Der Jazz-Ausprobierer
Als Teil des Duos "Tab Two" war Trompeter Joo Kraus international erfolgreich. Inzwischen ist Joo Kraus auf Solopfaden unterwegs, probiert aber ständig Neues aus: Kooperationen mit Philharmonieorchester oder Big Band sind nichts Ungewöhnliches für ihn.
"Ich hab schon lang dran gedacht, entweder mit 'nem Streichquartett oder mit Orchester was zu machen. Und mich auch ein bisschen auszuprobieren. Zu schreiben für Streicher, ja. Ich hatte schon für Quartett öfter mal geschrieben, aber für'n größeres Ensemble eben nicht, und dann dachte ich : Mensch, das ist meine Chance. Und dann hatte ich total Feuer gefangen, dann war ich angefixt."
Wie auf Droge lief Joo Kraus im Frühsommer regelmäßig ins Theater seiner Heimatstadt Ulm. Vor der abendlichen Vorstellung konnte er dort mit dem Philharmonischen Orchester und dessen Konzertmeister Tamaz Füzesi seine Arrangements ausprobieren.
"Dann hab ich gesagt, Mensch Tamaz, habt ihr noch mal zehn Minuten vor eurer Turandot-Vorstellung, könnte ich nochmal mit euch im Orchestergraben das anspielen, meine Sachen."
Auf dem neuen Album "Joo & Strings" werden vor allem Balladen zu hören sein. Darunter: Zwei Sting-Titel, eine ruhige Fassung von Michael Jacksons "Beat it" und Maurice Ravels "Pavane für eine verstorbene Prinzessin". Joo Kraus hat aber auch eine Hip-Hop-Nummer geschrieben, weil er herausfinden wollte, wie die mit einem Streichorchester klingt.
Als Tonträger herauskommen soll das erst im nächsten Jahr, denn im Moment produziert Joo Kraus schneller, als seine Plattenfirma veröffentlichen kann. Gerade ist eine Live-Aufnahme seines Projektes mit dem Pianisten Omar Sosa und dem Perkussionisten Gustavo Ovalles erschienen und am 29. Januar gibt es das nächste Album mit der SWR-Bigband. Am Rande eines Bigband-Konzertes in Tübingen bekommt Joo Kraus von seinem Label Chef Bernd Skibbe den goldenen Jazz Award verliehen, für 10.000 verkaufte Exemplare des Vorgängeralbums "Public Jazz Lounge".
Neue Türen für das Bigband-Genre
"Ich erinnere mich noch sehr genau: 2003, die ersten Demos, die wir bekamen, und wir waren alle elektrisiert, weil es einfach für das Bigband-Genre neue Türen aufgemacht hat."
Der so Geehrte wirkt ein wenig erschöpft: Drei-Tage-Bart, Ringe unter den Augen. Aber mit der gewohnten Freundlichkeit rückt der zierliche, agile Joo Kraus in seiner Garderobe die Stühle fürs Interview zurecht.
Es ist arg viel los in dieser Vorweihnachtszeit, neben all den Plattenaufnahmen hat Joo Kraus "The Black Rider" von Tom Waits musikalisch eingerichtet, eine moderne Version der "Freischütz"-Oper. Für das kleine Ulmer Theater hat Kraus sich auf ein Quartett beschränkt. Bis zum Jahresende muss er dafür noch sieben Mal selbst im Orchestergraben stehen.
"Ich bin ja so'n bunter Hund, so'n bunter Vogel. Vielleicht habe ich da auch manchmal zu wenig Style. Oder zu viele Stile auf einmal."
Elegant wirkt er immer. Für das Bigband-Konzert erscheint Joo Kraus im maßgeschneiderten grauen Anzug, privat trägt er die abgewetzte schwarze Lederjacke zur Jeans. Genau so hat er die Arrangements mit dem Streichorchester geprobt, bis jede Note saß. Doch daneben genießt er die freie Improvisation mit Pianist Omar Sosa.
"Mit Omar ist es so, dass man probt beim Soundcheck, und dann sagt er: Aber das spielen wir heute gar nicht. Und dann sagt er, aber schau mal hier, und dann gibt er dir irgendwelche Noten, die man nicht lesen kann, das ist furchtbar, handschriftlich, spiel mal hier, genau spiel mal, mhm, ah du liest ja super, und dann üb ich das wieder, und dann sagt er aber vorm Konzert: Ach komm, wir spielen heut einfach so."
Der perfektionistische Tüftler und der Live-Abenteurer
Für Joo Kraus war das nach den vielen Jahren, in denen er mit dem Bassisten Helmut Hattler als Duo "Tab Two" aufgetreten war, eine ungeheure Herausforderung: In den Auftritten mit Hattler war alles genau abgezirkelt gewesen, jeder Takt abgesprochen und abgemessen. Die Befreiung aus dem Korsett machte ihm zunächst Angst. Doch dann...
"Hab ich gemerkt, es funktioniert. Du kannst einfach auf die Bühne gehen. Hab ich unglaublich viel gelernt. Einfach zu spielen, Hauptsache, die Energie stimmt."
Die verschiedenen Seiten, Joo, der perfektionistische Tüftler und Joo, der Live-Abenteurer, kommen zusammen beim Album "Joo & Jazz". Auch das noch ohne Erscheinungstermin, nur so viel steht fest, im März wird er mit seinem Trio proben, wie sich das im Konzert spielen lässt, wofür er acht Monate lang im Studio gebastelt hat.
"Mit Keyboards rumzuprobieren oder selber zu programmieren, hatte ich einfach, ich glaub, zehn Jahre keine wirklich Lust drauf. Und jetzt hab ich wieder Lust gehabt. Und deswegen ist das Album auch so'n Elektro-Pop-Jazz-Ausprobier-Album geworden."
"Ich hatte auch Lust zu singen, aber eigentlich nur ein bisschen, und hab dann aber die Kurve gekriegt, wie ich meine Stimme einsetzen kann. Ich mein, Trompete, da weiß ich ja schon, das is cool, und das kann ich, aber bei Gesang bin ich einfach ganz unsicher."
So fängt Joo Kraus kurz vor seinem 50. Lebensjahr noch einmal etwas Neues an. Und wer weiß, wo ihn das hinbringt. Eine Professur an einer Musikhochschule, das wäre schon schön. Aber ohne festes Einkommen geht es auch. Er hat schließlich gelernt, die Bühne zu betreten, ohne im Voraus zu wissen, was gespielt wird.