"Trostfrauen" im Zweiten Weltkrieg

"Japan sollte sich richtig entschuldigen"

24:03 Minuten
Fotos an einer Museumswand zeigen die Porträts ehemaliger "Trostfrauen".
"Trostfrauen" wurden die Frauen und Mädchen, die in Japans Kriegsbordellen Zwangsprostitution leisteten, beschönigend genannt. © AFP / Johannes Eisele
Von Kathrin Erdmann |
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Bis zu 200.000 meist koreanische Frauen wurden im Zweiten Weltkrieg von den japanischen Truppen zwangsprostituiert. Bis heute streiten sich Japan und Südkorea um die Aufarbeitung dieses Verbrechens. In Japan würden viele gern einen Schlussstrich ziehen.
Ein Auszug aus einem Animationsfilm des koreanischen Ministeriums für Gleichstellung: Der knapp viertelstündige Film ist bedrückend, Menschen werden exekutiert. Ein japanischer Soldat als Zeichentrickfigur, aber mit Originalstimme, schildert seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg.
Zum Beispiel als eine junge Mutter mit ihrem Baby ins Camp zu den Soldaten gebracht und dann in einem Verschlag von unzähligen Männern vergewaltigt wird.
Normalerweise, erzählt er, habe man die Frauen in solchen Fällen anschließend umgebracht, aber einmal habe der Kommandeur eine sogar mit ihrem Baby mit zur nächsten Station mitgenommen. Doch als das Kind auf dem Weg nicht aufhört zu schreien, nimmt er es kurzerhand an sich und wirft es von einer Klippe.
Die Mutter stürzt sich, trunken vor Schmerz, hinterher.

Von der Armee zum Sex gezwungen

Ob sich diese Geschichte wirklich genauso zugetragen hat, lässt sich heute nicht mehr sagen, aber Zeitzeugenberichte machen deutlich: Es gab sehr viel Leid. Ebenso wie manches Mal ein zartes Band zwischen Opfern und Tätern. Nicht jeden Soldaten hat der Umgang mit den Frauen kaltgelassen.
Nach Recherchen japanischer Historiker gab es im Zweiten Weltkrieg schätzungsweise 50.000 bis 200.000 Frauen, die in den Kriegsbordellen der japanischen Armee zum Sex gezwungen wurden. Eine Mehrheit der Frauen waren Koreanerinnen.
"Trostfrauen" wurden sie genannt. Was "Trost" für die Soldaten bedeutete, bedeutete für die Frauen meist Angst, Schmerz und lebenslanges Leiden.
Die japanische Regierung würde dieses Kapitel gern ein für alle Mal beenden. Sie argumentiert, kurz gesagt: Es gab zahlreiche Abkommen, Entschädigungen, irgendwann muss mal Schluss sein.
Im Januar 2021 kommt es zum jüngsten Eklat. Ein koreanisches Bezirksgericht entscheidet: Japan soll zwölf früheren Zwangsprostituierten bzw. deren Angehörigen jeweils rund 74.000 Euro Entschädigung für das erlittene Leid zahlen. Im schlimmsten Fall könnte dafür sogar japanisches Eigentum beschlagnahmt werden, heißt es.
Lee Yong-soo spricht umringt von Journalisten in ein Mikrofon.
Die Südkoreanerin Lee Yong-soo wurde mit 16 Jahren zwangsprostituiert. Heute engagiert sie sich als Aktivistin für die Aufarbeitung der Geschichte.© AFP / Jung Yeon-je
Japan ist außer sich. Regierungschef Yoshihide Suga:
"Nach internationalem Recht unterliegt ein souveräner Staat nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates. Deshalb sind wir der Meinung, dass diese Klage abgewiesen werden sollte. Das Urteil ist nicht hinnehmbar."

Widersprüchliche Gerichtsurteile

Japans Außenministerium lädt nach dem Urteil zum Hintergrundgespräch. Interviews jedoch werden letztlich ohne Angabe von Gründen abgelehnt.
Der Historiker Hayashi Hirofumi, der unter anderem die Beteiligung des japanischen Militärs an der Zwangsrekrutierung der Frauen mit aufgedeckt hat, wundert sich unterdessen über die Reaktion des japanischen Premiers. Japan könne sich nicht in eine Gerichtsentscheidung Südkoreas einmischen, findet der Politikprofessor von der Kanto Gakuin Universität in Tokio.
"Dieses Urteil ist Ausdruck einer funktionierenden Demokratie. Es zeigt, dass die Gewaltenteilung funktioniert. Doch Japan erwartet, dass die Justiz unter Druck gesetzt wird, aber das ist keine Demokratie."
Doch ob der Professor mit dieser Einschätzung richtig liegt, dürfte zumindest angezweifelt werden, denn im April entschied dasselbe Gericht genau andersherum.
Die Immunität des japanischen Staates wiege höher als das persönliche Interesse der früheren südkoreanischen Zwangsprostituierten. Wenn man beginne, davon abzuweichen, würde dies nur zu diplomatischen Schwierigkeiten führen, so die koreanischen Richter.
Eine der Klägerinnen und ehemalige Zwangsprostituierte, die 92-jährige Lee Yong-soo, sagt nach der Verhandlung: "Unabhängig vom Urteil werden wir vor den Internationalen Gerichtshof ziehen."
Die Entscheidung sei absurd. Japan hingegen sieht sich in seiner Haltung bestätigt, hält sich aber öffentlich mit Jubelbeiträgen zurück.

Versuche der Entschädigung

Einen ersten Versuch, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, machten beide Staaten bereits 1965 mit einem Grundlagenabkommen. Südkorea ist damals eine Militärdiktatur und braucht dringend Geld. Es erhält von Japan nach heutigem Umrechnungskurs knapp 700 Millionen Euro Wirtschaftshilfen, ein Teil davon wird als Kredit gewährt.
Aus japanischer Sicht, so wird das Land später mehrfach sagen, sind damit alle Ansprüche abgegolten. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen beurteilt das in einem Bericht Mitte der 90er-Jahre jedoch anders.
In Südkorea regt sich schon damals Widerstand dagegen, weil sich Japan nicht für die Kolonialzeit, in der es quasi versucht hatte, die koreanische Kultur auszulöschen, entschuldigt hatte.
Die "ianfu", "Trostfrauen", wie sie in Japan euphemistisch genannt werden, kommen in dem Grundlagenabkommen auch gar nicht vor, weil das Thema 20 Jahre nach Kriegsende noch nicht groß bekannt war.

Den Schmerz mit Schnaps lindern

Erst Anfang der 90er-Jahre gehen die ersten Frauen an die Öffentlichkeit.
"Das erste Mal, als ich in einen der Räume geschleppt wurde, verprügelten sie mich ein wenig, so dass ich einwilligen musste. Nachdem der Mann fertig war, blutete ich heftig, da es mein erstes Mal war. Das Bettlaken war von Blut durchtränkt. Nachdem die Sache beendet war, ging ich zurück nach oben in mein Zimmer, wo ich zwei weinende Mädchen sah, die dasselbe gerade durchmachen mussten", erinnert sich Kim Bok-Dong 2018 in einem Interview mit dem populären südkoreanischen Youtubekanal Asian Boss.
Das Bild aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt einen lachenden japanischen Soldaten mit vier erschöpft aussehenden Frauen.
Wie viele Frauen und Mädchen als "Trostfrauen" zwangsrekrutiert wurden, ist unklar. Die Schätzungen schwanken zwischen 50.000 und 200.000. © picture alliance / CPA Media Co. Ltd
Die inzwischen verstorbene Koreanerin ist erst 14 Jahre alt, als sie an die Front nach China verschleppt und nach ihren Aussagen von hochrangigen japanischen Soldaten vergewaltigt wird. Gemeinsam mit anderen Leidensgenossinnen beschließt das junge Mädchen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Das ginge mit Alkohol, hatten sie gehört, und so gibt Kim Bok-Dong einer Putzfrau ihr letztes Geld:
"Sie kam mit einer großen Flasche Schnaps zurück und sagte uns, dass wir das trinken und mit ein bisschen Wasser nachkippen sollten. Sobald ich den ersten Schluck genommen hatte, fühlte ich, wie mein Mund brannte, danach konnte ich meinen Rachen nicht mehr spüren. Dennoch tranken wir zu dritt die ganze Flasche aus."
Und werden direkt ohnmächtig. Zehn Tage lang habe sie damals in einer Art Koma gelegen und sich dann entschlossen, alles auszuhalten, um später davon erzählen zu können.
Den Ausschlag für Japan, Stellung zu beziehen, gibt die Studie, an der der Historiker Hayashi Hirofumi mitgearbeitet hat. Danach war das japanische Militär aktiv daran beteiligt, Frauen für sexuelle Dienstleistungen zu rekrutieren und die so genannten "Troststationen" mit aufzubauen und zu verwalten. Die japanische Regierung hatte diese selbst in Auftrag gegeben.

Die Verantwortungsfrage ist geklärt

Im August 1993 gibt Japans Regierungssprecher Kono eine historische Erklärung ab, denn er bestätigt, was bis dahin von einigen konservativen Politikern bestritten wurde:
"Das ehemalige japanische Militär war direkt oder indirekt daran beteiligt. Sie haben auch Aufträge vergeben. Es gab viele Fälle, in denen Frauen gegen ihren Willen oder durch falsche Versprechungen mitgenommen wurden. Auch Regierungsbeamte waren an der Rekrutierung beteiligt."
Die Zeichen standen damals auf Versöhnung, sagt Historiker Hirofumi:
"Bis Ende der 90er-Jahre hatten innerhalb der Liberaldemokraten die Kräfte die Oberhand, die meinten, Japan sollte für das, was es im Krieg vor allem Korea und China angetan hat, um Verzeihung bitten."
Wäre man bei der damaligen Linie geblieben, wäre das Thema längst vom Tisch, glaubt der Historiker. Sven Saaler, Professor für moderne japanische Geschichte an der Sophia-Universität in Tokio, teilt diese Sichtweise:
"Die 1990er-Jahre waren der Höhepunkt der Wiederaussöhnung Japans mit seinen Nachbarstaaten. Vor allem kam es 1998 zu Erklärungen zwischen Japan und Korea und Japan und China. In denen einigte man sich, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und eine konstruktive Beziehung für das 21. Jahrhundert aufbauen zu wollen."
Ein wichtiger Schritt, der jedoch in Japan heftigen Gegenwind erfuhr, so der Historiker. Sogenannte Revisionisten, die jedoch in den seltensten Fällen über profunde historische Kenntnisse verfügen würden, meinten und meinen, Japan müsse aufhören, sich für seine Geschichte zu entschuldigen und überhaupt müsse man sich auch für gar nichts entschuldigen.

Die Macht der Revisionisten

Der frühere Kabinettstaatssekretär Kono selbst äußert sich 2015 aus Anlass von 70 Jahren Kriegsende im Japanischen Presseklub zu seiner Erklärung von 1993 – und rückt keinen Deut davon ab:
"Ich bin sehr enttäuscht, dass mehr als 20 Jahre später so schlecht darüber gesprochen wird. In den ersten zehn Jahren danach hatten sich die japanisch-koreanischen Beziehungen sehr gut entwickelt."
Warum sich das Blatt so gewendet habe, liegt aus Sicht von Yuko Manabe, Professorin an der renommierten Universität Tokio, vor allem an einer mangelnden Fähigkeit zur Selbstkritik.
"Es ist für die Japaner sehr schwer zu akzeptieren, dass ihre Vorfahren im Krieg diese Frauen ausgebeutet haben oder ihre Großväter andere bestialisch ermordeten. Dass davon in der Geschichte eine Spur hinterlassen werden könnte, beschädigt aus Sicht der Revisionisten die Würde der Japaner."
Doch der verklärte japanische Blick der Revisionisten und allen voran des langjährigen Premiers Shinzo Abe auf die eigene Geschichte ist nur ein Teil des Problems. Auch Südkorea tut sich bisweilen schwer mit der eigenen Geschichte und dem Umgang damit. So macht die Anthropologin Sarah Soh in ihrem 500 Seiten starken Buch über die sogenannten Trostfrauen darauf aufmerksam, dass unter den japanischen Truppen auch rund 200.000 Koreaner waren, die sich ebenfalls an den jungen Frauen vergangen haben dürften. Und dass natürlich auch Koreaner bei der Anwerbung geholfen haben, Mütter aus Armut ihre Töchter verkauften und losziehen ließen.

Streit auch unter den Opfern

Auf einen anderen Punkt weist Yuko Manabe von der Universität Tokio hin. So wurde 1995 ein Hilfsfonds eingerichtet. Mehrere Frauen erhielten ein persönliches Entschuldigungsschreiben vom japanischen Premierminister und umgerechnet jeweils 15.000 Euro. Ein Kritikpunkt war, dass ein Großteil des Geldes aus japanischen Spendengeldern stammte. Doch auch die Opfer gerieten unter Beschuss:
"Wenn man sich zum Beispiel den Asian Women Fund von Japan anschaut, da gab es Opfer, die wollten Gelder aus der Stiftung erhalten, die brauchten das zum Überleben. Aber koreanische Aktivisten haben versucht, die Stimmen dieser Opfer zu unterdrücken."
Opfer, die das Geld aus dem Fond dringend zum Überleben brauchten und es deshalb annehmen wollten, wurden von koreanischen Aktivisten unter Druck gesetzt, sagt Manabe, die lange zum Thema geforscht hat. Die meisten Frauen verzichten daraufhin auf die finanzielle Unterstützung.
Forciert hat das Ganze vor allem der Korean Council, der Koreanische Rat. Eine Nichtregierungsorganisation, die eines der bis heute stärksten Symbole für den Konflikt vorangetrieben hat, die sogenannte Friedensstatue.
Im Herbst 2020 erreicht dieser Konflikt sogar Deutschland. Im Berliner Stadtteil Moabit hat der Koreaverband mit Genehmigung des Bezirks eine solche Statue aufgestellt. Eine junge Frau aus Bronze sitzt im traditionellen koreanischen Gewand Hanbok auf einem Stuhl, der Platz neben ihr ist leer. Er soll dazu einladen, sich hinzusetzen, inne zu halten und einen Moment lang nachzuspüren, wie es diesen jungen Frauen ergangen ist. Die Hände sind geballt als Zeichen dafür, nicht länger über die Verbrechen zu schweigen. Dass die Zeit danach für die Opfer nie wieder so war wie davor, zeigen die in der Luft hängenden, nackten Fersen. Hinter der Statue wirft die Figur immer einen Schatten, es ist der eine gebeugten alten Frau, symbolisch dafür, dass die meisten Opfer inzwischen verstorben sind, ohne eine Entschuldigung erhalten zu haben.

Auch in Deutschland gibt es ein Denkmal

An einem sonnigen Tag in diesem Frühjahr bleiben immer wieder Menschen vor der Statue stehen, gucken neugierig. Japans Regierung interveniert damals, versucht vergebens, das Mädchen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.
Für den Historiker Sven Saaler von der Sophia-Universität in Tokio hat das Land die Zeichen der Zeit nicht erkannt:
"Die japanische Regierung hat nach wie vor nicht verstanden, dass Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik mittlerweile sehr stark globalisiert sind. Das heißt, wenn wir zum Beispiel auf die USA schauen, befinden dort über 100 Holocaust-Denkmäler. Die USA haben nichts direkt mit dem Holocaust zu tun. Weder sind sie Täternation, noch Opfernationen, noch authentischer Ort des Geschehens. Genauso gibt es auch in Deutschland Denkmäler für alle möglichen Dinge. Es gibt auch Hiroshima-Straßen, die natürlich an den Atombombenabwurf erinnern, und Hiroshima-Plätze in manchen Städten. Und diese Globalisierung des Gedenkens, an der Japan auch irgendwie beteiligt ist. Aber die japanische Regierung hat diese Prozesse offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen."
Nahaufnahme der bronzenen Statue eines koreanischen Mädchens mit einem Blumenkranz auf dem Kopf.
Die Friedensstatue auf dem Unionsplatz in Berlin Moabit ist ein Mahnmal für die sogenannten "Trostfrauen" und ein Symbol gegen sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen.© picture alliance / Associated Press / Markus Schreiber
Wie groß der Druck in Japan werden kann, wenn man sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzt, hat Yoshiko Shimada am eigenen Leib erfahren. Die 62-jährige Künstlerin hat in ihr Atelier rund zwei Autostunden südlich von Tokio ans Meer geladen.
Eine landschaftlich hinreißende Gegend mit breitem Sandstrand und dahinter dichtem Blätterwald.

Künstlerische Verkörperung der "Trostfrau"

Derzeit bereitet sich die Japanerin auf eine Ausstellung in Moskau vor. Dort wird sie zeigen, womit sie bereits anderswo für Furore gesorgt hat. Die fröhliche Frau schlüpft seit 2012 nämlich immer wieder in eine ganz bestimmte Rolle:
"Ich verkleide mich als eine japanische sogenannte Trostfrauenstatue. Denn über diese Statuen gab es in Korea eine Kontroverse. Die japanische Regierung war von Anfang dagegen. Und trotz der ganzen Diskussionen hat niemals jemand über die japanischen Trostfrauen gesprochen, obwohl zehn Prozent der Frauen japanischer Herkunft waren. Und da dachte ich mir: Dann werde ich eben zu so einer Statue."
Shimada saß so schon in London vor der japanischen Botschaft und in Tokio vorm Parlament und dem Yasukunischrein, in dem Opfern wie Kriegsverbrechern gedacht wird. Überall wurde sie jedoch schnell verscheucht, erzählt sie.
Seit der Hinwendung der japanischen Politik zum Revisionismus Ende der 90er-Jahre spürt Yoshiko Shimada mehr Druck. Vorher sei es kein Problem gewesen, auch an großen Orten und in Museen auszustellen. Jetzt sei dies quasi nur noch in privaten Galerien möglich. Sie sieht darin eine Art Selbstzensur, die jedoch auf ganz subtile Weise geäußert werde:
"Es sind immer die Stimmen der Bürger, die vorgeschickt werden. Nicht die Regierung oder die Politiker, auch wenn die garantiert dahinterstecken. Die würden nie kommen und sagen. Das geht nicht, das übernimmt ein anderer. Es heißt dann: Es gab einen Anruf, und Sie verstehen, das sind Steuerzahler, das können wir nicht machen. Deshalb ist es schwierig geworden, in öffentlichen Museen etwas über die Trostrauen zu zeigen."

Nationale Vereinnahmung der Opfer in Korea

Während es Japan an einem gelassenen Umgang mit den Statuen fehlt, wird die Figur in Korea symbolisch aufgeladen, der Nationalismus gefördert, sagt Professorin Manabe von der Tokio-Universität. Dabei, so bemängelt sie, habe sich Korea, ähnlich wie Japan, im Grunde überhaupt nicht für die Probleme der Frauen interessiert oder sich um sie gekümmert.
Denn ursprünglich seien diese Statuen auch ein Zeichen gegen das Patriarchat gewesen, unterstreicht sie. Was Manabe zudem stört: Die ursprüngliche "Trostfrau" ist eine Jungfrau. Dass das längst nicht alle waren, passe aber offensichtlich nicht ins Bild.
"Was die Zwangsarbeit betrifft, so gab es durchaus Statuen, die an all diese Opfer erinnern sollten. Doch um deren Verbreitung kümmert sich Korea nicht, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die Statuen der jungfräulichen Zwangsprostituierten. Sie sind zu einem Symbol gegen Japan geworden. Aber für mich sind sie eher ein Ausdruck der koreanischen Machokultur."

Das Abkommen über Zwangsprostitution sollte endgültig sein

Der beste Beweis für das Desinteresse ist aus ihrer Sicht das Abkommen über die Zwangsprostituierten 2015. Beide Länder einigten sich damals auf die Einrichtung einer Stiftung mit Geldern in Höhe von umgerechnet 7,5 Millionen Euro.
"Ich denke, mit dieser endgültigen und unwiderruflichen Einigung haben wir unsere Schuldigkeit 70 Jahre nach Kriegsende getan", sagt der damalige Regierungschef Abe. "Wir haben wie die Regierungen zuvor unserer Bedauern und unsere Entschuldigung zum Ausdruck gebracht und an dieser Position wird sich auch nichts ändern."
Abe überrascht damals viele Beobachter. "Das Abkommen von 2015, das gerade auch von Premierminister Abe, der bis dahin eher als Geschichtsrevisionist aufgetreten war, anerkannt worden ist, war sicherlich eine historische Chance", sagt Historiker Sven Saaler. "Und ich denke, es ist ein Verlust für beide Seiten, dass das Abkommen nicht aufrechterhalten wurde."
Das liegt aus Sicht von Wissenschaftlerin Yuko Manabe auch an der koreanischen Seite: "Das koreanische Außenministerium hat vor Abschluss des Abkommens nicht einmal vorher mit den Opfern gesprochen. Danach ist es auf sie zugegangen und verlangte von ihnen, es so zu akzeptieren. Daraus entbrannte ein Streit. Ich denke, es hätte vorher mit den Opfern reden sollen."
Einige von ihnen bzw. ihre Angehörigen verklagen Japan auf Schadenersatz. Ein Teil von ihnen gewinnt, ein anderer verliert – alles entschieden in diesem Jahr vor demselben Gericht in Seoul.
Und alles steht wieder auf Anfang, die Fronten sind auf politischer Ebene verhärtet wie schon lange nicht mehr. Dabei sollten beide Staaten gerade mit Blick auf Nordkorea und als wichtigste Verbündete der USA in der Region zusammenarbeiten.

Statt Kooperation verhärtete Beziehungen zwischen Japan und Südkorea

Für den Historiker Hayashi Hirofumi kann es nur einen Weg geben: "Japan sollte sich richtig entschuldigen und zwar direkt bei den Opfern und nicht nur auf staatlicher Ebene. Das müsste passieren, aber derzeit sehe ich das nicht. Die Beziehungen sind so schlecht momentan."
Ihm fehlt bis heute die persönliche Anteilnahme der regierenden Politiker an dem Schicksal der Frauen.
Auch Choi Eunmi ist skeptisch, dass sich die Beziehungen schnell verbessern. Die 39-Jährige arbeitet nicht nur am ASAN-Institut für Politische Studien in Seoul, sondern unterrichtet auch an der Uni über koreanisch-japanische Beziehungen. Dabei setzt sie auf das Prinzip Wandel durch Annäherung. So habe kürzlich ein japanischer Diplomat seine Sicht zu den so genannten Trostfrauen dargestellt, also dass Japan sich schon häufig entschuldigt und Entschädigung gezahlt habe. Die anschließenden Reaktionen waren sehr unterschiedlich, sagt Choi Eunmi:
"Ich stimme zwar nicht mit seiner Meinung überein, aber ich schätze sein Kommen trotzdem. Er hat in seinen Worten über die japanische Sicht gesprochen, und vielleicht sollten wir darüber auch besser Bescheid wissen. Das eigentliche Problem aber war für die meisten, dass sie feststellten, dass sie zwar nicht mit den Aussagen übereinstimmten, aber selbst zu wenig über das Thema wissen, um ihm etwas entgegenzuhalten. Deshalb konnten sie darüber auch nicht debattieren."
Denn in der Schule wird das Thema in Südkorea nur einseitig und in Japan seit einigen Jahren fast gar nicht mehr behandelt. Choi glaubt, neben mehr Bildung bräuchte es mehr Orte der Begegnung.
Jetzt aber werde erstmal nichts passieren: "Ich glaube, ehrlich gesagt, erst nach der Regierung von Moon Jae-In."

Die Gesellschaft ist weiter als die Politik

Bis zum kommenden Frühjahr könnte auch Japan einen neuen Regierungschef haben.
Ob dann beide Seiten wieder aufeinander zugehen? Für den deutschen Historiker Saaler liegt der Ball vor allem bei den Japanern. Deren Argument, man habe schon genug bezahlt und sich entschuldigt, greift aus seiner Sicht zu kurz.
Er unterscheidet zwischen der juristischen und der moralischen Verantwortung. Während die juristische irgendwann zu ihrem Ende finden könne, ende die moralische eigentlich nie. Das aus seiner Sicht größte Problem in dem Konflikt ist, dass es bei einer Aussöhnung immer darum gehe, sich auch in die Opferrolle zu versetzen:
"Und das kommt das auf der japanischen Seite viel zu kurz. Man müsste sich jetzt umgekehrt vorstellen, dass die Amerikaner sagen, Japan solle doch bitte aufhören, sich über die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu beschweren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Japanbesonders positiv aufgenommen werden würde."
Was er dennoch positiv sieht: Es gebe zumindest in Nicht-Covid-Zeiten zivilgesellschaftlich zwischen beiden Staaten eine sehr vielfältige Zusammenarbeit. Die Gesellschaft sei da in vielerlei Hinsicht weiter als die Politik.
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