Trockene Abhandlung eines spannenden Lebens
Stefan Zweig war zu Lebzeiten ein von den Lesern geliebter Auflagenkönig, doch der vom Erfolg verwöhnte Schriftsteller musste als Jude bei Machtantritt der Nazis ins Exil gehen und wählte 1942 in Brasilien den Freitod. Oliver Matuschek bietet in seiner Zweig-Biografie eine Fülle neuen Materials, erzählt aber angesichts dieses spannenden Lebens etwas zu trocken.
Mit dem Namen Stefan Zweig verbindet sich eine der sonnigsten Schriftstellerkarrieren des letzten Jahrhunderts. Schier unaufhaltsam setzte er sich durch, sein Erfolg war überwältigend. Er war ein von den Lesern geliebter Auflagenkönig, mühelos legte er alljährlich seine Novellen, Theaterstücke und historischen Biographien vor (sie vor allem wurden sein Markenzeichen). Auch sein internationaler Ruhm zu Lebzeiten war nur noch mit dem Thomas Manns zu vergleichen. Zugleich aber lief das Leben des Stefan Zweig auf eine Tragödie zu. Als Jude seit 1933 zunehmend angefeindet und schließlich zu einer rastlosen Existenz im Exil gezwungen, beging er 1942 in Brasilien gemeinsam mit seiner zweiten Frau Selbstmord.
Kein Zweifel, dieses Leben ist eine dankbare Vorlage. Zum 125. Geburtstag Zweigs hat Oliver Matuschek eine Biographie verfasst, die zum Gründlichsten und Kenntnisreichsten gehört, was über diesen Autor bisher geschrieben wurde. Mit dem Titel "Drei Leben" folgt Matuschek dabei einer Vorgabe Zweigs, der seine Autobiografie zunächst so nennen wollte (sie erschien dann unter dem Titel "Die Welt von Gestern").
Der erste Abschnitt umfasst die Jahre von 1881, als Zweig als Sohn eines Webereibesitzers in die Welt des gehobenen Wiener Bürgertums hineingeboren wurde, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Das zweite Leben ist dann das des etablierten Erfolgsautors, der in Salzburg fürstlich residierte; das dritte beginnt mit dem Machtantritt der Nazis, genauer: mit der Hausdurchsuchung im Februar 1934, ein Schock für Zweig, nach dem er Österreich verliess.
Die Qualität von Schriftsteller-Biografien bemisst sich nicht zuletzt daran, ob es ihnen gelingt, Leben und Werk überzeugend zu vermitteln. Bei Matuschek bleiben die Werke deutlich am Rand. Das liegt zum einen daran, dass Zweig, anders als etwa Thomas Mann, kein autobiografisch operierender Autor war. Während es sich bei diesem geradezu anbietet, "Buddenbrooks" oder "Doktor Faustus" mit dem Leben parallelzulesen, erlaubt das historische Erzählen Zweigs kaum Rückschlüsse auf den Verfasser und ist deshalb auch für den Biografen schwerer zu integrieren.
Vor allem aber ist die Qualität der Prosa Stefan Zweigs ungeachtet ihrer bis heute anhaltenden Beliebtheit seit je umstritten. Anfechtbar ist ihr adjektivtrunkenes, orgelndes Pathos, ihre Gier nach starken Situationen, vermeintlichen Schlüsselmomenten und "Sternstunden", die ein ganzes Leben erleuchten sollen. Zudem war Zweig ein Schnellschreiber, der sich manche sprachliche Schludrigkeit zuschulden kommen ließ. Sein Publikum störte dies kaum; die oft neiderfüllten Schriftstellerkollegen dagegen amüsierten sich hinter vorgehaltener Hand gern darüber. Das wird auch in einigen Zitaten deutlich, die Matuschek liefert - er selbst hält sich mit kritischen Einschätzungen zurück, vielleicht um die Bedeutung seines Gegenstandes nicht zu schmälern.
Das ist bedauerlich, denn gerade das "Phänomen" Stefan Zweig ist einer Analyse wert, die dieses Buch leider nur in Ansätzen bietet. Am ehesten zeigt Matuschek, wie souverän Zweig seinen Erfolg selbst organisiert hat. Er verstand es, Marketing in eigener Sache zu betreiben und kontrollierte auf Lesereisen oder anlässlich von Theaterpremieren stets genau, ob die örtlichen Buchhandlungen ausreichend mit seinen Werken bestückt waren.
Der Arbeitseifer gehört zu den hervorstechenden Zügen Zweigs. Schon als lese- und schreibbegeisterter Schüler gönnte er sich nicht mehr als fünf Stunden Schlaf. Mit sechzig fühlte er sich dann ausgebrannt. Diese Erschöpfungsdepression, verbunden mit einer starken Angst vor dem Alter, war neben den Unwirtlichkeiten des Exils und der Verzweiflung über den Zweiten Weltkrieg wohl ein wichtiger Grund für den Entschluss zum Freitod.
Leise relativiert wird der Pazifismus Stefan Zweigs. Bevor er sich in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs zu solchen Anschauungen durchringen konnte, hatte auch er anfangs in der deutsch-österreichischen Propaganda publizistischen Kriegsdienst geleistet - "staatlich angeordnete Schönfärberei" nennt es Matuschek.
Zweig war sehr zurückhaltend, was Äußerungen über das eigene Leben anging. Die Deutungshoheit hatte nach seinem Tod die erste Ehefrau Friderike Zweig. Ihre Darstellungen, mit denen sie nicht zuletzt ihre eigene Rolle aufzuwerten suchte, sind jedoch nicht frei von Verschleierungen und geschickten Manipulationen. Matuschek kann auf der Basis neuer Forschungen und Quellenfunde - zu denken ist vor allem an die unveröffentlichten Briefe des mit Friderike Zweig zerstrittenen Bruders Alfred Zweig - manches richtigstellen. Informationslücken versucht er nicht durch Spekulationen zu schließen. Darin unterscheidet er sich deutlich vom Biografen Stefan Zweig.
Auch auf Darstellungskunst legt Matuschek eher wenig Wert; seine Qualität liegt in der akribischen Recherche. Das Buch ist in einem trockenen, sachlichen Ton gehalten; vor abgegriffenen Wendungen scheut es gelegentlich nicht zurück. Dennoch wird, wer über das spannende Leben Stefan Zweigs lesen möchte, kein besser informiertes Werk finden.
Rezensiert von Wolfgang Schneider
Oliver Matuschek: Drei Leben. Stefan Zweig. Eine Biographie
S. Fischer 2006
404 S., 19,90 Euro
Kein Zweifel, dieses Leben ist eine dankbare Vorlage. Zum 125. Geburtstag Zweigs hat Oliver Matuschek eine Biographie verfasst, die zum Gründlichsten und Kenntnisreichsten gehört, was über diesen Autor bisher geschrieben wurde. Mit dem Titel "Drei Leben" folgt Matuschek dabei einer Vorgabe Zweigs, der seine Autobiografie zunächst so nennen wollte (sie erschien dann unter dem Titel "Die Welt von Gestern").
Der erste Abschnitt umfasst die Jahre von 1881, als Zweig als Sohn eines Webereibesitzers in die Welt des gehobenen Wiener Bürgertums hineingeboren wurde, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Das zweite Leben ist dann das des etablierten Erfolgsautors, der in Salzburg fürstlich residierte; das dritte beginnt mit dem Machtantritt der Nazis, genauer: mit der Hausdurchsuchung im Februar 1934, ein Schock für Zweig, nach dem er Österreich verliess.
Die Qualität von Schriftsteller-Biografien bemisst sich nicht zuletzt daran, ob es ihnen gelingt, Leben und Werk überzeugend zu vermitteln. Bei Matuschek bleiben die Werke deutlich am Rand. Das liegt zum einen daran, dass Zweig, anders als etwa Thomas Mann, kein autobiografisch operierender Autor war. Während es sich bei diesem geradezu anbietet, "Buddenbrooks" oder "Doktor Faustus" mit dem Leben parallelzulesen, erlaubt das historische Erzählen Zweigs kaum Rückschlüsse auf den Verfasser und ist deshalb auch für den Biografen schwerer zu integrieren.
Vor allem aber ist die Qualität der Prosa Stefan Zweigs ungeachtet ihrer bis heute anhaltenden Beliebtheit seit je umstritten. Anfechtbar ist ihr adjektivtrunkenes, orgelndes Pathos, ihre Gier nach starken Situationen, vermeintlichen Schlüsselmomenten und "Sternstunden", die ein ganzes Leben erleuchten sollen. Zudem war Zweig ein Schnellschreiber, der sich manche sprachliche Schludrigkeit zuschulden kommen ließ. Sein Publikum störte dies kaum; die oft neiderfüllten Schriftstellerkollegen dagegen amüsierten sich hinter vorgehaltener Hand gern darüber. Das wird auch in einigen Zitaten deutlich, die Matuschek liefert - er selbst hält sich mit kritischen Einschätzungen zurück, vielleicht um die Bedeutung seines Gegenstandes nicht zu schmälern.
Das ist bedauerlich, denn gerade das "Phänomen" Stefan Zweig ist einer Analyse wert, die dieses Buch leider nur in Ansätzen bietet. Am ehesten zeigt Matuschek, wie souverän Zweig seinen Erfolg selbst organisiert hat. Er verstand es, Marketing in eigener Sache zu betreiben und kontrollierte auf Lesereisen oder anlässlich von Theaterpremieren stets genau, ob die örtlichen Buchhandlungen ausreichend mit seinen Werken bestückt waren.
Der Arbeitseifer gehört zu den hervorstechenden Zügen Zweigs. Schon als lese- und schreibbegeisterter Schüler gönnte er sich nicht mehr als fünf Stunden Schlaf. Mit sechzig fühlte er sich dann ausgebrannt. Diese Erschöpfungsdepression, verbunden mit einer starken Angst vor dem Alter, war neben den Unwirtlichkeiten des Exils und der Verzweiflung über den Zweiten Weltkrieg wohl ein wichtiger Grund für den Entschluss zum Freitod.
Leise relativiert wird der Pazifismus Stefan Zweigs. Bevor er sich in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs zu solchen Anschauungen durchringen konnte, hatte auch er anfangs in der deutsch-österreichischen Propaganda publizistischen Kriegsdienst geleistet - "staatlich angeordnete Schönfärberei" nennt es Matuschek.
Zweig war sehr zurückhaltend, was Äußerungen über das eigene Leben anging. Die Deutungshoheit hatte nach seinem Tod die erste Ehefrau Friderike Zweig. Ihre Darstellungen, mit denen sie nicht zuletzt ihre eigene Rolle aufzuwerten suchte, sind jedoch nicht frei von Verschleierungen und geschickten Manipulationen. Matuschek kann auf der Basis neuer Forschungen und Quellenfunde - zu denken ist vor allem an die unveröffentlichten Briefe des mit Friderike Zweig zerstrittenen Bruders Alfred Zweig - manches richtigstellen. Informationslücken versucht er nicht durch Spekulationen zu schließen. Darin unterscheidet er sich deutlich vom Biografen Stefan Zweig.
Auch auf Darstellungskunst legt Matuschek eher wenig Wert; seine Qualität liegt in der akribischen Recherche. Das Buch ist in einem trockenen, sachlichen Ton gehalten; vor abgegriffenen Wendungen scheut es gelegentlich nicht zurück. Dennoch wird, wer über das spannende Leben Stefan Zweigs lesen möchte, kein besser informiertes Werk finden.
Rezensiert von Wolfgang Schneider
Oliver Matuschek: Drei Leben. Stefan Zweig. Eine Biographie
S. Fischer 2006
404 S., 19,90 Euro