Tricks und Täuschungen
Das Thema der Schau "Close Examination: Fakes, Mistakes and Discoveries" sind gefälschte Kunstwerke und ihre Enttarnung. Die National Gallery zeigt die Methoden und Techniken von Kuratoren und Restauratoren.
Da wären zuerst: zwei große, querformatige "Botticellis". Eines der Gemälde, "Venus und Mars", ist datiert um 1485. Das andere – "Eine Allegorie" - galt lange als ein original Begleitstück und als das schönere der beiden Bilder. Bis sich herausstellte: Es stammt nicht von dem Renaissancekünstler, sondern von einem zeitgenössischen Verehrer.
Und da ist: der "Mann mit dem Totenschädel", gemalt um 1560. Als Künstler kam ursprünglich nur Hans Holbein der Jüngere infrage. Doch Untersuchungen des Holzrahmens ergaben: Das Bild entstand etwa 20 Jahre nach Holbeins Tod.
Den jüngeren "Holbein" erwarb die National Gallery 1845, die "Botticellis" kamen später hinzu. Heute hängen in den Räumen am Trafalgar Square etwa 40 Gemälde, deren Ankauf zum Teil auf krassen Fehleinschätzungen beruhte, zumindest aus heutiger Sicht. Man kaufte, was Sammelwert hatte. Die Wahrheit hinter den angeblichen Originalen kam erst nach und nach ans Licht.
Licht ins Dunkel in Sachen Beschaffung, Provenienz und Zuschreibung von Kunstwerken bringt seit 1934 die wissenschaftliche Abteilung der National Gallery. Sie gehört heute zu den weltweit führenden Institutionen in Sachen Material- und Methodenforschung mit dem Schwerpunkt westeuropäische Malerei. Ihr Leiter ist Doktor Ashok Roy. Höchst aufschlussreich, sagt er, war auch das "Porträt des Alexander Mornauer" – der Fall Holbein Nummer zwei.
"Die Galerie erwarb das Gemälde 1990. Uns war klar: Das Werk stammt zwar aus dem 15. Jahrhundert, aber es ist kein Holbein. Wir unterzogen es einer gründlichen Analyse, und es zeigte sich: Im Bildhintergrund war das Braun mit dem für Holbein-Porträts typischen Kobaltblau übermalt worden. Außerdem: Die Form der Kopfbedeckung des Porträtierten wurde nachträglich geändert. Mit anderen Worten: Hier wurde die Arbeit eines unbekannten Meisters umstilisiert von einem Imitator, der im 18. Jahrhundert auf den Kunstmarkt und Zeitgeschmack schielte und dabei die Mode im Auge hatte. Er wusste: Porträts im Holbein-Stil verkauften sich bestens."
Anhand solcher Beispiele nimmt die Londoner Ausstellung die Malerei genau unter die Lupe. "Close Examination" präsentiert Bilder und ihre Geschichten: Fälschungen und Nachbesserungen, Fundstücke, Fehler und Fehleinkäufe – und jede Menge Wissenschaft: Infrarot- und Röntgenaufnahmen, Elektronenmikroskopie und Massenspektronomie.
"Tricks und Täuschungen", "Transformation und Modifikation", "Geheimnisse und Rätsel", "Being Botticelli": In insgesamt sechs Themenräumen vermittelt die Schau Einblicke in die Arbeitsweisen von Künstlern und Imitatoren und die Techniken und Verfahren von Konservatoren und Restauratoren. Ziel sei es, sagt Kokuratorin Betsy Wieseman, Interesse zu wecken für Bilder als lebende Objekte:
"Von der Ausstellung erhoffen wir uns, dass sie das Publikum dazu bringt, sich für Gemälde zu interessieren und sich zu begeistern für das Leben der Bilder."
Erfreuliches in eigener Sache präsentiert die Gallery in der letzten Abteilung mit dem Titel "Erlösung und Errettung”. Hier steht eine Dame und einer der größten Schätze des Museums im Mittelpunkt – Raffaels "Madonna of the Pinks", die sogenannte "Nelkenmadonna".
Galerie-Direktor Nicholas Penny entdeckte das Bild 1991 auf einem Herrensitz in Northumberland und hielt es anfänglich – wie die meisten Experten – für eine prächtige Kopie. Chemische und infrarot-reflektografische Analysen brachten dann allerdings minutiöse Abweichungen in der Pigmentierung der Untermalung und der Bildoberfläche zum Vorschein.
Die Farben, darunter Pigmente, die nur bis zum 16. Jahrhundert verwendet wurden, verwiesen auf die typische Raffael-Palette. Und so konnte die "Madonna" tatsächlich als ein Original-Raffael identifiziert werden. 2004 erstanden die Londoner das Meisterwerk – Kaufpreis: 35 Millionen Pfund.
Die "Nelkenmadonna": Mit ihr zogen die Einkäufer der National Gallery das große Los. Aber heißt das, dass ihre Nicht-Originale allesamt Nieten sind? "Eine Wand voller Rembrandts", meint Betsy Wieseman, "ist uns natürlich lieber als eine Wand voller Pseudos ... und doch ..."
"Jedes Gemälde hat seinen absoluten Wert. Wie ein Kunstwerk auf uns wirkt, ist unabhängig von der Frage nach seiner Authentizität. Man mag an der Echtheit eines Rembrandt zweifeln, die Schönheit des Gemäldes und seine Wirkung bleibt davon unberührt."
Service:
Close Examination: Fakes, Mistakes and Discoveries
National Gallery
30.6.-12.9.2010
Und da ist: der "Mann mit dem Totenschädel", gemalt um 1560. Als Künstler kam ursprünglich nur Hans Holbein der Jüngere infrage. Doch Untersuchungen des Holzrahmens ergaben: Das Bild entstand etwa 20 Jahre nach Holbeins Tod.
Den jüngeren "Holbein" erwarb die National Gallery 1845, die "Botticellis" kamen später hinzu. Heute hängen in den Räumen am Trafalgar Square etwa 40 Gemälde, deren Ankauf zum Teil auf krassen Fehleinschätzungen beruhte, zumindest aus heutiger Sicht. Man kaufte, was Sammelwert hatte. Die Wahrheit hinter den angeblichen Originalen kam erst nach und nach ans Licht.
Licht ins Dunkel in Sachen Beschaffung, Provenienz und Zuschreibung von Kunstwerken bringt seit 1934 die wissenschaftliche Abteilung der National Gallery. Sie gehört heute zu den weltweit führenden Institutionen in Sachen Material- und Methodenforschung mit dem Schwerpunkt westeuropäische Malerei. Ihr Leiter ist Doktor Ashok Roy. Höchst aufschlussreich, sagt er, war auch das "Porträt des Alexander Mornauer" – der Fall Holbein Nummer zwei.
"Die Galerie erwarb das Gemälde 1990. Uns war klar: Das Werk stammt zwar aus dem 15. Jahrhundert, aber es ist kein Holbein. Wir unterzogen es einer gründlichen Analyse, und es zeigte sich: Im Bildhintergrund war das Braun mit dem für Holbein-Porträts typischen Kobaltblau übermalt worden. Außerdem: Die Form der Kopfbedeckung des Porträtierten wurde nachträglich geändert. Mit anderen Worten: Hier wurde die Arbeit eines unbekannten Meisters umstilisiert von einem Imitator, der im 18. Jahrhundert auf den Kunstmarkt und Zeitgeschmack schielte und dabei die Mode im Auge hatte. Er wusste: Porträts im Holbein-Stil verkauften sich bestens."
Anhand solcher Beispiele nimmt die Londoner Ausstellung die Malerei genau unter die Lupe. "Close Examination" präsentiert Bilder und ihre Geschichten: Fälschungen und Nachbesserungen, Fundstücke, Fehler und Fehleinkäufe – und jede Menge Wissenschaft: Infrarot- und Röntgenaufnahmen, Elektronenmikroskopie und Massenspektronomie.
"Tricks und Täuschungen", "Transformation und Modifikation", "Geheimnisse und Rätsel", "Being Botticelli": In insgesamt sechs Themenräumen vermittelt die Schau Einblicke in die Arbeitsweisen von Künstlern und Imitatoren und die Techniken und Verfahren von Konservatoren und Restauratoren. Ziel sei es, sagt Kokuratorin Betsy Wieseman, Interesse zu wecken für Bilder als lebende Objekte:
"Von der Ausstellung erhoffen wir uns, dass sie das Publikum dazu bringt, sich für Gemälde zu interessieren und sich zu begeistern für das Leben der Bilder."
Erfreuliches in eigener Sache präsentiert die Gallery in der letzten Abteilung mit dem Titel "Erlösung und Errettung”. Hier steht eine Dame und einer der größten Schätze des Museums im Mittelpunkt – Raffaels "Madonna of the Pinks", die sogenannte "Nelkenmadonna".
Galerie-Direktor Nicholas Penny entdeckte das Bild 1991 auf einem Herrensitz in Northumberland und hielt es anfänglich – wie die meisten Experten – für eine prächtige Kopie. Chemische und infrarot-reflektografische Analysen brachten dann allerdings minutiöse Abweichungen in der Pigmentierung der Untermalung und der Bildoberfläche zum Vorschein.
Die Farben, darunter Pigmente, die nur bis zum 16. Jahrhundert verwendet wurden, verwiesen auf die typische Raffael-Palette. Und so konnte die "Madonna" tatsächlich als ein Original-Raffael identifiziert werden. 2004 erstanden die Londoner das Meisterwerk – Kaufpreis: 35 Millionen Pfund.
Die "Nelkenmadonna": Mit ihr zogen die Einkäufer der National Gallery das große Los. Aber heißt das, dass ihre Nicht-Originale allesamt Nieten sind? "Eine Wand voller Rembrandts", meint Betsy Wieseman, "ist uns natürlich lieber als eine Wand voller Pseudos ... und doch ..."
"Jedes Gemälde hat seinen absoluten Wert. Wie ein Kunstwerk auf uns wirkt, ist unabhängig von der Frage nach seiner Authentizität. Man mag an der Echtheit eines Rembrandt zweifeln, die Schönheit des Gemäldes und seine Wirkung bleibt davon unberührt."
Service:
Close Examination: Fakes, Mistakes and Discoveries
National Gallery
30.6.-12.9.2010