Trostmusik in Coronazeiten
Balsam für die Seele in Corona-Zeiten: Sven Regener und seine Band Element of Crime © Getty / Redferns / Frank Hoensch
Element of Crime – wie eine Glückspille für die Nerven
05:54 Minuten
Balkonkonzerte, gestreamte Wohnzimmergigs, Coronaplaylisten bei Spotify – Musik hilft, die Isolation zu bewältigen. Warum sie sich in dieser herausfordernden Zeit gerne von Element of Crime trösten lässt, erzählt Jutta Petermann.
"Wirf den Schlüssel weg und lass mich allein. / Bilde einen Cordon sanitaire. / Dunkle Wolke über mir." 2014 war es und Sven Regener sang im Song "Dunkle Wolke" schon von einem Cordon sanitaire – einem Sperrgürtel zum Schutz gegen das Einschleppen epidemischer Krankheiten.
Der Mann, der selbst noch Ortsnamen wie Delmenhorst zu Songlyrik verarbeitet, präsentiert sich aus heutiger Sicht als ein düsterer Prophet.
Regener wusste verblüffenderweise damals selbst schon, so scheint es, worauf es heute ankommt: "Verschatte Deine Augen, / sprich mich nicht an, / sieh zu dass mir keiner zu nah treten kann..."
Doch die Texte sind nur ein Grund, warum ich die Songs von "Lieblingsfarben und Tiere" für optimal halte, um die Coronazeit vor allem auch psychisch gesund zu überstehen.
Warm und verspielt
Die lakonische Weltsicht Regeners schlägt nicht auf die Musik durch. Er und seine Mitmusiker Jakob Ilja, David Young und Richard Pappik vollbringen das kleine Wunder, mit ihren warm-verspielten bluesigen Chansons die zarte Tristesse der Texte aufzuheben. Sanfte Bläser pusten die "Dunkle Wolke" einfach weiter.
Ein aufgeräumtes Schlagzeug wiegt uns in einem leicht schunkeligen Takt und die hochgestimmten Gitarren wabern munter psychedelisch angehauchten Optimismus ins Ohr. So kommt jede schiefe Stimmungslage wieder ins Lot. Musik wie Texte von "Lieblingsfarben und Tiere" sind ein Kompass für alle, die jetzt innerhalb ihrer vier Wände den Sinn des Lebens suchen müssen.
"Denk an Lieblingsfarben und Tiere, / Dosenravioli und Buch, / Und einen Bildschirm mit Goldfisch, / Das ist für heute genug!"
Rückzug, Selbstisolation und Selbstgenügsamkeit – Devisen, die heute Leben retten können. Es reicht zu träumen und zu starren. Beim Hören solcher Verse schwindet der Druck, dass man trotz Homeschooling und gleichzeitigem Homeworking beruflich wie privat total vernetzt und bei allem weiter dabei sein muss.
"Die Emails und / Die Kurznachrichten / Kannst Du zusammen mit den Excel- und Word-Dokumenten dahin tun, / Wo die Sonne auch / An warmen Tagen / Niemals scheint und wo auch / Schon die Meetings / Und die Skype-Kontakte ruh'n."
Tiefenentspannter Groove
Diese Songs helfen dabei, diesen bestimmten Fatalismus zu entwickeln, den jede und jeder aktuell gerade zwangsweise als Haltung benötigt. Wohltuend, wie das Unveränderbare mit Galgenhumor angenommen wird. Angesteckt vom tiefenentspannten Groove, der durchs Album fließt, bin ich mir selbst genug.
"Draußen die Sonne - drinnen der Staub / Und keiner der sagt, wieso / Ich an diesem Tag überhaupt aufsteh' / Und später sogar noch aufs Klo / Und aufs Amt geh'n soll, wo sie wissen woll'n ob man noch lebt / Auf dass das immer so weiter, immer so weitergeht."
Regeners poetische Texte erzählen auch viel von Einsamkeit oder Langeweile. Beides Zustände, die jetzt viele Menschen verspüren werden. Aber ein immer mitschwingender selbstironischer Ton hegt die Gefahr ein, dass Selbstmitleid aufkommen könnte. Und gen Ende des Albums höre ich zumindest das Versprechen auf ein Happy End heraus. Im Song "Dieselben Sterne" muss der Weltuntergang warten, auch morgen flackern noch dieselben Sterne über uns.
"Immer wenn die Worte steckenbleiben / Immer wenn im Auge Wasser steht / Immer wenn wir durch die Dunkelheit uns treiben / Und verwirren lassen, bis es nicht mehr geht / Über Dir und mir dieselben Sterne."