Boulderboom

Was das Klettern auf Absprunghöhe so attraktiv macht

23:31 Minuten
Sportklettern bei den Olympischen Spielen in Paris 2024
Bouldern ist inzwischen auch olympische Sportart (hier eine Aufnahme von den Spielen in Paris 2024). © dpa / picture alliance / Norbert Schmidt
Von Sabine Lerche |
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Noch vor 15 Jahren war Bouldern so gut wie unbekannt. Inzwischen ist diese Art des Sportkletterns nicht nur ein beliebter Breitensport, sondern auch olympische Sportart. Auch zu Therapiezwecken wird Bouldern eingesetzt.
In der Boulderhalle Ostbloc in Berlin wird geschraubt. Ein fünfköpfiges Team schraubt neue Griffe und Tritte in die Kletterwand. Sie besteht aus speziellen Sperrholzplatten mit Löchern für die Schrauben. Mit neuen Formen und Farben entsteht das, was das Bouldern in Hallen so spannend macht: neue Boulderrouten - oder in der Fachsprache - Probleme.
Lutz Schneider hat 2010 zusammen mit einem Freund den Ostbloc eröffnet, damals die fünfte reine Boulderhalle in Deutschland. Vier Jahre später kam die zweite Halle dazu, der Südbloc, auch in Berlin.
Er sagt:

Dieser Facettenreichtum von Bewegungen und Gesteinsarten und Klettergriffen ist unglaublich groß. Das fesselt mich seit 30 Jahren. Während andere Sportarten sich dann relativ schnell wiederholen, passiert das hier nicht, da gibt es immer wieder neue Sachen zu entdecken.

Lutz Schneider von der Kletterhalle Ostbloc in Berlin

Beim Bouldern versuchen die Sportler beginnend mit vorgegebenen Startgriffen bis zum Top zu klettern, dem letzten Griff und Ziel der Route. Geklettert wird in Absprunghöhe - also in einer Höhe, aus der man noch ohne wesentliches Verletzungsrisiko abspringen kann, meistens unterhalb von vier Metern. Wer fällt, landet auf dicken, weichen Matten.
Essentiell für die Entwicklung des Bouldersports sind die Schrauber, die immer wieder neue Herausforderungen an die Wand schrauben (aufgenommen im Steil in Karlsruhe).
Essentiell für die Entwicklung des Bouldersports sind die Schrauber, die immer wieder neue Herausforderungen an die Wand schrauben.© Sabine Lerche

Bouldern ist ein niedrigschwelliger Sport

Eine Sicherung mit Seil und Kletterpartner gibt es nicht. Das macht den Sport niederschwellig: einfach in die Halle kommen, Kletterschuhe ausleihen und loslegen.
„Bouldern ist auch sozusagen eher an das großstädtische Leben angepasst, weil hier oft die engen Zeitfenster den Tag bestimmen. Und man kann beim Bouldern viel schneller sich erschöpfen und trainieren - und Bouldern ist auch viel individueller möglich", schwärmt Lutz.
Seit mehr als zehn Jahren gibt es in seiner Halle auch einen Schrauberworkshop: Unter Anleitung einmal selbst Herausforderungen an der Wand kreieren.
Heute will sich Anastasia am Schrauben versuchen. Die 32-Jährige bouldert seit 2022, trainiert mehrmals in der Woche, geschraubt hat sie aber noch nie.

"Es ist ein bisschen so wie ein Maler vor dem weißen Blatt. Du stehst vor einer nackten Wand und … Ich glaube, es ist leichter, erst mal eine Skizze zu machen und dann loszulegen.“
Anastasia greift erst einmal zu Stift und Papier. Sie soll zwei Boulder ganz hinten in der Ecke schrauben, direkt neben dem Fenster.

„Was würde ich gerne für die Bewegungen einbauen? Wie würde ich mich hier stützen, weil das ist hier so eine Ecke. Das ist keine gerade Wand, sondern eine L-förmige Wand, wo man sich auch abstützen kann.“

Sie will mit dem leichten Boulder beginnen, Schwierigkeitsgrad eins - für Anfänger oder zum Aufwärmen. Neben ihr liegen dafür schon sehr große pinke Griffe bereit. Sie ähneln langgezogenen Zelten.
Lutz Schneider:

„Keine zwei Farben ineinander schrauben, das ist technischer Unsinn. Und auch für das Gesamtbild ist es nicht gut, wenn wir jetzt nur große Griffe benutzen, weil sonst sieht das aus wie so eine Smarties-Wall.“

Was beim Bouldern entscheidend ist

Lutz erklärt, die verschiedenen Griffe lassen sich nicht per se auch Schwierigkeitsgraden von Bouldern zuordnen. Entscheidend ist, in welchem Winkel sie zur Wand stehen: Steile Winkel lassen sich besser greifen, als sehr offene, flache Griffe. Den Schwierigkeitsgrad einer Route zu bestimmen, ist aber noch komplexer:

Es gibt eine Richtlinie, die nennt sich: Intensität, Komplexität und Risk. Das meint also: Wie komplex ist die Bewegungslösung? Wie viel Athletik brauche ich dafür, also wie viel Kraft und wie viel Körperspannung. Und die dritte Kenngröße ist: Mit wie viel Zuversicht muss ich in diesen Boulder reingehen, damit ich das lösen kann?

Lutz Schneider von der Kletterhalle Ostbloc in Berlin

In einer großen Kiste liegen verschieden lange Schrauben bereit. Gearbeitet wird mit Schraubendrehern und Akkuschraubern. Dazu noch eine Leiter. Erfahrene Schrauber sind auch immer sehr gute Kletterer, sie haben Bewegungsideen im Kopf, setzen die Griffe und Tritte entsprechend an die Wand und probieren dann aus, ob die Praxis auch ihrer ursprünglichen Bewegungsvorstellung entspricht.
Für Anfänger wie Anastasia ist es hingegen schwierig, zu entscheiden, was wie an die Wand soll. Sobald aber die ersten Griffe geschraubt sind und die Bewegung an der Wand getestet, merkt Anastasia, wie sie in einen Flow kommt:

„Dann klettere ich Stein für Stein und merke, man kann das machen! Mal gucken, wie ich jetzt Top einbringe, aber ich glaube, unsere Idee geht auf. Ich freue mich auch darauf, deswegen kommt jetzt die Begeisterung.“

Vor allem junge Menschen bis Mitte 40 klettern

Bouldern begeistert und das seit circa 15 Jahren. Laut des Deutschen Alpenvereins DAV klettern vor allem junge Menschen zwischen 20 und Mitte 40.
Seit 2010 entstehen jedes Jahr mehrere neue Anlagen, 2022/23 gab es zuletzt 27 Neueröffnungen. Von den knapp 200 reinen Boulderhallen in Deutschland werden die meisten wie der Ostbloc in Berlin privat betrieben. Auch Ketten mit Filialen deutschlandweit haben sich entwickelt.

Elias Hitthaler vom DAV sagt:

„Ich weiß von diesen Ketten, dass sie immer noch Standorte suchen, wo noch irgendwo ein Fleck ist, wo sie eine Halle eröffnen können. Es gibt auch noch weiße Flecken in Deutschland. Es gibt einige Städte, wo noch nichts gebaut wurde.“

Elias Hitthaler ist beim DAV für die Kletteranlagen zuständig. Das Bouldern sei kein reines Städtephänomen, weiß Hitthaler. Auch in ländlichen Regionen werden Hallen gebaut und führen in manchen DAV-Sektionen sogar zu Mitgliederzuwächsen. Eine Sättigung gebe es noch nicht. Auch die Konkurrenz zwischen den Hallenanbietern sei zwar da, aber nicht so groß, dass Hallen wieder schließen müssten.

„Aber die müssen natürlich arbeiten, gute Routen oder gute Boulder anbieten, weil die Kletterhalle oder Boulderhalle, die lebt vom Routenangebot. Wenn die nicht gut sind, dann spricht sich das relativ schnell rum.“

Ursprünglich war Bouldern eine Trainingsmethode

Ursprünglich war Bouldern eine Trainingsmethode, eine Vorbereitung auf das Klettern am Felsen - oder einfach nur zum Aufwärmen. Bouldern in Hallen war kaum möglich, nur manche Kletterhallen hatten eine extra Boulderecke, klein, abseits und wenig genutzt. 
Simon Stützer ist Gründer der Techniker Boulder Bundesliga. Er sagt:

Unsere Vision war immer, den Sport bekannter zu machen als sein Image da in staubigen, dunklen, kleinen Ecken von Kletterhallen damals noch. Also die ganze Zeit: Wie kann man diesen Sport noch schöner und sichtbarer machen?

Simon Stützer, Gründer der Techniker Boulder Bundesliga

Eigentlich war Stützer Fußballer und Tischtennisspieler, aber irgendwann hat die Trainingsmotivation gefehlt. Ganz anders beim Bouldern, davon konnte er nicht genug kriegen:

„Es gab keinen Wettkampf, es gab quasi keine Liga.“

Also wollte Simon zusammen mit einem Freund aus seinem Physikstudium eine Liga gründen. Ihr Gesuch nach Unterstützung beim DAV blieb aber erfolglos. Für eine Liga gab es keine Ressourcen.

„Das stachelt einen erst recht an, zu sagen: Das ist aber eine gute Idee. Und dann haben wir das 2016 gestartet.“

Aus den damals noch 150 Teilnehmern pro Spieltag sind heute, acht Jahre später, 1500 geworden. Die Software und das Ligaportal haben Simon und sein Kommilitone selbst erstellt.

Sechs Wochen für einen Spieltag in der Bundesliga

Es gibt insgesamt 13 Spieltage mit Standorten in ganz Deutschland. An jedem Spieltag versucht man, so viele Boulder wie möglich zu schaffen und sammelt damit Punkte.
Das Besondere: Ein Spieltag dauert sechs Wochen, so lange können sich die Sportler an den Boulder-Problemen versuchen. Am Ende der Saison gibt es ein großes Finale.

Die Boulder Bundesliga setzt sich aus drei Leistungsniveaus zusammen. In der niedrigsten dritten Liga kann wirklich jeder mitmachen, auch Anfänger und Kinder.

Beim Bouldern ist das Schöne: Jeder kann das mit jedem machen, und jeder kann von jedem lernen. Dieses gemeinsame Machen und an ein und demselben Boulder nach Lösungen suchen, das verbindet. Und es macht Spaß.

Simon Stützer, Gründer der Techniker Boulder Bundesliga

Simon Stützer glaubt nicht, dass Bouldern wie andere Trendsportarten wieder verschwinden wird. Dazu steckt für ihn zu viel Potenzial in der Sportart: Bouldern ist wie Fitnesstraining an der Wand. Vom Kind bis zum Rentner ist jeder Zielgruppe, man ist an keinen Verein gebunden und der Einstieg ist niederschwellig:
„Laufen ist vielleicht noch ein bisschen einfacher. Laufen macht wirklich jeder Mensch. Aber ich behaupte, als Nächstes kommt Klettern, das hat zumindest jedes Kind gemacht. Wenn wir erreichen, dass Bouldern Volkssport wird. Dann freue ich mich!“
In der Boulderhalle Steil in Karlsruhe hängen noch die Bundesliga-Boulder.
In der Boulder Bundesliga gibt es drei Leistungsniveaus (hier eine Aufnahme aus der Boulderhalle Steil in Karlsruhe).© Sabine Lerche

Wettkämpfe auch im Livestream

Einige Wettkämpfe der Boulder Bundesliga werden auch per Livestream übertragen. Wie 2024 in der Boulderhalle Steil in Karlsruhe. 
Die beiden Hallenbetreiber Emilie und Julius resümieren nach dem Bundesligawettkampf in ihrer Halle in Karlsruhe.
Emilie: „Im Großen und Ganzen war es für uns schon schwer einzuschätzen, auf was für einem Level die sich wirklich bewegen. Es ist ein extrem hohes Level und auch extrem unterschiedlich.“

Julius: „Dass es den Zuschauern gefällt, ist ja auch wichtig. Als wir die Jungs und Mädels gesehen haben, wie stark sie in der Qualifikation an dem Tag waren, sind wir auch noch mal schnell hinterm Vorhang verschwunden und haben noch so ein, zwei Leisten kleiner gemacht und noch ein, zwei Boulder ein bisschen schwerer, weil wir Angst hatten, dass es denen zu langweilig wird. Aber im Endeffekt ist es sehr gut aufgegangen. Es war ein großes Spektakel.“

Boulder für so einen Wettkampf zu schrauben, ist nicht einfach: Natürlich sollten die Athlet*innen die Tops erreichen, aber auch nicht alle.

"Es darf nicht zu leicht sein und nicht zu schwer"

„Als Schrauber ist es schon sehr aufregend, weil es passen muss - es darf nicht zu leicht sein und nicht zu schwer.“ 

Diskutieren die Schrauber in Karlsruhe auch noch nach dem Wettkampf.

„Bei den Männern waren vielleicht ein, zwei Tops zu wenig, aber das ist immer so, das ist auch Glück. Du weißt nie genau, in welcher Verfassung die sind.“

Vielfältigkeit ist wichtig, nicht nur Kraft, sondern auch Koordination abzufragen. Als gute Kletterer können die Schrauber selbst testen, ob einzelne Bewegungszüge machbar sind. Wie es aber ist, den ganzen Boulder einmal durchzuklettern und zu schaffen, können sie nicht testen.

Die Boulderhalle Steil in Karlsruhe setzt aufs Schrauben. Auf der Homepage gibt es Schraubernews, und jeder im Schrauberteam wird persönlich vorgestellt. Wie man ihre Boulder knacken kann, zeigen sie selbst in Videos auf Social Media.
Ungefähr 20 neue Boulder schafft das fünfköpfige Schrauberteam an einem Tag. Der generelle Anspruch ist, dass die Boulder für 90 Prozent der Kunden möglich sind. Keiner wird kopiert, jedes Problem ist einzigartig.
 In der Boulderhalle Steil in Karlsruhe schrauben die Routenbauer neue Boulderprobleme an die Wand.
In der Boulderhalle Steil in Karlsruhe schrauben die Routenbauer neue Boulderprobleme an die Wand© Sabine Lerche
Schrauber Luis:

„Was ich jetzt gerade probiere, ist, ein Boulder zu schrauben, der interessante Bewegungen hat, aber nicht zu schwer ist. Aber wenn es nicht zu schwer ist, dann muss man natürlich schauen, dass trotzdem die Bewegung beibehalten wird.“

Schließlich wolle man ja genau die Bewegungen aus den Sportlern herauskitzeln, die man sich auch beim Schrauben gedacht hat.

Jeder Boulder wird abgenommen

Jeder Boulder wird später von anderen Schraubern im Team abgenommen, also einmal durchgeklettert, um zu überprüfen, ob es funktioniert, erklärt Luis:

„Am besten ist es schon, wenn zwei, drei auf jeden Fall noch mal testen. Vor allem, weil man manchmal so einen Tunnelblick hat und die einfachste Variante oder Lösung eigentlich direkt da ist und man nicht drauf kommt, weil man diesen Zug schrauben möchte.“

Im Ostbloc in Berlin wartet auch Anastasia auf die Abnahme ihrer beiden Boulder, der einfache Pinke und rechts daneben eine Route mit gelben Elementen, wesentlich schwieriger: Die Griffe sind ganz klein und schmal - Leisten heißen sie in der Fachsprache, die Abstände dazwischen sind sehr weit.

„Ich habe mir keine grafische Route vorgestellt, ich habe mir nur Bewegungen überlegt und Schwerpunkte wie die Balance gesetzt. Und vielleicht mal, Hände frei sein, sich trauen. Die Leisten habe ich mir auch gewünscht. Vor allem bei den kleinen Leisten muss du dich wirklich mit Fingerspitzen halten können. Es hat sehr viel mit Angst zu tun. Die Wand ist sehr steil. Wenn du runterfällst, kann das schon sehr scary werden.“
Tatsächlich fordert der gelbe Boulder auch die Tester heraus, nur ein paar Kleinigkeiten müssen noch verändert werden, dann ist Anastasia fertig.
Sie resümiert:

„Das ist schon ein beeindruckender Beruf. Das ist spannend, es umgekehrt zu sehen, wie man die Route baut. Also beim Bouldern stehst du vor der Wand und versuchst, die Route zu lesen und gucken, wo deine Schritte oder deine Griffe sitzen. Wenn du schraubst, musst du das genauso machen, aber auch daran denken, dass es für alle Körpergrößen und für alle Menschen passen könnte und dass sie genauso klettern, wie du dir das vorgestellt hast. Solche Details zu wissen, das war schon ein guter Lerneffekt.“
Anastasia beim Sportklettern in der Halle Ostbloc in Berlin
Anastasia schraubt an ihrer gelben Route in der Boulderhalle Ostbloc in Berlin© Sabine Lerche
An der Wand neben Anastasia hat den Tag über Robin Gray geschraubt.

„Ich bin 32 Jahre alt und komme aus München. Letzten Endes bin ich Routenschrauber. Es ist so eine spannende Mischung aus Kreativität und physischen Anspruch.“

"Es bräuchte so etwas wie eine Gewerkschaft"

Früher war Robin Leistungskletterer im Nationalkader. Wie die meisten ist er durch Zufall zum Schrauben gekommen. Ob man sich als Schrauber selbstständig machen kann, hänge vom eigenen Kletterniveau ab und davon, dass man sich in der Kletter-Community einen Namen macht. Den geraden Weg ins Gewerbe gebe es nicht.

„Es bräuchte auf jeden Fall so etwas wie eine Gewerkschaft. Ich glaube, man sollte insgesamt mehr Geld verdienen können so in diesem Bereich, weil wegen des Geldes macht man es nicht. Ich glaube, so als Nebenjob ist es ganz gut. Es ist ein richtig cooler Job, aber eine ‚Scheiß-Karriere‘ sozusagen.“

Die freien Routenschrauber werden von Boulderhallen für einen Tag gebucht, die Bezahlung ist überall unterschiedlich. Manche Schrauber sind auch in einer Halle festangestellt.

Ein Gewerbe mit aktuell noch vielen Freiheiten, stellt Julius Kerscher fest. Er führt beim DAV Schrauberlehrgänge im Breitensportbereich durch. Die Ansprüche an die Schrauber seien je nach Region und Halle sehr unterschiedlich.
Das macht eine einheitliche Bezahlung schwierig. Aktuell braucht es fürs kommerzielle Schrauben auch keine Lizenz.

„Gleichzeitig ist es aber so, dass im Rahmen der Professionalisierung unserer gesamten Kletterhallenlandschaft immer mehr Betreiber es gerne haben, wenn die aktiven Routensetzenden irgendetwas vorweisen können. Einfach, damit man gegenüber Versicherungen begründen kann, warum jemand eben diese oder jene Tätigkeit durchführt.“

Steigende Nachfrage nach Lizenzen

Die Nachfrage nach Lizenzen steigt. Der DAV lehrt in seiner Ausbildung für die Breitensport-Lizenz, dass man nicht für sich schraubt, sondern eine Zielgruppe vor Augen haben muss. Und Kerscher will vermitteln, …

„... dass wir eigentlich Monteure mit einer ganz hohen Verantwortung sind. Und das Kreative und die sportliche Kompetenz ist eben das eine und die Sensibilisierung gerade in puncto Arbeitssicherheit und Produktsicherheit, die ganze Verantwortung, die man eben hat, wenn man da so Verkehrswege eröffnet, die versuchen wir in die Köpfe in der Routenbauszene reinzubringen.“

Möchte man hingegen im Leistungssport schrauben, braucht man eine spezielle Leistungssport-Lizenz, für WM, Weltcups oder Olympische Spiele braucht es eine internationale Lizenz.

Christian Bindhammer ist internationaler Headsetter, die höchste Routenbau-Lizenz, die vom internationalen Kletterverband vergeben wird. Er sagt: „Der Zuschauer will die ganze Route sehen - das ist unsere Aufgabe. Die Organizer wollen die ganze Route sehen, aber es soll wirklich auch nur einer hochkommen. Und das ist die Kunst des Ganzen. Und das muss man einstellen im Endeffekt. Es ist letztendlich nicht direkt unsere Aufgabe, auf Athleten einzugehen. Wir wollen einen fairen Playground schaffen für jeden Athleten und wollen dann entsprechend auch die Show bieten, die die Zuschauer erwarten - oder auch der Organizer und die Verbände.“

Der Wettkampf-Routenbau ist ein schmaler Grad: Es soll die Teilnehmer herausfordern, aber machbar bleiben. Am Ende muss es klare Sieger geben, aber auch eine spannende Show mit spektakulären Bewegungen: Sprünge, Balance-Akte, Schwingen und Nervenkitzel.
Gerade das steht auch immer wieder in der Kritik. Bouldern bewege sich weg vom eigentlichen Klettersport hin zu akrobatischen Elementen. Und auch ein steigendes Verletzungsrisiko wird immer wieder bemängelt.

„Wir probieren im Training natürlich, so gut es geht, auch präventive Maßnahmen zu machen, die Muskulatur dementsprechend auszuprägen“, erklärt Ingo Filzwieser. Er ist Sportmanager beim DAV im Bereich Leistungssport.
Aus Sicherheitsgründen gibt es mittlerweile Vorgaben für die Routenbauer, zum Beispiel sind Sprünge nach unten verboten. Solche Verbote seien aber schwierig, so Filzwieser. Denn verbiete man eine Bewegung, bedeutet das, viele Möglichkeiten an der Wand wegzunehmen.
Die Routen auf den großen internationalen Wettkämpfen entwickeln außerdem auch die Sportart an sich weiter. Die Routenbauer sind nicht nur Bewegungserfinder, sondern auch Ideengeber für die kommerziellen Breitensporthallen, erklärt Bindhammer: „Der Routenbau bewirkt, dass es immer spannend bleibt, dass auch die Zuschauer, das Fachpublikum vor allem, diese Wettkämpfe auf Grund dessen anschaut, was gebaut wurde. Nicht nur wegen der Athleten, sondern einfach auch, was da an der Wand ist, weil das kann man ja auch wieder für einen kommerziellen Bereich verwenden. Und das wollen wir natürlich auch als Routenbauer, dass wir einfach immer etwas Neues, Kreatives in die Wand bringen.“

Klettern als Sporttherapie

Die Kinder in der Gruppe von Katharina Mehta haben sich schwere Routen als sportliches Ziel ausgesucht. Während Breitensportler in der Kletter- und Boulderhalle BronxRock in Wesseling bei Köln die Wände erklimmen, nutzt Katharina Mehta den Kletter- und Bouldersport als Form der Sporttherapie:

„Klettern bringt einfach so vieles schon mit. Dann auch noch einmal dieses sich gegenseitig vertrauen, und dann zu schauen, wie kann ich das nachahmen, damit ich es schaffe? Und das ist, finde ich, einfach so eine schöne Kombination von vielen Wirkfaktoren beim Klettern.“

„Ich bin Katharina Mehta, bin Vereinsgründerin von „Hochhinaus - Klettern als Therapie“, bin Ergotherapeutin und arbeite jetzt seit 2007 mit Kindern mit ADHS und Autismus-Spektrum-Störungen und anderen Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörung und das mit dem Medium Klettern.“

Für die Gruppe heute hat Katharina Mehta ein Zirkeltraining vorbereitet, verschiedene Boulderübungen an der Wand. Bei jeder Übung können die acht- bis zehnjährigen Kinder Punkte sammeln. Es ist laut und chaotisch.

„In den Köpfen dieser Kinder ist ganz viel Chaos. Besonders, weil sie nicht nur das, was normalerweise im Fokus für die Handlung steht, wahrnehmen, sondern alles außen rum. Die sind so reizoffen, dass sie alles, was an Geräuschen da ist, aber auch, was vielleicht in ihrem Körper passiert, gleichzeitig wahrnehmen. Dann entsteht natürlich ganz viel Chaos für das, was sie eigentlich machen sollen.“

Klettern und Bouldern helfe den Kindern, sich zu fokussieren. Schließlich muss man sich auf die Wand und die Griffe konzentrieren, sonst fällt man runter.

„Da hilft das Klettern als Medium ungemein, weil das einfach die Kinder in den Körper holt und letztlich dafür sorgt, dass die dann mehr bei sich sind und dann auch ihre Entscheidungen treffen können und dann auch fokussiert eine Aufgabe machen können.“

Bouldern hilft für die Konzentration

Die Erfahrungen in der Kletterhalle nehmen die Kinder als Methoden für Konzentration oder Geduld mit in den Alltag. Gleichzeitig hilft der Klettersport auch dabei, einmal Kraft und Energie loszuwerden: „Wenn ich zum Beispiel in der Schule was Blödes hatte, dann explodiere ich manchmal, wenn ich total sauer bin“, erklärt eine Teilnehmerin. Das Klettern helfe ihr, nicht zu explodieren.

In der Klettertherapie können die Kinder lernen, sich und ihre Emotionen selbst zu regulieren, und auch am Sozialverhalten wird gearbeitet.
In dieser Stunde traut sich ein Junge in zwei Metern Höhe am Seil zu schwingen.
Katharina Mehta hält das Seil und freut sich: "Und jetzt hängt er da oben und fängt an, da zu experimentieren und zu schwingen und hat total den Spaß dabei. Das wird ihm auch wieder etwas bringen. Es ist auch vom Erlebnisfaktor noch einmal besonders.“

Jede Stunde kann zu einem kleinen Abenteuer für die Kinder werden – und gerade das macht das Bouldern nicht nur für Kinder, sondern für die stetig wachsende Zielgruppe so spannend: der Nervenkitzel, zwar nur ein paar Meter über dem Boden zu hängen, aber doch kleine Risiken eingehen zu müssen, um das Top zu erreichen.

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