schleuder. Diese hier sei für 100 Bienenvölker ausgelegt. Mittlerweile aber besitzt er bald die doppelte Anzahl.
"Und mehr kann man auch nicht arbeiten, wenn man dann noch mehr macht, also größer ist, dann muss man ja mehr am Tag schaffen. Und das will ich gar nicht. Mir reicht mein Tag von 8 bis um 5. Zu und Licht aus." Sagt es, springt in den Transporter und startet endlich seine heutige Arbeitstour. Auf dem Programm: die Behandlung der Bienenvölker mit Ameisensäure. Er ist spät dran, zum Mittagessen will er wieder zurück sein.
Kilometerlang geht es durch die Märkische Heide. Auf Schotterpisten und anderen Schleichwegen. Vorbei an Feldern, auf denen große Strohballen darauf warten abgeholt zu werden. Die Beuten mit seinen Bienen sind weit verstreut in der Gegend. Die Bauern sind froh, dass sie jemanden haben, der ihre Pflanzen bestäubt.
"Dann habe ich da drüben Plätze, da stehen auch wieder 20, 30, immer so verteilt. Überall in so Ecken, wo hoffentlich keiner hinkommt. Dass sie keiner klaut."
Bienendiebstahl ist zu einem echten Problem geworden
Seitdem bis zu 200 Euro pro Volk gezahlt werden, hat sich Bienendiebstahl zu einem echten Problem für die Imker entwickelt. Martin Perschke ist bisher noch nicht bestohlen worden. Alle Völker sind noch da. Immer wieder hält er an, um sie mit Futterwasser zu versorgen. Und um sie winterfest zu machen gegen die Varroamilbe. "Für die Ameisensäure brauchen wir ordentlich Smoke, damit die Königin nach unten verschwindet und nicht zu Schaden kommt."
Beute für Beute öffnet er die Abdeckung, holt weiße Saugtücher heraus – er nennt sie Windeln – und bespritzt sie mit Ameisensäure. Wohl dosiert, denn die Bienen sollen nicht leiden. Es stinkt bestialisch.
Dann packt er die Windeln zurück in die Beute, Deckel drauf, fertig. Jeder seiner Handgriffe sitzt. Denn der Kampf gegen die Varroamilbe gehört zum Arbeitsalltag eines Imkers. Die Milbe ist schuld am Tod vieler Bienen. Sie wurde in den 80er-Jahren nach Europa eingeschleppt, fast alle Völker sind mit ihr infiziert. Sie bringt Viren mit, die dafür sorgen, dass die geschlüpften Bienen erkranken oder verkrüppelt sind. Deshalb behandeln die Imker ihre Völker mit chemischen Mitteln, Martin Perschke vorzugsweise mit Ameisensäure.
"Das ist ein Schockverfahren, eine Schockbehandlung, sagt man. Die Säure greift den Chitinpanzer von der Milbe an. Wenn eine bestimmte Konzentration in der Luft ist, wenn das verdunstet, das ist das Prinzip. Und wenn der Chitinpanzer angegriffen wird von der Säure, dann muss man sich das so vorstellen: man löst halt die Haut auf von der Milbe. Und wenn die Haut aufgelöst ist, kann sie nicht mehr atmen und stirbt. Man merkt das ja, wenn man Korrosion hat, bei Metall. Durch Luftfeuchtigkeit rostet es ja auch. So ist es bei den Milben auch."
Irgendetwas scheint Martin Perschke richtig zu machen. Während andere Imker alljährlich über Verluste von bis zu 30 Prozent ihrer Bienenvölker wegen der Varroamilbe klagen, blieb der Imker aus Storkow in den letzten Jahren davon verschont.
Die Wissenschaft forscht an der Superbiene
In Hohen Neuendorf, einer Kleinstadt nördlich von Berlin, hat die Wissenschaft der Varroamilbe den Kampf angesagt. Hier befindet sich das Länderinstitut für Bienenkunde. "Es hat den Auftrag, praxisorientierte Forschung zu verschiedenen Zwecken der Bienenbiologie durchzuführen", heißt es auf der Website. Institutsdirektor Kaspar Bienefeld macht unmissverständlich klar, wem das Hauptaugenmerk gilt.
"Varroa, also die Varroamilbe ist das zentrale Problem der Imkerschaft weltweit. Und man kann ganz klar sagen: Wenn die Imker nicht mit Medikamenten gegenüber dieser Milbe vorgehen, gäbe es bald keine Bienen mehr. Da diese Medikamente bei manchen Umweltbedingungen nicht so optimal wirken, und, was wir zunehmend auch in Deutschland finden, dass die Winter immer milder werden, das heißt die Varroamilbe auch im Winter sich weiter vermehren kann, denken wir, dass züchterische Methoden weniger Arbeit für den Imker machen und nachhaltiger sind. Das mittelfristige Ziel muss die Zucht Varroa-toleranter Bienen sein."
Die Superbiene also. An ihr forschen Professor Bienefeld und Co seit vielen Jahren. Der Begriff ist zwar populärwissenschaftlich zugespitzt, trifft aber den Kern ihrer Arbeit.
"Der Ausdruck 'Superbiene' mag gut klingen, ich möchte etwas nüchterner sagen: das sind Bienen, die resistenter sind, ich würde auch noch nicht sagen, dass unsere Bienen komplett resistent sind. Sie sind auf einem guten Wege, und was auch zu beachten ist: Der Imker ist natürlich nicht nur an Varroaresistenz interessiert. Er möchte auch Bienen haben, die sanftmütig sind, die leistungsfähig sind, die nicht so viel schwärmen, und diese anderen Merkmale müssen natürlich auch mit verbessert werden. Und wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren doch eine Biene vorstellen können, die sowohl imkerlichen Ansprüchen genügt als auch deutlich besser varroatolerant ist."
Die Forscher sind weit gekommen auf ihrem Weg zur Superbiene. Wie weit, erkennt der Besucher in der Abteilung ‚Zucht und Verhalten’. Fred Zautke spielt ein Video vor, das eine Brutwabe zeigt, in der etliche der verdeckelten Zellen grün markiert sind.
"Die grünen sind alle infiziert, die ganzen Zellen. Infiziert mit Varroamilben, jeweils eine Varroamilbe reingesetzt, dann auch räumlich getrennt, dass eine leere Zelle dazwischen ist, also ohne Milbe. Und hier sehen wir die ‚Biene 83’ in dem Bereich, die jetzt sozusagen diese Zelle öffnet. Man sieht es an der Kopfbewegung, hier, so ein Wippen, so ein Nicken des Kopfes, und da entsteht jetzt ein Loch. Also die macht sich daran zu schaffen und nagt ein kleines Loch da rein. Das sehen wir dann zum Schluss."
Was sich im Bienenstock abspielt, ist üblicherweise dramatisch. Die Varroamilbe entwickelt und vermehrt sich in der verdeckelten Brut. Die nachwachsenden Bienen können sich gegen die Viren nicht wehren. Anders manch' erwachsene Biene. Die bemerkt den Parasiten rechtzeitig und holt die befallene Puppe aus den Brutzellen. Die Forscher bekamen heraus, woran das liegt. Varroainfizierte Zellen verströmen ein schwaches Duftbouquet. Das zeigt manchen erwachsenen Bienen den Befall an.
"Man sieht eben die Biene, die sich da richtig dran zu schaffen macht, auch hier von der Seite noch mal guckt ein bisschen, das Loch ist eigentlich hier."
"Oh, jetzt gehen sie sogar zu zweit da ran?"
"Ja, die andere, die checkt auch so ein bisschen mit, also wir haben auch Helferinnen, aber es ist so, dass wir immer die Bienen suchen, die als erste erkennen, dass eine Milbe drin ist. Das sind die genetisch wichtige Bienen für uns. Die haben praktisch das Potenzial bei einer geschlossenen Zelle zu erkennen‚ 'aha, irgendwas stimmt nicht’."
Das Genmaterial eben dieser Bienen selektieren die Forscher am Länderinstitut für Bienenkunde für den Aufbau einer varroaresistenten Zuchtlinie. Mit durchaus beachtlichem Erfolg.
"Ja, die fliegt schon bei uns rum, wir haben auch Stände, wo sie auch ohne Behandlung gegenüber dieser Milbe partiell überlebt, nicht alle, aber ein Teil der Völker überlebt ohne Behandlung, was sehr selten ist. Das heißt, wir können auf breiter Basis in der gesamten Population das Problem Varroa züchterisch angehen."
Die Geburt einer Biene – live dabei
Auf dem Dach des Ausbildungszentrums für moderne Imkerei im Berliner Stadtteil Moabit erleben die neun angehenden Hobbyimker ihre erste Sternstunde im Umgang mit den Bienen. Lehrer Meinhardt freut sich.
"Ihr könnt hier sehen, wie eine Biene gerade schlüpft. Ihr seht die Geburt einer jungen Biene!"
Ein erhebender Moment für alle. Selten hat Meinhardt das Glück, seinen Schülern schon in der zweiten Unterrichtseinheit ein solches Highlight präsentieren zu können. Wobei "Moment" der falsche Ausdruck ist. Die Geburt dieser Biene dauert mehr als zehn Minuten.
Ganz eng stecken die Kursteilnehmer ihre Köpfe über der Brutwabe zusammen. Unter liebevoller Anteilnahme erwachsener Menschen kommt die winzige Biene auf die Welt. Ein Sympathieträger. Große Augen, flauschiger Pelz, immer fleißig und ein soziales Wesen – alle lieben die Bienen. Und seit von ihrem Aussterben die Rede ist, gehen die Menschen für sie sogar auf die Straße – wie in Bayern.
"Guck mal, die Flügelspitzen sind noch drin, der Popo ist ein bisschen dick!"
Die Biene hat es sogar in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschafft. Mehrere Landesregierungen beschäftigen sich mit Volksbegehren für mehr Artenvielfalt. Die Biene ist nicht nur klein und schwach, sie ist das perfekte Symbol für die vom Menschen malträtierte Natur. Und deshalb besonders schützenswert.
"Jetzt sind beide Flügel draußen!"
Doch die Bienen können auch anders. Eben noch verzückt der Geburt beigewohnt, werden plötzlich mehrere Imkernovizen demonstrativ gestochen. Als ob die Bienen zeigen wollten: Irgendwann ist dann auch mal gut. Conny, 39, gelernte Geologin, jetzt Hausfrau, zeigt Verständnis. An ihren Plänen, einen Selbstversorgerhof mit Bienen zu gründen, ändert das nichts.
"Meine dreijährige Tochter las die Bienen aus dem Pool auf und trocknete sie auf ihren Händen und ich: ‚Wow, das ist ne Biene’, ‚ja Mama, die tut mir nichts’ hat sie dann gesagt, und die hat mir halt gezeigt, dass man wirklich keine Angst haben muss. Und ja, jetzt habe ich einen Bienenstich, aber der ist gar nicht schlimm. Ist wie ne Mücke. Also ich habe keine Allergie, ein Glück."
In Berlin ist die Zahl der registrierten Hobbyimker von 500 im Jahr 2008 auf mehr als 2300 im Jahr 2018 gestiegen. Die Stadtimkerei erlebt einen Hype – Ausbilder und Hobbyimker Josef Meinhardt ist aber skeptisch.
"Als ich anfing im Jahr 2000 hatten wir einen Rückgang bei den Imkern, da hat man alles Mögliche sich ausgedacht, um Leute zu gewinnen, damit sie wieder imkern. Mehr Mitglieder bedeutet aber nicht gleichzeitig: mehr Völker. Wir haben jetzt in vielen Vereinen ganz viele Imker, vielleicht den größten Teil der Imker, die nur ein, zwei Völker haben. Das ist ja das Krasseste, oder das Schlechteste, wenn die Leute einfach übers Internet zur Imkerei kommen. Keiner ist ja gezwungen, irgendwie im Verein Mitglied zu sein oder geschult zu werden. Sie können sich ein Volk kaufen, wenn sie genug Geld haben, wenn es eingeht, kaufen sie sich ein neues. Kriegen sie alles im Internet. Sofort. Aber im Verein ist ein bisschen Kontrolle."
Extremer Hype um die Honigbiene in Berlin
"Wir haben hier so viele Bienenvölker pro Fläche wie sonst nirgendwo. Also der Hype um die Honigbiene ist in Berlin extrem."
Auch Kaspar Bienefeld, Direktor am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf, mahnt vor zu viel Stadtimkerei. Denn Biene ist nicht gleich Biene. Der Honigbiene geht es vergleichsweise gut, sagt er. Solange es Imker gibt, ist sie nicht bedroht. Viel wichtiger sei es, sich auf dem Land für mehr Vielfalt der Arten und Ökosysteme einzusetzen. Und gegen Pflanzenschutzmittel und Monokulturen.
"Nehmen wir mal ein zentrales Problem: das ist die Biodiversität der Pflanzen. Es gibt viele Wildbienen, die können nur ihre Brut aufziehen von den Pollen einer Pflanzenfamilie. Ist diese Pflanze nicht mehr da, stirbt diese Biene aus. Da braucht man gar keine Pflanzenschutzmittel, die stirbt so aus."
Laut Bundesamt für Naturschutz sind mehr als 40 Prozent der in Deutschland vorkommenden 561 Wildbienenarten in ihrem Bestand gefährdet. Damit Vergleichbares nicht auch der Honigbiene droht, lagert das Länderinstitut für Bienenkunde tiefgefrorene Stammzellen von ihr. Noch gibt es in Deutschland 26 Rassen der westlichen Honigbiene.
Bienenprodukte sind Verkaufsrenner
Es ist Winter. Die Bienenvölker von Martin Perschke aus Storkow schlafen. Der Imker steht auf dem Weihnachtsmarkt in Potsdam Babelsberg. Die Stände verteilen sich um eine mächtige Kirche herum, inmitten historisch rekonstruierter Weberhäuser. Die Straßenlaternen werfen diffuses Licht, die Besucher schlendern durch die perfekte Kulisse. Ein idealer Ort für Berufsimker wie Martin Perschke, Bienenprodukte zu verkaufen. Er kommt schnell ins Gespräch.
"Ich wollte mal fragen, ich habe so rissige Hände, und ich hatte mal so ne Propolis-Creme, oder was haben Sie denn da so als Handcreme?"
"Die Handcreme ist aus, die habe ich nicht mehr, Sie können hier Api Royale nehmen, mit Gelee Royale, das ist eigentlich ne Gesichtscreme."
In der Weihnachtszeit ist Propolis der Verkaufsrenner. Eine harzartige Masse, die anfällt, wenn die Bienen in ihrer Beute Spalten oder Ritzen verkitten. Propolis ist quasi ein Abfallprodukt der Imkerei. Ein natürliches Antibiotikum, das als Creme, Salbe oder Tinktur verkauft wird. Manch' einer reagiert allergisch darauf. Im alten Ägypten wurde Propolis bei der Einbalsamierung von Mumien verwendet.
"Die nehme ich selber auch. Die ist sehr gut, fürs Gesicht ist die topp. Gibt’s schon 40 Jahre, glaube ich, da kommen immer wieder ganz viele und sagen: Wir möchten die haben."
Die Kundin lässt sich überzeugen. 15 Euro 50 wandern in die Kasse des Imkers. Wenn Martin Perschke über die Märkte zieht, will er jedoch nicht nur Honig, Bienenwachskerzen und Propolis verkaufen. Er will auch aufklären, will seinen Kunden begreiflich machen, warum die Biene wichtig ist für unser Leben. Deshalb hat er rund um seinen Stand verschiedene Aufsteller platziert.
"Ganz, ganz viele kommen und fragen, warum die Bienen sterben, was da los ist. Also bestimmt 60 Prozent der Leute fragen ganz viel. Und die Kinder, die wollen halt wissen, wie die Bienen den Honig machen, warum, wozu das Wachs da ist, was der Propopolis ist oder der Pollen. Deswegen haben wir ringsum Bilder und ein paar Fragen und Antworten, damit die Eltern den Kindern was vorlesen können. Ganz interessante Sachen. Wie viel Eier legt die Königin oder wie weit kann die Biene fliegen. Oder wie viel Honig kann sie produzieren in was für einer Zeit."
Ein Kollege kommt vorbei. Er hat auch einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt.
"Wie läuft bei dir Propolis?" – "Alles ist weg." – "Alles schon weg? Ja. Bei uns auch. Das wollen sie alle haben."
Die beiden plaudern kurz. Er erzählt, dass er seinem Vater beim Imkern hilft. Und dass das wohl noch eine Weile so bleiben wird.
"Imker können nicht aufhören, die sterben mit den Bienen. Es gibt keine Imker, die irgendwie in Ruhestand gehen und es sein lassen können."
Ohne Biene geht nichts
Martin Perschke blickt ihm versonnen hinterher, als er geht. Auf seinen Aufstellern ist zu lesen: "Mehr als 80 Prozent der Blütenpflanzen werden von Insekten, Bienen und anderen Tieren bestäubt." – Wenn das nicht so wäre, gäbe es keine Äpfel, keine Birnen, keine Tomaten, und die Landwirte in Deutschland würden geschätzt zweieinhalb Milliarden Euro weniger verdienen im Jahr.
Imker Martin Perschke kann sich eine Welt ohne Bienen nicht vorstellen. Andere, die sich weniger Gedanken machen, werden bisweilen kreativ und wirkungsvoll mit den Tatsachen konfrontiert. Ein Supermarkt in Hannover hat vor kurzem alle Produkte aus den Regalen geräumt, die es ohne Bienen nicht gäbe. Mehr als die Hälfte des Ladens stand leer.
(Whdl. vom 5.5.2019)