Tricky und krisensicher?
Malaysia gilt als eines der Pionierländer beim sogenannten Islamic Banking. Dort wurde Anfang der 80er Jahre das erste Geldinstitut gegründet, das sich explizit an die Bedürfnisse muslimischer Kunden richtet, wo Zinsen weder verlangt oder gezahlt werden dürfen.
Und doch bieten diese Banken den Kunden durchaus attraktive Renditen an, indem sie zum Beispiel statt Zinsen zu zahlen über Immobilengeschäfte Gewinne ausschütten. Das alternative Finanzsystem erfreut sich immer größerer Beliebtheit, auch in Deutschland. Es verspricht den Kunden mehr Sicherheit und Stabilität – eine Stabilität, die manche allerdings angesichts der Finanz- und Immobilienkrise in Dubai gefährdet sehen.
Wenn Saiful Hambali gegen 8.00 Uhr morgens in seinem Büro eintrifft, hat er eine fast einstündige Autofahrt hinter sich gebracht. Der Experte für islamisches Recht der RHB Islamic Bank in Kuala Lumpur wohnt in einem Vorort, zwölf Kilometer von seinem Arbeitsplatz im Zentrum der malaysischen Hauptstadt entfernt. Aber wegen des notorisch zähflüssigen Verkehrs hat er jedes Mal Gelegenheit, die auf seinem Weg liegenden Hochhäuser genau ins Visier zu nehmen.
Je näher Saiful Hambali stadteinwärts gelangt, desto häufiger springen ihm die von weitem sichtbaren Schriftzüge auf den Gebäuden ins Auge, mit denen große Banken auf sich aufmerksam machen. Bank Islam Malaysia Berhad blinkt es Saiful Hambali entgegen. Oder Hong Leong Islamic Bank, Syarikat Takaful - und natürlich das Logo seines Arbeitgebers RHB Islamic Bank. Namen, sagt der Scharia – Beauftragte Hambali, die man sich merken solle.
Alle der hier unter dem Siegel Islamic Banking angebotenen Finanzprodukte seien Islam – kompatibel und damit auf die speziellen Bedürfnisse muslimischer Kunden zugeschnitten.
"Im Islam werden mit dem Wort Riba Begriffe wie Vermehrung oder auch Zuwachs umschrieben – also jedwede Art von Zins. Im Koran hat das Zins-Verbot diverse Stadien durchlaufen. Unser Prophet Mohammed hat dieses Prinzip nach seiner Ankunft in Mekka erstmals erwähnt. Dann dauerte es noch einmal acht Jahre, bis Gott ihm das endgültige Zinsverbot offenbarte und Mohammed es niederschrieb.”"
S. Hambali: "”Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1957 ist der Islam in Malaysia Staatsreligion. Etwa sechzig Prozent der Malaysier sind Muslime. Als islamischer Staat kommt das Land allerdings nicht daher: Politik, Gesetze und Verwaltungssystem leiten sich weder vom Koran noch von der Sunna – dem Weg des Propheten Muhammed – ab. Auch wenn in Teilen des Landes eine konservative Verschärfung des Islams spürbar ist, gilt Malaysia nach wie vor als relativ liberal. Einige Bewohner dieses Staates, der die Vorreiterrolle beim Islamic Banking innehat, nehmen sich ganz gern ein paar ziemlich unislamische Freiheiten heraus."
In dieser Spielhalle in einem Einkaufszentrum Kuala Lumpurs rattern die Glücksspielautomaten ununterbrochen von zehn Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht. Die Spieler sitzen wie festgenagelt auf den Plastikstühlen vor den Automaten. Einige von ihnen haben indische Vorfahren, andere chinesische. Aber die meisten sind Malaien – Angehörige der ursprünglichen Bevölkerungsgruppe des Landes. Und damit sunnitische Muslime.
Zwei Gebäude weiter lockt die Neonreklame für die im dritten Stock befindliche Bar. Hier wird reichlich Alkohol ausgeschenkt. Und auch in solchen Etablissement finden sich viele Muslime, so viele, dass Alkoholismus unter der muslimischen Bevölkerung Malaysias zunehmend zum Problem wird.
Gleichzeitig wächst der Einfluss eines strengen Islams mit einem islamischen Banken- und Finanzierungssystem, das seit seiner Gründung Anfang der Achtzigerjahre in Malaysia ausgesprochen populär geworden ist – nicht nur unter der malaiisch – muslimischen Bevölkerungsgruppe des Landes, sondern auch unter den indischen und chinesischen Malaysiern.
Khaliq Ahmed Ismail von der International Islamic University Malaysia:
"Als 1983 die erste islamische Bank hier ihr Geschäft eröffnet hat, interessierten sich nur strenggläubige Muslime für ihre Offerten. Vor kurzem haben wir eine Studie zum Thema Islamische Geldanlagen durchgeführt und festgestellt, dass die Muslime inzwischen nicht mehr immer in der Mehrzahl sind. Viele Kunden, die ihr Geld in islamische Finanzprodukte investieren, gehören einer anderen Glaubensrichtung an."
Dass Malaysia der Spitzenreiter auf dem Islamic–Banking–Markt ist, hat vielerlei Gründe. Die Regierung hat den Finanzsektor liberalisiert und entsprechende Steueranreize geschaffen. Ausländische Finanzinstitute dürfen in Malaysia aktiv werden. Wenn sie Islamic–Banking–Leistungen offerieren, werden sie, ebenso wie alle anderen Anbieter auf diesem Markt, von der Oberaufsicht der Zentralbank Malaysias kontrolliert. Diese Instanz überprüft, ob die Betreiber des islamischen Bank – und Finanzwesens sich an die Vorschriften halten und ob ihre Angebote gemäß islamischem Recht zulässig sind. Dies wiederum ist ein absolutes Muss, um vor den Augen der arabischen Investoren bestehen zu können – einer Klientel, die ihrer Einnahmen aus den Ölverkäufen wegen nach wie vor sehr gefragt ist.
Vor den Toren der Hauptstadt Kuala Lumpur liegt die International Islamic University Malaysia. Hohe, ausladende Bäume mit unzähligen Luftwurzeln halten die über das Parkareal verstreut liegenden Gebäude umschlungen. Zikaden kreischen, während der süße Geruch von Frangipani - Blüten durch das Fenster des Büros herein dringt.
Hier lehrt Khaliq Ahmed Ismail. Er ist der Leiter des Management Centres der islamischen Universität. Khaliq Ismails Studenten gelten als die besten unter den besten der jungen Männern und Frauen des Landes.
"Wir bieten hier einen qualifizierten Abschluss in Sachen Islamic Banking an. Unsere Absolventen werden vom Fleck weg engagiert. Alle von ihnen finden eine Anstellung, sei es hierzulande oder in anderen Teilen der Welt. Besonders im Mittleren Osten und in den Ländern des Golf–Kooperationsrates, also in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Bahrain, Katar Saudi Arabien und Oman, reißt man sich geradezu um sie."
Beim weltweiten Geschäft mit dem Islamic Banking stehen die großen Finanzhäuser des arabischen Raums an erster Stelle. Aber jedem Zinsverbot und aller ethischen Auflagen der Scharia, der Summe von religiös legitimierten Pflichten und Verboten, zum Trotz – auch islamische Banken wollen und müssen gewinnträchtige Geschäfte machen. Das geht nicht ganz ohne – durchaus legale – Anlagetricks.
Mit ihrer Hilfe umschiffen islamische Finanzanbieter die Klippen des religiösen Gesetzes: So erwirbt die Bank, um einem Klienten Geld leihen zu können, erst einmal eine Immobilie für den Kunden. Dieser kauft später seinem Geldinstitut das Objekt wieder ab – zu einem deutlich höheren Preis und per Ratenzahlung. Oder ein Geschäftsmann, der das Kapital für seine Firma nicht allein aufbringen kann, bittet die Bank, sich finanziell an seinem Unternehmen zu beteiligen. Dafür erhält die Bank ein Mitspracherecht bei allen Fragen der Unternehmensführung. Außerdem werden sowohl Gewinn als auch Verlust gemäß den Vorgaben einer zuvor getroffenen Vereinbarung geteilt.
"Die bessere Rendite ergibt sich unter anderem daraus, dass islamische Bankprodukte kein hochspekulatives Kapital enthalten dürfen. Einige der konventionellen Banken haben nachgezogen. In ihren Filialen gibt es zumindest einen Schalter für solche Produkte. Wie überall auf der Welt gehorcht das Ganze den Gesetzen des Marktes. So kommt es, dass inzwischen auch in einigen islamischen Ländern die Zahl der nicht–muslimischen Kunden bei diesen Offerten überwiegt."
In Malaysia wird schon jetzt der größte Teil des Finanzwesens nach islamischem Recht abgewickelt. Auch die chinesische Minderheit des Landes betreibt inzwischen an die siebzig Prozent ihrer Bankgeschäfte gemäß Scharia – konformen Richtlinien.
Darüber hinaus gilt Malaysia als Sprungbrett für die begehrten Märkte in China, Indonesien und Indien. Denn von rund 1,5 Milliarden Muslimen weltweit leben knapp 700 Millionen im südasiatischen oder südostasiatischen Umfeld. Ein weiterer Erfolgsgarant sind die sogenannten Sukuk, eine islamische Anleihevariante, die in Malaysia entwickelt und auf den Markt gebracht wurde.
Anders als bei herkömmlichen Anleihen werden Sukuk–Papiere mit Grundstücken oder Immobilien unterlegt. Der Käufer wird dann im wirtschaftlichen Sinne zum Eigentümer dieser Immobilie. Als Entgelt erhält er eine Mietzahlung. Es fallen also keine Zinsen an. Und die Bank fungiert als Zwischenhändler.
Die malaysische Regierung hofft, schon bald einen Teil ihrer Ziele verwirklicht zu sehen: Immerhin umgerechnet zehn Milliarden Euro werden bis Ende des Jahres in die Verbesserung des Transportwesens und in die Energieversorgung geflossen sein. Damit soll die notorisch unterentwickelte Infrastruktur auf Trab gebracht werden. Ein Gutteil des erforderlichen Kapitals stammt aus den Erlösen des Islamic Bankings. Die auf diese Weise erwirtschafteten Vorräte bergen für Malaysia auch einen handfesten politischen Vorteil: Sie machen das Land unabhängiger vom Westen, ins Besondere von den USA.
Khaliq Ahmed Ismail verlässt sein Büro im Management Center der islamischen Universität. Jetzt, am frühen Abend, weht endlich so etwas wie ein kühles Lüftchen durch den Park, an dessen Ende er seinen Landrover abgestellt hat. Am Himmel verabschiedet sich der Tag mit einem letzten Feuerwerk von Farben. Ismail nimmt all das allerdings allenfalls am Rande wahr.
Er möchte gegen Ende des Gesprächs seinen Optimismus in Sachen Malaysia und Islamic Banking doch ein wenig relativieren. Was ihm zum Beispiel Sorge bereite, sagt er, sei die Tatsache, dass die arabischen Golfstaaten im vergangenen Jahr erstmals mehr Sukuk–Papiere verkauft hätten als Malaysia. Besonders Abu Dhabi und Dubai seien Malaysia beim Islamic Banking inzwischen dicht auf den Fersen.
"”Diese Länder sind mittlerweile eifrig dabei, unsere Experten abzuwerben. Darüber hinaus investiert man in die Einrichtung eigener Ausbildungsinstitute für das islamische Bankwesen. Wissen ist immerfort im Fluss. Noch gehören wir zu den Spitzenreitern. Nur - leider können wir uns unsere Kenntnisse nicht patentieren lassen! Immerhin: Wir haben uns gut platziert. Und hier, an unserer Universität, haben wir den Ball ins Rollen gebracht. Von hundert Experten in diesem Metier stammen neunzig aus diesem Hause.""
Auch Saiful Hambali hat seinen Computer ausgeschaltet, seine Unterlagen für den morgigen Tag auf dem Schreibtisch abgelegt und das Licht in seinem Bürozimmer in der " RHB Islamic Bank " gelöscht. Auf dem Weg durchs Treppenhaus kann er den Vorbeter der Moschee auf der gegenüberliegenden Straßenseite hören, der den Gläubigen eindringlich ins Gewissen redet.
Keine Frage, sagt der Scharia – Experte. Um im globalen Wettbewerb vorn zu bleiben, müsse Malaysia den Anderen stets zumindest eine Nasenlänge weit voraus sein. Immer neue, immer innovativere Finanzprodukte müssten her, denn nicht nur die arabische Welt beschreite mittlerweile schon eigene Wege. Auch traditionsreiche Finanzzentren wie London oder Singapur ließen nichts unversucht, sich an der Aufholjagd zu beteiligen. Die Schuldenkrise Dubais könnte sich allerdings als Rückschlag für die Akzeptanz der islamkonformen Finanzprodukte erweisen. Zwar beteuern islamische Gelehrte, auch im Schuldenfall oder bei Immobilienkrisen seien Gläubiger mit den Islamic - Banking - Produkten auf der sicheren Seite.
Bei Zahlungsproblemen sei nämlich eine Umschuldung möglich - der Gläubiger komme also an sein Geld! Westliche Zweifler fürchten aber, dass dann womöglich nicht das international übliche englische Handelsrecht angewandt werde, sondern undurchsichtige islamische Regeln, die viel Spielraum für eine jeweils individuelle Auslegung lassen könnten. Dann blieben die Gläubiger am Ende vielleicht doch auf ihren Schulden sitzen. Saiful Hambali bleibt aber auch im Angesicht der Finanzkrise Dubais optimistisch.
"Selbst unter den sehr strengen Sharia – Richtlinien der GCC können unsere Produkte sich behaupten. Das heißt, auch Saudi Arabien, Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören nach wie vor zu unseren Kunden. Dies wiederum sichert uns bis dato nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit Akzeptanz."
Wenn Saiful Hambali gegen 8.00 Uhr morgens in seinem Büro eintrifft, hat er eine fast einstündige Autofahrt hinter sich gebracht. Der Experte für islamisches Recht der RHB Islamic Bank in Kuala Lumpur wohnt in einem Vorort, zwölf Kilometer von seinem Arbeitsplatz im Zentrum der malaysischen Hauptstadt entfernt. Aber wegen des notorisch zähflüssigen Verkehrs hat er jedes Mal Gelegenheit, die auf seinem Weg liegenden Hochhäuser genau ins Visier zu nehmen.
Je näher Saiful Hambali stadteinwärts gelangt, desto häufiger springen ihm die von weitem sichtbaren Schriftzüge auf den Gebäuden ins Auge, mit denen große Banken auf sich aufmerksam machen. Bank Islam Malaysia Berhad blinkt es Saiful Hambali entgegen. Oder Hong Leong Islamic Bank, Syarikat Takaful - und natürlich das Logo seines Arbeitgebers RHB Islamic Bank. Namen, sagt der Scharia – Beauftragte Hambali, die man sich merken solle.
Alle der hier unter dem Siegel Islamic Banking angebotenen Finanzprodukte seien Islam – kompatibel und damit auf die speziellen Bedürfnisse muslimischer Kunden zugeschnitten.
"Im Islam werden mit dem Wort Riba Begriffe wie Vermehrung oder auch Zuwachs umschrieben – also jedwede Art von Zins. Im Koran hat das Zins-Verbot diverse Stadien durchlaufen. Unser Prophet Mohammed hat dieses Prinzip nach seiner Ankunft in Mekka erstmals erwähnt. Dann dauerte es noch einmal acht Jahre, bis Gott ihm das endgültige Zinsverbot offenbarte und Mohammed es niederschrieb.”"
S. Hambali: "”Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1957 ist der Islam in Malaysia Staatsreligion. Etwa sechzig Prozent der Malaysier sind Muslime. Als islamischer Staat kommt das Land allerdings nicht daher: Politik, Gesetze und Verwaltungssystem leiten sich weder vom Koran noch von der Sunna – dem Weg des Propheten Muhammed – ab. Auch wenn in Teilen des Landes eine konservative Verschärfung des Islams spürbar ist, gilt Malaysia nach wie vor als relativ liberal. Einige Bewohner dieses Staates, der die Vorreiterrolle beim Islamic Banking innehat, nehmen sich ganz gern ein paar ziemlich unislamische Freiheiten heraus."
In dieser Spielhalle in einem Einkaufszentrum Kuala Lumpurs rattern die Glücksspielautomaten ununterbrochen von zehn Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht. Die Spieler sitzen wie festgenagelt auf den Plastikstühlen vor den Automaten. Einige von ihnen haben indische Vorfahren, andere chinesische. Aber die meisten sind Malaien – Angehörige der ursprünglichen Bevölkerungsgruppe des Landes. Und damit sunnitische Muslime.
Zwei Gebäude weiter lockt die Neonreklame für die im dritten Stock befindliche Bar. Hier wird reichlich Alkohol ausgeschenkt. Und auch in solchen Etablissement finden sich viele Muslime, so viele, dass Alkoholismus unter der muslimischen Bevölkerung Malaysias zunehmend zum Problem wird.
Gleichzeitig wächst der Einfluss eines strengen Islams mit einem islamischen Banken- und Finanzierungssystem, das seit seiner Gründung Anfang der Achtzigerjahre in Malaysia ausgesprochen populär geworden ist – nicht nur unter der malaiisch – muslimischen Bevölkerungsgruppe des Landes, sondern auch unter den indischen und chinesischen Malaysiern.
Khaliq Ahmed Ismail von der International Islamic University Malaysia:
"Als 1983 die erste islamische Bank hier ihr Geschäft eröffnet hat, interessierten sich nur strenggläubige Muslime für ihre Offerten. Vor kurzem haben wir eine Studie zum Thema Islamische Geldanlagen durchgeführt und festgestellt, dass die Muslime inzwischen nicht mehr immer in der Mehrzahl sind. Viele Kunden, die ihr Geld in islamische Finanzprodukte investieren, gehören einer anderen Glaubensrichtung an."
Dass Malaysia der Spitzenreiter auf dem Islamic–Banking–Markt ist, hat vielerlei Gründe. Die Regierung hat den Finanzsektor liberalisiert und entsprechende Steueranreize geschaffen. Ausländische Finanzinstitute dürfen in Malaysia aktiv werden. Wenn sie Islamic–Banking–Leistungen offerieren, werden sie, ebenso wie alle anderen Anbieter auf diesem Markt, von der Oberaufsicht der Zentralbank Malaysias kontrolliert. Diese Instanz überprüft, ob die Betreiber des islamischen Bank – und Finanzwesens sich an die Vorschriften halten und ob ihre Angebote gemäß islamischem Recht zulässig sind. Dies wiederum ist ein absolutes Muss, um vor den Augen der arabischen Investoren bestehen zu können – einer Klientel, die ihrer Einnahmen aus den Ölverkäufen wegen nach wie vor sehr gefragt ist.
Vor den Toren der Hauptstadt Kuala Lumpur liegt die International Islamic University Malaysia. Hohe, ausladende Bäume mit unzähligen Luftwurzeln halten die über das Parkareal verstreut liegenden Gebäude umschlungen. Zikaden kreischen, während der süße Geruch von Frangipani - Blüten durch das Fenster des Büros herein dringt.
Hier lehrt Khaliq Ahmed Ismail. Er ist der Leiter des Management Centres der islamischen Universität. Khaliq Ismails Studenten gelten als die besten unter den besten der jungen Männern und Frauen des Landes.
"Wir bieten hier einen qualifizierten Abschluss in Sachen Islamic Banking an. Unsere Absolventen werden vom Fleck weg engagiert. Alle von ihnen finden eine Anstellung, sei es hierzulande oder in anderen Teilen der Welt. Besonders im Mittleren Osten und in den Ländern des Golf–Kooperationsrates, also in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Bahrain, Katar Saudi Arabien und Oman, reißt man sich geradezu um sie."
Beim weltweiten Geschäft mit dem Islamic Banking stehen die großen Finanzhäuser des arabischen Raums an erster Stelle. Aber jedem Zinsverbot und aller ethischen Auflagen der Scharia, der Summe von religiös legitimierten Pflichten und Verboten, zum Trotz – auch islamische Banken wollen und müssen gewinnträchtige Geschäfte machen. Das geht nicht ganz ohne – durchaus legale – Anlagetricks.
Mit ihrer Hilfe umschiffen islamische Finanzanbieter die Klippen des religiösen Gesetzes: So erwirbt die Bank, um einem Klienten Geld leihen zu können, erst einmal eine Immobilie für den Kunden. Dieser kauft später seinem Geldinstitut das Objekt wieder ab – zu einem deutlich höheren Preis und per Ratenzahlung. Oder ein Geschäftsmann, der das Kapital für seine Firma nicht allein aufbringen kann, bittet die Bank, sich finanziell an seinem Unternehmen zu beteiligen. Dafür erhält die Bank ein Mitspracherecht bei allen Fragen der Unternehmensführung. Außerdem werden sowohl Gewinn als auch Verlust gemäß den Vorgaben einer zuvor getroffenen Vereinbarung geteilt.
"Die bessere Rendite ergibt sich unter anderem daraus, dass islamische Bankprodukte kein hochspekulatives Kapital enthalten dürfen. Einige der konventionellen Banken haben nachgezogen. In ihren Filialen gibt es zumindest einen Schalter für solche Produkte. Wie überall auf der Welt gehorcht das Ganze den Gesetzen des Marktes. So kommt es, dass inzwischen auch in einigen islamischen Ländern die Zahl der nicht–muslimischen Kunden bei diesen Offerten überwiegt."
In Malaysia wird schon jetzt der größte Teil des Finanzwesens nach islamischem Recht abgewickelt. Auch die chinesische Minderheit des Landes betreibt inzwischen an die siebzig Prozent ihrer Bankgeschäfte gemäß Scharia – konformen Richtlinien.
Darüber hinaus gilt Malaysia als Sprungbrett für die begehrten Märkte in China, Indonesien und Indien. Denn von rund 1,5 Milliarden Muslimen weltweit leben knapp 700 Millionen im südasiatischen oder südostasiatischen Umfeld. Ein weiterer Erfolgsgarant sind die sogenannten Sukuk, eine islamische Anleihevariante, die in Malaysia entwickelt und auf den Markt gebracht wurde.
Anders als bei herkömmlichen Anleihen werden Sukuk–Papiere mit Grundstücken oder Immobilien unterlegt. Der Käufer wird dann im wirtschaftlichen Sinne zum Eigentümer dieser Immobilie. Als Entgelt erhält er eine Mietzahlung. Es fallen also keine Zinsen an. Und die Bank fungiert als Zwischenhändler.
Die malaysische Regierung hofft, schon bald einen Teil ihrer Ziele verwirklicht zu sehen: Immerhin umgerechnet zehn Milliarden Euro werden bis Ende des Jahres in die Verbesserung des Transportwesens und in die Energieversorgung geflossen sein. Damit soll die notorisch unterentwickelte Infrastruktur auf Trab gebracht werden. Ein Gutteil des erforderlichen Kapitals stammt aus den Erlösen des Islamic Bankings. Die auf diese Weise erwirtschafteten Vorräte bergen für Malaysia auch einen handfesten politischen Vorteil: Sie machen das Land unabhängiger vom Westen, ins Besondere von den USA.
Khaliq Ahmed Ismail verlässt sein Büro im Management Center der islamischen Universität. Jetzt, am frühen Abend, weht endlich so etwas wie ein kühles Lüftchen durch den Park, an dessen Ende er seinen Landrover abgestellt hat. Am Himmel verabschiedet sich der Tag mit einem letzten Feuerwerk von Farben. Ismail nimmt all das allerdings allenfalls am Rande wahr.
Er möchte gegen Ende des Gesprächs seinen Optimismus in Sachen Malaysia und Islamic Banking doch ein wenig relativieren. Was ihm zum Beispiel Sorge bereite, sagt er, sei die Tatsache, dass die arabischen Golfstaaten im vergangenen Jahr erstmals mehr Sukuk–Papiere verkauft hätten als Malaysia. Besonders Abu Dhabi und Dubai seien Malaysia beim Islamic Banking inzwischen dicht auf den Fersen.
"”Diese Länder sind mittlerweile eifrig dabei, unsere Experten abzuwerben. Darüber hinaus investiert man in die Einrichtung eigener Ausbildungsinstitute für das islamische Bankwesen. Wissen ist immerfort im Fluss. Noch gehören wir zu den Spitzenreitern. Nur - leider können wir uns unsere Kenntnisse nicht patentieren lassen! Immerhin: Wir haben uns gut platziert. Und hier, an unserer Universität, haben wir den Ball ins Rollen gebracht. Von hundert Experten in diesem Metier stammen neunzig aus diesem Hause.""
Auch Saiful Hambali hat seinen Computer ausgeschaltet, seine Unterlagen für den morgigen Tag auf dem Schreibtisch abgelegt und das Licht in seinem Bürozimmer in der " RHB Islamic Bank " gelöscht. Auf dem Weg durchs Treppenhaus kann er den Vorbeter der Moschee auf der gegenüberliegenden Straßenseite hören, der den Gläubigen eindringlich ins Gewissen redet.
Keine Frage, sagt der Scharia – Experte. Um im globalen Wettbewerb vorn zu bleiben, müsse Malaysia den Anderen stets zumindest eine Nasenlänge weit voraus sein. Immer neue, immer innovativere Finanzprodukte müssten her, denn nicht nur die arabische Welt beschreite mittlerweile schon eigene Wege. Auch traditionsreiche Finanzzentren wie London oder Singapur ließen nichts unversucht, sich an der Aufholjagd zu beteiligen. Die Schuldenkrise Dubais könnte sich allerdings als Rückschlag für die Akzeptanz der islamkonformen Finanzprodukte erweisen. Zwar beteuern islamische Gelehrte, auch im Schuldenfall oder bei Immobilienkrisen seien Gläubiger mit den Islamic - Banking - Produkten auf der sicheren Seite.
Bei Zahlungsproblemen sei nämlich eine Umschuldung möglich - der Gläubiger komme also an sein Geld! Westliche Zweifler fürchten aber, dass dann womöglich nicht das international übliche englische Handelsrecht angewandt werde, sondern undurchsichtige islamische Regeln, die viel Spielraum für eine jeweils individuelle Auslegung lassen könnten. Dann blieben die Gläubiger am Ende vielleicht doch auf ihren Schulden sitzen. Saiful Hambali bleibt aber auch im Angesicht der Finanzkrise Dubais optimistisch.
"Selbst unter den sehr strengen Sharia – Richtlinien der GCC können unsere Produkte sich behaupten. Das heißt, auch Saudi Arabien, Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören nach wie vor zu unseren Kunden. Dies wiederum sichert uns bis dato nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit Akzeptanz."