Der letzte Silhouetten-Filmer
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Als letzter Meister des Silhouettenfilms gilt Jörg Herrmann. In liebevoller Handarbeit bewahrt er in seinem Filmstudio bei Dresden eine Tradition, die auszusterben droht.
Seit vor hundert Jahren die ersten Bilder laufen lernten, entstand die bis heute florierende Filmindustrie. Darunter auch eine Kategorie, die vor allem Kinder im Blick hat: Trickfilme mit animierten Kunstfiguren erzählen meist Märchen oder Fabeln nach. Während die Zeichentrickfiguren aus Hollywood den Weltmarkt erobern, blieben die Silhouettenfilme aus deutscher Produktion immer Manufaktur-Arbeiten und ein Handwerk im wörtlichen Sinne. Bis heute werden dabei aus Pappkarton ausgeschnittene schwarze Figuren per Hand millimeterweise bewegt, als Einzelbilder aufgenommen und so Bewegungen simuliert.
Krabat als Neuerzählung
Die Lausitzer Volkssage "Krabat" wurde schon mehrfach verfilmt, mit richtigen Schauspielern und auch als Animationsfilm. Die von Jörg Herrmann inszenierte Version nutzt Scherenschnittfiguren, die der Filmemacher Schritt für Schritt, Flügelschlag für Flügelschlag einzeln animiert und aufgenommen hat. Als weltweit letzter Meister des Silhouettenfilms arbeitet Herrmann im eigenen Filmstudio in Kreischa bei Dresden.
"Bei Krabat waren es ja immerhin 180.000 Einzelbilder, die ich gemacht habe, mit dieser Figur. Ich habe so etwa 540 Tage gestanden. Ich mache sonst bis zu 20 Sekunden an einem Tag. Aber Krabat war so kompliziert." Wegen der vielen Figuren habe er von der Vorbereitung bis zur Vertonung drei Jahre benötigt.
Herrmanns 2013 veröffentlichte Geschichte mit dem Titel "Der siebente Rabe" war erst der zweite abendfüllende Silhouettenfilm. Er zieht seine Parallele zu Lotte Reinigers erstem abendfüllenden Trickfilm: "Lotte Reiniger hat übrigens 1923 auch drei Jahre lang den ersten abendfüllenden Trickfilm produziert. Das war 'Die Abenteuer des Prinzen Achmed'. Ihr Film ist 65 Minuten lang und meiner 71."
In der Tradition der deutschen Pionierin des Silhouettenfilms, Lotte Reiniger, haben Herrmann und das ehemalige DEFA-Trickfilm-Team den Scherenschnittfilm als originären deutschen Beitrag zur Animationskunst weiterentwickelt. Mit Kinderfilmen im Abendgruß vom Sandmann oder als historische Erklärfilme zum Leben von Karl Marx. Nach der Wende 1989 hätten sich viele seiner Filmkollegen in den Vorruhestand verabschiedet oder zum Floristen umschulen lassen, erzählt Herrmann. Er ist als Einziger dem Silhouettenfilm treu geblieben und hat sein eigenes, privates Trickfilmstudio aufgebaut.
Feinarbeit für den Trickfilm
Er beschreibt seine Arbeit so: "Hier sind wir nun an der Drehbank. Der ganze Raum ist schwarz gemalt. Das ist deshalb, weil hier eine riesengroße Glasscheibe liegt und wären da oben helle Stellen oder Glanzpunkte, das würde sich in der Glasscheibe spiegeln und dann könnte man die Trickfilme nicht machen. Die Bank ist drei Meter 25 breit und ein Meter 25 tief und ich kann im Prinzip auf der ganzen Länge mit der Kamera eine Kamerafahrt machen." Vorsichtig schiebt Herrmann mit einer Pinzette den Fuß einer schwarzen Scherenschnittfigur einen halben Millimeter nach vorne. Dann drückt er auf den Auslöser. Aus 24 Bildern entsteht so ein Schritt.
Herrmann ist mit seinen 78 Jahren der letzte Regisseur, der die Technik des Silhouettenfilms noch beherrscht. Zurzeit dreht er ein Auftragswerk für das Carl Maria von Weber-Museum. Das ist ein Musikmuseum in Dresden, das dem Komponisten Carl Maria von Weber gewidmet ist und sich in dessen ehemaligem Sommerwohnsitz befindet. Der kleine Animationsfilm soll den Besuchern zeigen, wie der berühmte "Freischütz"-Komponist die Ideen für seine Kompositionen fand. "Der Film heißt "Komponieren beim Spazieren", sagt Herrmann. "Während dieses Laufes sind ihm die besten Melodien eingefallen und sein Sohn schreibt, wenn ihm eine Stelle nicht gefallen hat, ist er das Stück Weg zurückgegangen und noch einmal gelaufen. Erst abends hat er es aufgeschrieben und mal probiert."
Die schwarze Figur aus Pappkarton auf dem Drehtisch hat die Arme ausgebreitet und gen Himmel gereckt. Links und rechts daneben stehen Gehstock und Regenschirm in die Erde gerammt. Herrmann über die berühmte Wolfsschlucht-Szene: "In der vorhergehenden Szene ist ihm die Wolfsschlucht-Szene, die Schlüsselszene im Freischütz, eingefallen." Der wilde Felsen und ein Wasserfall, das habe den Komponisten inspiriert.
Einladungen auf Festivals
Viele der Techniken haben die Silhouettenfilmer von ihrer Pionierin Reiniger übernommen, so etwa kleine Gelenke für Arme, Beine und den Kopf aus Haarnadeln. Für Großaufnahmen auch Großfiguren zu nehmen, war Herrmanns eigene Idee. "Die ganze Figur ist etwa 90 Zentimeter lang. Ich kann den Hals länger werden lassen, kann den Mund bewegen. Der kann also seine Texte auch sprechen und ich kann die Augen bewegen."
In besten Zeiten hatte Herrmann mehrere Angestellte, inzwischen arbeitet er allein. Noch immer werden seine Filme zu zahlreichen Festivals eingeladen, auch nach Übersee. Wahrscheinlich stirbt der Silhouettenfilm mit mir aus, sagt der Filmemacher und seufzt. Auf jeden Fall will er noch eine Bedienungsanleitung schreiben.