Trotz Kanzlerin zuwenig Frauen in Führungspositionen

Moderation: Joachim Scholl |
Die Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, Barbara Schaeffer-Hegel, hat kritisiert, dass in Deutschland immer noch zu wenig Frauen Führungspositionen erreichen können. Nach wie vor gebe es einen deutlichen Männerüberhang in guten Positionen bei Bundesbehörden sowie in Politik und Wirtschaft.
Scholl: Tja, wie sieht diese enorme Wirkung aus ganz oben in den Chefetagen? Am Telefon ist jetzt Frau Professor Barbara Schaeffer-Hegel. Guten Morgen!

Schaeffer-Hegel: Guten Morgen, Herr Scholl.

Scholl: Sie sind die Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft. Was sagen Sie nun, wird sich diese Tatsache einer Bundeskanzlerin auch auf die Diskussion um Frauen in Spitzenpositionen auswirken?

Schaeffer-Hegel: Es wird sich sicher auf die Diskussion um Frauen in Führungspositionen auswirken. Das sieht man schon an den vielen Anfragen in den letzten Tagen, zu diesem Thema Stellung zu nehmen, die unterwegs sind. Ob es sich auf die Tatsache, die Lebensumstände und die Anzahl der Frauen in Führungspositionen auswirkt, ist etwas ganz anderes.

Scholl: In Ihrer Akademie veranstalten Sie ein Programm "Preparing women to lead", auf Deutsch: eine Vorbereitung für Frauen in Führungspositionen. Was machen Sie da genau?

Schaeffer-Hegel: Ja, also das sind Kurse für Frauen jeglicher Altersgruppe, die in unterschiedlichen Kombinationen bei uns Trainings und Mentoring und Beratung erfahren. Und da geht es insbesondere darum, Frauen klar zu machen, dass sie einige der angestammten, vielleicht als weiblich charakterisierten Eigenschaften doch etwas zurücknehmen sollen, nicht aufgeben, aber dass sie gleichzeitig Selbstbewusstsein, Durchsetzungsstärke, Behauptungswillen ausstrahlen lernen, auftreten lernen, Gesprächsführung lernen, rednerische Fähigkeiten entwickeln und vor allem, dass sie sich klare Ziele vornehmen im Beruf, in ihrer Karriere, politische Ziele und dass sie zu diesen Zielen stehen und sich nicht, wie das aufgrund der Machtverteilung in der Bundesrepublik leider noch vielfältig ja auch notwendig ist, sich an den männlichen Vorgaben orientieren derjenigen, die mehr Macht haben.

Scholl: Jetzt haben Sie schon einen ganzen Strauß von Möglichkeiten aufgemacht. Mentoring haben Sie gerade genannt, das ist so ein Begriff wahrscheinlich aus der betriebswirtschaftlichen Kommunikationstechnik. Was ist das?

Schaeffer-Hegel: Ja, das ist nicht auf die Betriebswirtschaft beschränkt. Wir haben in Deutschland Mentoringprogramme für Frauen eingeführt. Ich habe das überwiegend auch aus Amerika mitgebracht, gelernt an den Verfahrensweisen und den Dingen, die Frauenorganisationen dort machen. Mentoring und die damit verbundenen Qualifikationen, die wir vermitteln, sind deswegen nötig, weil Männer ja über Generationen hin traditionellerweise Netzwerke und Seilschaften haben, sehr viele Organisationen, wo sie in solche Netzwerke hineinwachsen und dann auch Mentoren haben, ob das die Verbindungen sind, ob das auch die Männergruppierungen innerhalb der Parteien sind.

Frauen haben solche Netzwerke in sehr viel geringerem Maße. Und wir wissen, dass zum Machtaufbau, zum Machterhalt, zur Durchsetzung von Zielen Netzwerke unverzichtbar sind und dass auch das Vorbild von anderen sehr prägend sein kann für eine Führungsperson. Vorbilder für Frauen gab es bis vor kurzem überhaupt noch keine für Frauen in Führungspositionen. Jetzt gibt es einige. Und wir wollen unseren jungen Frauen eben solche Vorbilder bieten, damit sie auch mit ihnen lernen, sich besser durchzusetzen.

Scholl: Jetzt haben Sie schon öfter das Wort gesagt Durchsetzungsvermögen. Also, das ist ja auch das typische männliche Verhaltensmuster vom Boss, der Ellenbogen, die Konkurrenz, also auch den anderen, wenn man so will, durch Präsenz vielleicht beeindrucken. Müssen sich Frauen denn heute noch diesen Verhaltensweisen anpassen? Sie sagten vorhin, es geht darum, auch eigene weibliche Potenziale zu entwickeln.

Schaeffer-Hegel: Das ist völlig richtig. Also durchsetzen muss man sich, wenn man etwas erreichen will. Und dafür gibt es natürlich unterschiedliche Mittel. Es gibt den Weg des Überzeugens, andere mitnehmen, andere für sich selber und seine eigenen Ziele begeistern. Das ist sicher ein Weg, der Frauen, würde ich mal sagen, in der Regel, aber auch nur in der Regel leichter fällt und wofür sie vielleicht auch ein bisschen mehr mitbringen aus ihrer weiblichen Sozialisation.

Die andere Seite, notfalls auch klare Grenzen zu setzen, klare Vorgaben zu machen und andere zu verpflichten, also die eher männliche Variante, muss aber dazu kommen. Und ich würde mal sagen, beide, Männer und Frauen in Führungspositionen, müssen eigentlich beide Möglichkeiten beherrschen, wenn sie wirklich gute Führungspersonen sein wollen.

Scholl: Konsens statt Konflikt, Kommunikation statt Konfrontation, diese Gegensatzpaare werden oft genannt, wenn es darum geht, was Frauen eigentlich viel besser können so im Miteinander, auch in den Berufen. Geht das überhaupt da ganz oben in den Unternehmen, in den Gremien, in den Vorständen, wo ja auch immer viel auf dem Spiel steht?

Schaeffer-Hegel: Ja, es ist immer beides da. Es gibt Konflikte, es gibt Konfrontationen. Und die Aufgabe, die eine Person, die dafür verantwortlich ist, zu leisten hat, ist eben Konflikte umzuwandeln in Kompromisse, Konsensvorlagen, denen alle andere zustimmen können. Denn gegen permanenten und massiven Widerstand zu regieren, sei es in einem Unternehmen oder sei es auch in politischen Zusammenhängen, ist in unserer Kultur auf die Dauer erstens einmal schwer und zweitens ist es vor allem auch dem Wohl des Ganzen, indem man sich befindet, absolut abträglich.

Scholl: Nun soll sich ja doch einiges getan haben, auch bei den Männern, sicherlich auch durch die Emanzipation, wenn es denn heißt, dass das Alphatiergehabe denn von gestern sei, die soziale Kompetenz vielmehr zähle, Teamgeist, Kommunikationsfähigkeit. Wie ist das denn Ihrer Erfahrung nach, hat sich da wirklich etwas verändert?

Schaeffer-Hegel: Schauen Sie, Herr Scholl, ich sagte es ja am Anfang, also die Diskussionen und die Wertvorstellungen und das, worüber gesprochen wird, was man sich auch sozusagen vornimmt als Leitmotiv, da hat sich sicher sehr viel geändert.

Aber nach wie vor ist sowohl in den Bundesbehörden, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Universität ein eindeutiger Männerüberhang. De facto hat sich relativ wenig verändert. Und da will ich mal sagen, um wirklich einen kulturellen Wandel und eine Änderung dieser Ungleichgewichtigkeit zu erreichen, ist es nicht nur nötig, dass man sich über weiblichen und männlichen Führungsstil unterhält, sondern dass man die Rahmenbedingungen ändert und anpasst an die moderne Gesellschaft, die nämlich verlangt, dass sowohl Männer als auch Frauen ihre Potenziale einbringen.

Wir brauchen ja die Potenziale der Frauen, gerade auch in der Wirtschaft. Und solange wir so miserable Betreuungs- und Bildungsangebote zumal für kleine Kinder haben, solange es immer noch letztlich Aufgabe der Frauen ist, sich um die Kinder zu kümmern und die Männer ihre Karriere fortführen, wird es einfach auch zu wenig Frauen geben, die zur Wahl und zur Auswahl stehen, wenn es dann um die Spitzenpositionen geht.

Wir müssen eine breitere Förderung der Infrastrukturen haben, erst dann kann sich wirklich etwas ändern. Und da wird auch, würde ich mal sagen, eine Kanzlerin - gut das ist ein gutes Signal, das wird viele Frauen ermuntern möglicherweise, jungen Frauen Mut machen. Aber wenn wir nicht unsere infrastrukturellen Voraussetzungen, wenn wir nicht das Verhältnis, das Geschlechterverhältnis, wie es gesellschaftlich verortet und strukturiert ist, und das betrifft insbesondere die Arbeitszeiten und es betrifft insbesondere bitte die Beteiligung der Männer an Familienarbeit und das betrifft insbesondere unsere Bildungseinrichtungen im frühen Alter…

Scholl: Aber das ist ja fast noch mehr, als nur Rahmenbedingungen. Da muss sich ja auch das traditionelle Familienbild ändern. Also, dass es nicht mehr heißt, Karriere oder Kinder, sondern Karriere und Kinder, dass es für beide selbstverständlich ist.

Schaeffer-Hegel: Also, da würde ich in dem Zusammenhang mal auf Frankreich verweisen. Frankreich ist eine sehr traditionsorientierte Gesellschaft, sehr familienorientiert. Und trotzdem ist es dort selbstverständlich, dass eine Frau auch mit mehreren kleinen Kindern ihren Beruf fortsetzt, weil es die entsprechenden öffentlichen Einrichtungen gibt. Weil Frankreich schon vor vielen Jahren verstanden hat, da hatte Frankreich die niedrigste Geburtenrate in Europa, dass es seine Geburtenrate nur bessern kann, wenn sie diese entsprechenden Einrichtungen schafft.

Und ich würde sagen, das sind wirklich die Rahmenbedingungen, die natürlich notwendig sind, um etwas zu verändern. Aber Sie haben Recht, es muss sich auch etwas in den Köpfen der Menschen, etwas in den Mentalitäten ändern. Denn, also die Vorstellung von Rabenmüttern, die ihre Kinder in Betreuung geben zum Beispiel, gibt es nur in Deutschland. Und das ist natürlich auch absurd.

Scholl: Wenn Sie nun junge Frauen aus Ihren Kursen entlassen und die sich vielleicht auch wieder mal bei Ihnen melden, wie ist denn das Feedback, wenn sie dann erzählen, wie es dann da oben ist. Hat sich was dann vielleicht auch verändert durch solche Arbeit, die man in einer Akademie, wie Sie sie leiten, tut, dass man also wirklich Frauen recht systematisch drauf vorbereitet?

Schaeffer-Hegel: Herr Scholl, Sie haben am Anfang das Programm "Preparing women to lead" erwähnt. Das war unser erstes Programm. Und wir haben - das ist jetzt auch schon wieder fast zwei Jahre her - die Absolventinnen dieses ersten Kurses wieder nach Berlin eingeladen. Und das war eine wahre Freude. Also diese jungen Frauen, wir haben das schon damals gemerkt, als sie in unserem Programm waren, dass sie am Ende des Programms ganz anders dastanden als am Anfang.

Und die hatten in der Zwischenzeit - das waren inzwischen drei Jahre - eine Entwicklung genommen in ihrem beruflichen und ihrem persönlichen Leben, die einem wirklich ganz große Freude gemacht haben. Sie standen wie die Eins da, die konnten sprechen, die haben von ihrem beruflichen Engagement erzählt, die haben von ihren Erfolgen erzählt.

Also, wir sind der Meinung oder haben die Beobachtung, wir haben es auch durch Auswertungen unserer Umfragen bei den Teilnehmerinnen, dass dieses relativ kurze, in diesem Fall sind es drei Monate, Training und vor allem auch die gegenseitige Unterstützung der jungen Frauen in diesen Programmen unendlich viel dazu beiträgt, dass diese mit einer ganz anderen Entschlossenheit ihr Leben anpacken.

Scholl: Wie bereitet man Frauen auf Führungspositionen vor, das war Barbara Schaeffer-Hegel, erste Frau an der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft. Danke Ihnen sehr für das Gespräch.

Schaeffer-Hegel: Danke, Herr Scholl.