Trennungskindern müsse ein Trauerjahr zugestanden werden: Das erklärte Diplompädagogin Astrid von Friesen im Politischen Feuilleton.
Wenn das Ende ein Anfang ist
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Hier stand vor Kurzem ein Plädoyer für ein "Trauerjahr für Trennungskinder". Konstanze Jungwirth widerspricht: Dass Eltern nicht mehr als Paar leben wollen, muss für die Kinder keine negativen Folgen haben, meint die Anwältin – ganz im Gegenteil.
Das Leben besteht aus Anfängen und Enden. Das Leben ist ein Geschenk. Ich habe zwei Kindern das Leben geschenkt. Und mir selbst die Freiheit, zu gehen: Als ich spürte, dass der Vater meiner Kinder und ich Eltern, aber kein Paar mehr sind.
Damit bin ich in Deutschland nicht allein. Selbst im "hyggeligen" Dänemark, wo laut einer aktuellen Studie die glücklichsten Menschen leben, trennen sich nahezu 50 Prozent der verheirateten Eltern. Ist das Geschenk deshalb eine Mogelpackung? Nein.
Eine Trennung der Eltern kommt selten aus heiterem Himmel. Sie ist vielmehr Folge davon, dass dunkle Wolken aufgezogen sind, die das "Jetzt" und den Ausblick auf viel mehr als nur morgen mangels absehbarer Besserung dauerhaft verdüstern. Und diese Wetterlage spüren auch die Kinder.
Wege nicht um jeden Preis zu Ende gehen
Kinder, deren Eltern sich trennen, um sich aus einer düsteren Lage zu befreien, erfahren, dass man einen Weg, den man einmal eingeschlagen hat, nicht um jeden Preis zu Ende gehen muss. Und sie erfahren, dass ein neuer Weg beginnt, wenn ein alter Weg endet.
Sie erleben auch, dass der Anspruch an das eigene Glück und die eigenen Grenzen etwas wert ist. Und dass man dafür manchmal die Richtung wechseln muss.
Ob sich Eltern nun trennen oder nicht – ein Ende und einen Anfang gibt es sowieso. Denn vor der Trennung liegt die Erkenntnis, dass es so nicht weitergeht. Ein Ende ist da. Vielleicht findet ein Paar dann gemeinsam einen Neuanfang, definiert für sich einen neuen, gemeinsamen Weg. Aber das klappt nicht immer.
Kinder lernen über Spiegelneuronen, über Imitation. Sie speichern die Verhaltensweisen des Umfeldes, dem sie vertrauen, und füllen damit ihren Erfahrungsschatz.
Hoffnungsvoller Anfang, statt schreckliches Ende
Wie reichhaltig ist dieser Schatz, wenn Eltern ihren Kindern vermitteln können, dass das möglicherweise Ohnmacht und Angst auslösende Wort "Ende" viel besser durch die der Zukunft ein Bild und dem kleinen, aber auch großen Menschen Hoffnung gebende Bezeichnung "Anfang" ersetzt werden kann.
Weil ein Anfang ohne ein Ende nicht denkbar ist. Weil der Anfang vom Glücklichsein ohne ein Ende des Unglücklichseins nicht möglich ist. Weil das das Leben ist. Weil jedes Kind, jeder Mensch immer wieder mit dem Wechsel von Anfang und Ende konfrontiert wird. Ein Leben lang.
Je früher und positiver ein Mensch lernt, dass das keine Katastrophe, sondern eben das Leben ist, desto besser. Anstatt immer wieder nur die Schreckensszenarien zu sezieren, denen wir unsere Kinder bei einer Trennung ausliefern, sollten wir uns darin üben, eine Trennung so zu leben, dass wir Eltern "Eltern" bleiben.
Partner in der Verfolgung des Zieles, dem Kind zu vermitteln, dass unsere Stellung als Elternteil, unsere Liebe, unsere Verantwortung und unser unbedingtes Dasein gegenüber dem Kind vom Ende der Partnerschaft unberührt bleiben.
Kinder spüren die wahre Wetterlage
Eine Trennung der Eltern als Katastrophenfall für Kinder darzustellen, wird kein Paar von einer Trennung abhalten, wenn die Konflikte nur groß genug sind. Und wenn doch, dann bildet dies sicher nicht die beste Grundlage für das Zusammenbleiben.
Denn Kinder spüren die wahre Wetterlage zwischen ihren Eltern. Und wollen wir ihnen wirklich vermitteln, dass wir nicht aus Liebe, Respekt, Anerkennung und Überzeugung als Paar zusammenbleiben?
Vielleicht liegt der Umstand, dass die Dänen trotz der hohen Zahl getrennter Eltern zu den glücklichsten Menschen gehören, auch daran, dass sich in Dänemark nur scheiden lassen kann, wer vorher einen "Scheidungskurs" absolviert hat: Eltern lernen darin, den negativen psychischen und psychologischen Folgen einer Scheidung entgegenzuwirken.
Um den Kindern zu vermitteln, dass (Ent-)Scheidungen nicht Angst machen, sondern ein normaler Bestandteil des Lebens sind und der Verantwortung, die dieses Leben mit sich bringt. Unseren Nächsten gegenüber, aber auch uns selbst gegenüber. Eine gute Grundlage für einen Neuanfang.