Trösten als Ursprung von Sprache
Die amerikanische Anthropologin Dean Falk legt in ihrem Buch "Wie die Menschheit zur Sprache" dar, dass die Sprachwurzel im beruhigenden Singsang der Mütter für ihre weinenden Kinder liegt. Für sie entspringt auch die Musik und die Kunst der urzeitlichen Mutter-Kind-Kommunikation.
Man kennt ihren Schädelumfang und weiß, dass sie einen Kehlkopf besaßen. Sie hätten also durchaus sprechen können. Doch wie sich unsere Vorfahren vor rund sieben Millionen Jahren verständigt haben, wann sie begannen, Sätze zu formen, das erschließen die Funde der Paläoanthropologen nicht.
Entsprechend heftig ist die Debatte über die Ursprünge des Sprechens. Viele Linguisten gehen davon aus, dass sich Sprache aus Tierlauten entwickelt hat. Für andere ist Sprache das Nebenprodukt des Denkens. Eine der gängigen Sprachentwicklungstheorien lautet, die Männer hätten sich bei der Jagd verständigen wollen. All dem widerspricht jetzt die amerikanische Anthropologin Dean Falk in ihrem neuen Buch "Wie die Menschheit zur Sprache fand". Sie ist davon überzeugt, dass die gemeinsame Sprachwurzel im beruhigenden Singsang der Mütter liegt, die ihre Kinder nicht ständig am Körper herumtragen konnten.
Die amerikanische Wissenschaftlerin holt weit aus, um ihre Argumentation zu stützen. Sie zitiert aus zahlreichen Forschungsstudien so verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie der Zoologie, der Verhaltensforschung, der Ethnologie, der Neurobiologie. Dean Falk beginnt bei unseren nächsten Verwandten, den Affen. Wie bei den Menschen ist auch bei ihnen Körperkontakt zwischen Mutter und Kind extrem wichtig. Doch Affenmütter müssen ihre Neugeborenen nur kurze Zeit schützend festhalten, danach klammern sich die Jungen selbst am Fell der Mütter fest und die können ungestört auf Nahrungssuche gehen. Die Affenjungen sind zufrieden und schweigen.
Anders beim Mensch. Sprache musste sich entwickeln, so Dean Falk, weil die Mütter ihre Kinder beruhigen wollten, wenn sie sie abgelegt haben, um Früchte und Körner zu sammeln, denn die Babys hatten die Fähigkeit verloren, sich an der Mutter festzuhalten. Nun beschweren sich Säuglinge bis heute lautstark über den Verlust des Körperkontakts. In einer Umwelt, in der überall Feinde lauerten, war das damals lebensgefährlich. Also fingen die Mütter an zu summen und zu lallen, um ihren Nachwuchs zu beruhigen. Daraus bildeten sich, so Dean Falks These, im Verlaufe der Evolution allmählich Silben und Worte, dann ganze Sätze - eine Entwicklung, wie sie Babys heute in den ersten Jahren sozusagen im Schnellverfahren durchlaufen. Mit den Kindern und ihren Müttern ging das Erlernte in den Besitz der Gemeinschaft über.
Die Neurobiologie stützt diese These, denn die Gehirnareale für diese sogenannte Ammensprache sind uralt. Als Beweis gilt der Anthropologin zudem, dass alle Völker, alle Sprachen solche tröstenden, beruhigenden Wörter kennen.
Dean Falks klare und leicht nachvollziehbare Beweisführung leuchtet ein. Allerdings bleibt sie nicht beim Ursprung des Sprechens stehen. Für sie entsprang auch die Musik dieser urzeitlichen Mutter-Kind-Kommunikation. Der Tonfall ist für sie die Musik der Sprache. Selbst die Kunst versucht sie daraus abzuleiten. Das klingt dann nicht mehr so überzeugend, scheint doch allzu eindimensional gedacht. Doch das schmälert ihre Entdeckung nicht, dass der Mutter-Kind-Dialog die Menschheit zum Sprechen brachte.
Besprochen von Johannes Kaiser
Dean Falk: Wie die Menschheit zur Sprache fand - Mütter, Kinder und der Ursprung des Sprechens,
aus dem Englischen Susanne Kuhlmann-Krieg,
Deutsche Verlags-Anstalt 2010, 320 Seiten, 24,99 Euro
Entsprechend heftig ist die Debatte über die Ursprünge des Sprechens. Viele Linguisten gehen davon aus, dass sich Sprache aus Tierlauten entwickelt hat. Für andere ist Sprache das Nebenprodukt des Denkens. Eine der gängigen Sprachentwicklungstheorien lautet, die Männer hätten sich bei der Jagd verständigen wollen. All dem widerspricht jetzt die amerikanische Anthropologin Dean Falk in ihrem neuen Buch "Wie die Menschheit zur Sprache fand". Sie ist davon überzeugt, dass die gemeinsame Sprachwurzel im beruhigenden Singsang der Mütter liegt, die ihre Kinder nicht ständig am Körper herumtragen konnten.
Die amerikanische Wissenschaftlerin holt weit aus, um ihre Argumentation zu stützen. Sie zitiert aus zahlreichen Forschungsstudien so verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie der Zoologie, der Verhaltensforschung, der Ethnologie, der Neurobiologie. Dean Falk beginnt bei unseren nächsten Verwandten, den Affen. Wie bei den Menschen ist auch bei ihnen Körperkontakt zwischen Mutter und Kind extrem wichtig. Doch Affenmütter müssen ihre Neugeborenen nur kurze Zeit schützend festhalten, danach klammern sich die Jungen selbst am Fell der Mütter fest und die können ungestört auf Nahrungssuche gehen. Die Affenjungen sind zufrieden und schweigen.
Anders beim Mensch. Sprache musste sich entwickeln, so Dean Falk, weil die Mütter ihre Kinder beruhigen wollten, wenn sie sie abgelegt haben, um Früchte und Körner zu sammeln, denn die Babys hatten die Fähigkeit verloren, sich an der Mutter festzuhalten. Nun beschweren sich Säuglinge bis heute lautstark über den Verlust des Körperkontakts. In einer Umwelt, in der überall Feinde lauerten, war das damals lebensgefährlich. Also fingen die Mütter an zu summen und zu lallen, um ihren Nachwuchs zu beruhigen. Daraus bildeten sich, so Dean Falks These, im Verlaufe der Evolution allmählich Silben und Worte, dann ganze Sätze - eine Entwicklung, wie sie Babys heute in den ersten Jahren sozusagen im Schnellverfahren durchlaufen. Mit den Kindern und ihren Müttern ging das Erlernte in den Besitz der Gemeinschaft über.
Die Neurobiologie stützt diese These, denn die Gehirnareale für diese sogenannte Ammensprache sind uralt. Als Beweis gilt der Anthropologin zudem, dass alle Völker, alle Sprachen solche tröstenden, beruhigenden Wörter kennen.
Dean Falks klare und leicht nachvollziehbare Beweisführung leuchtet ein. Allerdings bleibt sie nicht beim Ursprung des Sprechens stehen. Für sie entsprang auch die Musik dieser urzeitlichen Mutter-Kind-Kommunikation. Der Tonfall ist für sie die Musik der Sprache. Selbst die Kunst versucht sie daraus abzuleiten. Das klingt dann nicht mehr so überzeugend, scheint doch allzu eindimensional gedacht. Doch das schmälert ihre Entdeckung nicht, dass der Mutter-Kind-Dialog die Menschheit zum Sprechen brachte.
Besprochen von Johannes Kaiser
Dean Falk: Wie die Menschheit zur Sprache fand - Mütter, Kinder und der Ursprung des Sprechens,
aus dem Englischen Susanne Kuhlmann-Krieg,
Deutsche Verlags-Anstalt 2010, 320 Seiten, 24,99 Euro