Fremdenfeindlichkeit in Ost und West
Das bayrische Tröglitz heißt Vorra. Auch hier wurde vor vier Monaten geplantes Asylbewerberheim angezündet. Trotzdem ist im Freistaat vieles anders und die Bürger sind besser auf Flüchtlinge eingestellt, kommentiert Bayern-Korrespondent Michael Watzke.
Tröglitz kennt mittlerweile jeder. Aber haben Sie schon mal von Vorra gehört? Nein? Dabei ist das mittelfränkische Örtchen Vorra sozusagen das bayerische Tröglitz. In Vorra brannte vor vier Monaten ein geplantes Asylbewerber-Heim ab. Anders als in Tröglitz hatten die Brandstifter in Vorra sogar Hakenkreuze auf das noch leerstehende Gebäude geschmiert. Die Polizei hat die mutmaßlichen Neonazi-Täter bis heute nicht gefunden. Das verbindet Vorra in Bayern mit dem 200 Kilometer entfernten Tröglitz in Sachsen-Anhalt.
Wer also behauptet, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt gegen Fremde sei ein vornehmlich ostdeutsches Phänomen, der tut nicht so sehr den Ostdeutschen unrecht – vielmehr verharmlost er das Problem im Süden der Republik. In Bayern gibt es laut einer Studie der Uni Leipzig fast ebenso viel offene und latente Ausländerfeindlichkeit wie in Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern.
Und doch ist der Freistaat im Süden nur bedingt mit den ostdeutschen Bundesländern vergleichbar. Es gibt Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede.
Tröglitz erlangte deshalb zweifelhafte Berühmtheit, weil dem Brandanschlag ein Anschlag auf die persönliche Freiheit des örtlichen Bürgermeisters vorausging. Und der resignierte, weil Rechtsextreme in Tröglitz und anderen ostdeutschen Gemeinden mittlerweile ein schwer zu ignorierender Machtfaktor sind. Die NPD und andere Neonazis bestimmen die kommunale Politik mit. Manchmal entsteht sogar der Eindruck, als sympathisiere die schweigende Mehrheit mit Rechtsextremisten.
Das ist in Bayern nicht so, noch nicht. Und die Gefahr, dass es so kommen könnte, ist geringer als im Osten der Republik. Aus mehreren Gründen.
Bayerische Kommunen können Flüchtlingshilfe leichter finanzieren
Erstens: Bayerns Kommunen haben genug finanzielle Mittel, um die Flüchtlingswelle zu bewältigen. Geld kann zwar nicht alle, aber doch viele Probleme lösen, die die Kommunen vor Ort mit der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern haben. In Bayern gibt es mehr Sozialberater und Betreuer für die Flüchtlinge als in ostdeutschen Gemeinden. Das steigert zwar nicht automatisch die Akzeptanz in der Bevölkerung, aber es mindert Härten – auch für die Nachbarn und Anwohner von Flüchtlings-Unterkünften. Deshalb ist es richtig, dass der Bund die Kommunen nun finanziell entlasten will.
Zweitens: In Bayern gehen nicht nur die Behörden, sondern auch ein Großteil der Bevölkerung pragmatischer mit dem Thema Zuwanderung um als im Osten. Vielleicht, weil es hier schon mehr und längere Erfahrung mit Zuwanderern gibt. In bayerischen Aufnahme-Einrichtungen findet man viele ehrenamtliche Helfer, die sich mit vollem Einsatz für die Flüchtlinge engagieren. Manche dieser Helfer finden, dass Deutschland noch viel mehr Flüchtlinge aufnehmen solle. Andere beantworten die Frage, ob es in Deutschland zu viel Zuwanderung gibt, mit Ja. Das hält sie nicht davon ab, sich für die Integration der Flüchtlinge einzusetzen, die da sind.
Wenn Fachkräfte gebraucht werden, wird man ihr Haus nicht anzünden
Das ist jene Pragmatik, die in vielen ostdeutschen Kommunen offenbar fehlt. Dort engagieren sich viele Bürger, die die Zuwanderung skeptisch bis feindlich betrachten, bei Aktionen gegen Zuwanderer. Zum Beispiel bei Pegida. Vielleicht hat das mit fehlendem Selbstbewusstsein zu tun: Wer sich seiner selbst nicht sicher ist, wer Angst hat vor Arbeitsplatzverlust und Kultur-Untergang, der neigt eher dazu, Fremden die Schuld an seiner eigenen Unsicherheit zu geben. Die prekäre Wirtschaftslage in manchen ostdeutschen Kommunen mag dieses Gefühl noch steigern.
Und hier liegt der dritte Grund, warum in Bayern manches besser, wenn auch längst nicht perfekt läuft: Weil der Freistaat wirtschaftlich gut dasteht, weil hier Arbeitskräfte eher gesucht als abgebaut werden, sehen Industrie und Handwerk die Flüchtlinge mehr als Chance denn als Last. Es gibt viele Beispiele von erfolgreichen Asylbewerbern, die als Facharbeiter aus der bayerischen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken sind. Und wer mit einem Flüchtling zusammenarbeitet, der wird ihn nicht in seine alte Heimat zurückwünschen – und schon gar nicht sein Haus anzünden.