Tropenfrüchte aus Oberfranken

Das Land, wo die Papayas blühen

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Ralf Schmitt, Wissenschaftlicher Leiter des Tropenhauses am Rennsteig, begutachtet einen der Papayabäume des Hauses.
Vielleicht müssen Papayas bald nicht mehr eingeflogen werden. Ralf Schmitt fährt schon beachtliche Ernten ein. © picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Von Susanne Lettenbauer |
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Kommen Mangos, Papayas und Co. bald umweltfreundlich direkt aus Deutschland? In Oberfranken gedeihen die Früchte bereits in Gewächshäusern. Für Tropenklima sorgt Abwärme aus Glasfabriken. Ein Projekt, das auch in anderen Bundesländern funktionieren könnte.
"Herzlich willkommen im Tropenhaus am Rennsteig. Wir sind hier jetzt am nördlichsten Zipfel des Landkreises Kronach. Wir haben nur zwei Kilometer nach Thüringen, wir sind wirklich an der Nordspitze von Bayern und dann natürlich auch in Kleinsibirien, also einem der kältesten Orte von Bayern."
Ralf Schmitt erwartet uns vor seinem Tropenhaus in dem Örtchen Kleintettau. Die nächsten Häuser mit Namen "Steinbach im Wald" oder "Ludwigstadt hinterm Hügel" sind nur über kleine Straßen quer durchs Nirgendwo erreichbar. Bis 1989 war das hier absolutes Grenzgebiet. Hier fährt man nicht einfach vorbei, sondern bewusst hin. Zu einem riesigen Gewächshaus, dass man sogar in Brüssel kennt und fördert.

Fördermittel aus Brüssel

Denn das Gewächshaus ist CO2-neutral gebaut. Ein EU-Forschungsprojekt für den kommerziellen Anbau von Tropenfrüchten in Europa. Und das wegen der ebenfalls riesigen Glasfabrik unterhalb in der Senke: "Die Glasfabrik, von der wir die Abwärme beziehen, liegt auf der anderen Seite, weil wir hier am Rennsteig im Umkreis von zehn Kilometern drei große Glashütten haben", erläutert Ralf Schmitt. "Die für das Verpackungsglas. Die Glas für die Parfümerien und Kosmetikindustrie machen. Und einmal eine, die Behälterglas macht: Weinflaschen, Bierflaschen, jegliches Behälterglas für Lebensmittel und Co."
"Es ist ein normales Gewächshaus, wie man aus einem Gartencenter oder Gärtnerei kennt. Es ist ein handelsübliches Gewächshaus. Das einzige ist, wenn wir hoch ins Dach schauen, das ist ein Spezialglas. Das ist ein sogenanntes diffuses Glas, das heißt, es hat auf der Oberfläche einen Facettenschliff, dass das Licht, das eindringt, nicht wie bei einem normalen Fensterglas wieder einen hohen Reflexionswert hat, sondern so ähnlich wie bei einem Prisma. Oder wenn man sich ein Insektenauge vorstellt, bricht sich das Licht mehrfach, deswegen schaffen wir hier drinnen relativ zügig einen natürlichen Treibhauseffekt zum Aufheizen und stellen den Pflanzen ein höheres Lichtspektrum zur Verfügung", berichtet Schmitt.

Kaffeeplantagen am Gewächshauseingang

Am Eingang des weitläufigen Gewächshauses begrüßen uns drei Meter hohe Büsche mit den charakteristischen roten Kaffeekirschen. Drei Kilogramm grüne Kaffeebohnen wurden hier schon geerntet, sagt Ralf Schmitt. Ein riesiger Aufwand, alles per Hand bestäubt und geerntet. Komplett bio.
Wirtschaftlich ist das - noch - nicht, räumt Schmitt ein, eher: "Zum Zeigen bei Führungen. Weil, mit Kaffee ist schon jeder mal in Berührung gekommen. Dass man mal erklären kann, wie der Anbau in den Tropen so läuft. Deshalb haben wir das so heckenmäßig angelegt, wie zum Beispiel in Kolumbien. Die brauchen zum Herbst jetzt noch einen Schnitt."
Im Inneren des Gewächshauses herrschen angenehme 25 Grad. Die Luftfeuchte beträgt 70 Prozent. T-Shirt-Wetter. Gegenüber den Kaffeebäumen sind großblättrige Maracuja-Pflanzen auf Seile gezogen, eine kleine Passionsfrucht-Plantage mit grünen Früchten, die Besucher, Anwohner oder Hoteliers im tropenhauseigenen Laden kaufen können.

Exotische Früchte für die Sternegastronomie

Die frischen Blätter der Kaffernlimette verkauft der gelernte Gärtner Schmitt an die Sternegastronomie, die sonst aus rechtlichen Gründen auf gefrorene oder getrocknete Importe angewiesen ist. Daneben zwei Mangobäume, Zitronen- und Fingerlimettenbäume, Guaven und Papaya - tropische Zustände.
Detailaufnahme einer Papaya-Pflanze mit reifen Früchten.
Auch Sterneköche sind angetan von den fränkischen Papayas.© picture alliance / dpa / Nicolas Armer
"Also richtig gut funktioniert Sternfrucht, richtig gut funktioniert Papaya und richtig gut funktioniert die Guave. Dann haben wir auch sehr gute Erfolge mit Jackfrucht und natürlich Maracuja. Wobei die Maracuja am arbeitsintensivsten ist. Aber Sternfrucht, Papaya und Guave, die müssen nur gut gepflegt werden, müssen nur gut geschnitten werden, brauchen ordentliche Pflanzennahrung. Und dann läuft das von selbst."
"In der Karibik, so richtige Jahreszeiten, wie wir sie hier kennen, gibt es ja da nicht. Das heißt, von sechs bis sechs hat man dort Licht. Wir regeln Sie das hier?"
"Das war die große Herausforderung, wo jeder gesagt hat, wir werden scheitern, weil wir die zwölf Stunden Sonneneinstrahlung nicht haben. Belichtung ist betriebswirtschaftlich Quatsch, das muss man klipp und klar sagen. Aber: Man muss einfach Geduld haben. Innerhalb von einem Jahr gewöhnen sich die Pflanzen daran. Die Pflanzen haben sich daran gewöhnt, obwohl sie Tropenpflanzen sind, dass es hier einen Frühling, einen Sommer, Herbst und Winter gibt."

Abwärme für ein behagliches Tropenklima

Eine 500 Meter lange Wasserleitung bringt von der nahegelegenen Glasfabrik die Wärme zum Gewächshaus. Die Abwärme, die früher einfach nach draußen geblasen wurde, sorgt seit gut fünf Jahren für den Testanbau von tropischen Pflanzen. Und es funktioniert.
Gärtnermeister Ralf Schmitt im Tropenhaus "Klein Eden".
Sein Experimentierfeld, dank Abwärme: Gärtnermeister Ralf Schmitt im Tropenhaus "Klein Eden".© Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer
Vieles wurde ausprobiert, erzählt Gärtnermeister Schmitt, und vieles verworfen. Zum Beispiel war schnell klar, dass die vorhandene, oberfränkische Erde für Guave, Sternfrucht und Co. nicht wirklich taugt. Also wurde sie ausgetauscht. Und auch, dass sich normales Gemüse nicht lohnt, sondern Ingwer, Galgant und Kurkuma genau die richtigen Pflanzen für die warmen Temperaturen sind.

Nilbuntbarsche sorgen für den Dünger

Um eigenen Dünger verwenden zu können, baute Schmitt mit seinen zwei Mitarbeitern große Fischbottiche. Dort schwimmen Nilbuntbarsche, deren Ausscheidungen als Gießwasser genutzt werden.
"Wir haben ja hier 24 bis 26 Grad warmes Wasser, also ist der heimische Fisch nicht unbedingt dafür geeignet. Wir haben begonnen mit dem Nilbuntbarsch. Und der Fisch ist eigentlich ein Abfallprodukt, weil wir nur die Nähstoffe von ihm wollen in der Pflanzenzucht." Heute steht der Fisch aus dem Tropenhaus auf dem Speiseplan des fränkischen Sternekochs Alexander Hermann als "fränkischer Buntbarsch".
Bis Juli 2020 war Carl-August Heinz der Chef der alten Glashütte neben dem Tropenhaus, die jetzt seine Tochter führt. "Die Idee liegt viele Jahre zurück und war eine typische Stammtischidee in einer Region, die doch etwas abseits liegt", meint er in seinem Kleintettauer Büro. Dass Abwärme durch den Schornstein geblasen wird, sei ökologisch nicht vertretbar, dachte der heute 70-Jährige damals, auch wenn es nur um die Niedrigtemperatur-Abluft unter 50 Grad Celsius geht.

Zehn Tonnen Tropenfrüchte pro Jahr

Nicht warm genug für Wohnhäuser oder Wohnungen, aber genau richtig für ein Gewächshaus. Aber nicht irgendein Gewächshaus für Gemüse sollte es sein, sondern etwas Exotisches, hier im Nirgendwo zwischen Thüringen und Bayern. Und es muss sich auch rechnen, betont Seniorchef Heinz, schließlich geht es nicht um Touristenbespaßung. Naja, das auch, aber eben nur am Rande.

"Diese Möglichkeit, an Glashütten Gewächshäuser anzudocken, dürfte sich mindestens 200 Mal in der EU ergeben. Wir haben mal ausgerechnet, dass man damit rund 3000 Hektar Gewächshäuser betreiben könnte. Wir betreiben ein Viertel Hektar im Moment und werden darauf rund zehn Tonnen Tropenfrüchte heranziehen können mit der gewonnenen Erfahrung der letzten Jahre."
Wirtschaftlich sei ein Anbau tropischer Früchte in Deutschland durchaus machbar, ist der Seniorchef überzeugt. Im Bayerischen Wald, entlang der Weser, in Sachsen-Anhalt, in der Lausitz, in Nordrhein-Westfalen. Im Grunde habe jedes Bundesland Glashüttenstandorte, so dass das Projekt auf ganz Deutschland ausgerollt werden könnte.

Bananenseide – ökologisch wertvoll

Zum Schluss zeigt Gärtnermeister Ralf Schmitt im Tropenhaus auf dicke Bananenstauden in riesigen Kübeln. Noch ein Forschungsprojekt, gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Sachsen. Was dort gezogen wird, sind keine Ess-Bananen. Es geht um Bananenseide, die aus dem Stamm gewonnen wird. Ökologisch wertvoll und bei abgeernteten Bananenstauden bislang ein Abfallprodukt. Auch das ist möglich. Mit Hilfe von überschüssiger, industrieller Abwärme.
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