Trigema-Chef fordert Mindestlohn

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Eigentümer des Textilherstellers Trigema, Wolfgang Grupp, hat sich für die Einführung von Mindestlöhnen ausgesprochen. Wenn Unternehmer über einen Mindestlohn gezwungen werden müssten, einen gerechten Lohn zu zahlen, sei der Mitarbeiter davor offensichtlich ausgebeutet worden, sagte Grupp.
Birgit Kolkmann: Kommt der Mindestlohn in der Postbranche oder kommt er nicht? Vergangene Woche hat das Verwaltungsgericht Berlin den ausgehandelten Mindestlohn für nichtig erklärt, weil er zum Teil Tarifvereinbarungen außer Kraft setze. Der Bundesarbeitsminister hält dieses Urteil für nicht haltbar und hat Berufung eingelegt. Aber in der Großen Koalition wird nun wieder gestritten über Sinn und Unsinn der Mindestlöhne. Was hält ein mittelständischer Unternehmer, der im internationalen Wettbewerb steht, von dieser Debatte? Wolfgang Grupp ist Chef des Textilunternehmens Trigema, produziert nur in Deutschland und hält sich zugute, ein besonders sozialer Chef zu sein. Schönen guten Morgen.

Wolfgang Grupp: Einen schönen guten Morgen.

Kolkmann: Herr Grupp, was zahlen Sie Ihren Mitarbeitern.

Grupp: Unsere Mitarbeiter bekommen mit Selbstverständlichkeit das, dass sie damit auch in einem Hochlohnland leben können. Wir stellen ein, und zwar nicht unter acht Euro. Und vor allem denen, die dann eine gute Leistung bringen, muss auch dieser Lohn kurzfristig angehoben werden.

Kolkmann: Das heißt, Ihre Mitarbeiter können von ihrem Lohn leben und brauchen keine Unterstützung vom Staat?

Grupp: Das wäre fatal, denn ich bin auch als Unternehmer verpflichtet in einem Hochlohnland den Mitarbeitern das zu zahlen, was sie brauchen, um in diesem Land zu leben.

Kolkmann: Was halten Sie von den Mindestlöhnen und vor allen Dingen von denen, die jetzt für die Postbranche vereinbart worden waren.

Grupp: Also generell halte ich vom Mindestlohn nichts. Der Mindestlohn, überhaupt die Forderung nach einem Mindestlohn ist im Prinzip ein Armutszeugnis für die Unternehmer, denn wenn ich als Unternehmer über einen Mindestlohn gezwungen werden muss, dem Mitarbeiter den gerechten Lohn für seinen Wohnsitz, wo er lebt, in welchem Land er lebt, zahlen zu müssen, dann heißt das, ich habe ihn ausgebeutet und habe ihm den Lohn nicht gezahlt, den er normal für seine Arbeit erhalten müsste. Wenn das aber so ist, dass das möglich ist, dass man unter dem Mindestlohn bezahlen kann, oder unter dem Existenzminimum, dann brauchen wir einen Mindestlohn, denn ich sehe nicht ein, dass ich Konkurrenz bekomme von anderen Unternehmern, die sich einen Teil des Lohns über die Steuer finanzieren lassen. Deshalb bin ich für einen Mindestlohn, wenn es möglich ist, unter dem Mindestlohn zu zahlen und die Steuer sollte den Rest ausgleichen. Das sehe ich nicht ein, das hat mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Wir müssen gerechte Löhne haben, aber für alle.

Kolkmann: Angeblich soll ja wegen des Postmindestlohns bei den privaten Postanbietern jeder zehnte Job auf dem Spiel stehen. Da könnte der Verdrängungswettbewerb noch schärfer werden. Auch Sie stehen ja in einem solchen Wettbewerb. Wie schaffen Sie es trotzdem, die Löhne zu zahlen, die Sie zahlen, und eben nicht ins Ausland zu gehen?

Grupp: Ich muss Produkte fertigen, das ist meine Aufgabe als Unternehmer, die unserem Heimatland gerecht werden, die auch den höheren Löhnen gerecht werden. Meine Mitarbeiter können keine Massenprodukte fertigen, das dürfen wir nicht. Das ist Aufgabe der Billiglohnländer. Wir müssen innovative Produkte fertigen, wo dann auch die Löhne gerecht sind, denn meine Mitarbeiter sind entsprechend ausgebildet und müssen dafür auch entsprechend eine Arbeit kriegen, die ihrer Ausbildung entsprechen.

Kolkmann: Das heißt, Sie fertigen Qualitätsprodukte, die so von woanders nicht geliefert werden können. Wie könnte man das zum Beispiel übertragen auf die Postbranche, das ist doch immer die gleiche Leistung und Arbeit, die da getan wird, oder?

Grupp: Ich bin sicher, dass bei der Post, wenn sie zum Beispiel jetzt einen für mich überhöhten Mindestlohn gefordert hat, dass dort natürlich die Anforderungen an den einzelnen Postmitarbeiter auch höher ist als bei einer Firma, die jetzt wie PIN oder sonstige Zusteller sind. Vor allem muss dort entsprechend die Zuverlässigkeit und alles das belohnt werden. Wir bekommen von diesen Nicht-Postfirmen Post, wenn das mal von irgendwelchen Leuten genutzt wird. Die dauert oft acht Tage. Es ist also nicht die Zuverlässigkeit da. Und da merkt man gleich, wenn entsprechend auch der Mitarbeiter nicht entsprechend bezahlt wird, dann ist auch die Leistung unter dem, was gefordert werden muss.

Kolkmann: Wie finden Sie es, dass die Bundesregierung einerseits Mindestlöhne für die Postbranche vereinbart, um auch den Mitarbeitern zu helfen, andererseits aber als Staat, als Behörde, wie zum Beispiel die Finanzämter, private Postdienstleister beauftragt wie die PIN AG?

Grupp: Das ist ein Widerspruch in sich. Ich sage mal, das kann es so nicht sein. Ich sage mal auch, das hat Herr Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, ja klar in einer Diskussionsrunde gesagt, dass es fatal ist, dass man in Berlin Ausschreibungen im Prinzip in dieser Form machen muss, dass man den billigsten Anbieter nehmen muss, und dann ist die Zuverlässigkeit nicht gewährleistet. Das finde ich nicht gut. Auch der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn er Mindestlohn fordert, dann darf er auch keine Aufträge an die anderen geben, die diesen Mindestlohn nicht bezahlen.

Kolkmann: Wie verstehen Sie nun das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts? Hat es den Mindestlohn als solchen gekippt oder nur den Mindestlohn in dieser Höhe?

Grupp: Der Mindestlohn ist nicht durch das Verwaltungsgericht gekippt worden, sondern der Mindestlohn ist nur in dieser Höhe gekippt worden, weil das ist nun tatsächlich kein Mindestlohn. Wir müssen unter Mindestlohn auch den richtigen Mindestlohn verstehen, das heißt Existenzminimum. Der kann aber nicht bei 9,80 Euro oder vielleicht bei 8,50 Euro liegen, sondern der muss ein bisschen niedriger liegen, sodass wir mit dem Mindestlohn das Existenzminimum absichern. Und ich glaube, das ist vom Verwaltungsgericht gemeint worden. Da hat es auch Recht, diese hohen Mindestlöhne darf es nicht geben, denn dann sind sie keine Mindestlöhne mehr.

Kolkmann: Hat sich da die Post als ehemaliger Staatskonzern einen Vorteil verschafft?

Grupp: Das kann ich nicht beurteilen. Das steht mir nicht zu. Aber man könnte es meinen, wenn man von außen es anschaut, dass man sagt, man hat mit diesem Mindestlohn sich im Prinzip die Monopolstellung sichern wollen. Aber das dürfte so nicht sein. Wobei ich mich natürlich frage, wie eine Post das bezahlen kann, wenn im Prinzip dieser Mindestlohn von der Konkurrenz gesagt wird, dass er zu hoch ist, denn dann könnte er ja über das Porto nicht finanziert werden. Aber das sind Dinge, die müssen von der Post geklärt werden. Aber sicher hat es den Anschein, dass man sich hier die Monopolstellung erhalten wollte. Und deshalb ist es richtig, dass dieser Mindestlohn in dieser Form gekippt wird und er zum echten Mindestlohn erklärt wird.