Trotz Missgeschicken glücklich

Rezenseniert von Tobias Rapp |
Mit seinem Debüt hat George Hagen einen amerikanischen Familienroman geschrieben, der seit Erscheinen in 14 Sprachen übersetzt wurde. Auf eine den "Simpsons" verwandte Weise ist diese Familie trotz aller Missgeschicke glücklich.
Er ist eine Institution, der man nicht entgehen kann, mag man die amerikanische Literatur der Gegenwart: der Familienroman. Die Familie scheint jener privilegierte Ort zu sein, wo amerikanische Schriftsteller ihre Verankerung in der Wirklichkeit suchen - sei es, weil die Gesellschaft im neoliberalen Kapitalismus anderen Halt nicht mehr vorsieht (das wäre auch eine Lesart des Erfolgs von Jonathan Franzen), sei es weil es als Einwandererkind die beste Art und Weise ist, die Zeitläufte zu schildern, die einen durch allerlei Unbill schließlich zu dem gemacht haben, was man ist: Amerikaner mit buntem ethnischen Hintergrund (so könnte man beispielsweise Jeffrey Eugenides lesen, der für seinen Roman über eine griechische Einwandererfamilie 2003 den "Pulitzer Prize" bekam).

George Hagen kann eher letzterem Lager zugerechnet werden, ist er doch in Südafrika geboren und aufgewachsen und hat über einen Aufenthalt seiner Familie in England seinen Weg nach New York gefunden, wo er u.a. als Drehbuchautor gearbeitet hat. Insofern ist sein erster Roman "Die Zöglinge des Dr. Underberg" auch deutlich autobiographisch geprägt.

Trotzdem ist die Familie Lament, die der Autor von Rhodesien (man stolpert ein wenig über das Wort, aber wir schreiben die fünfziger Jahre und Simbawe gab es noch nicht) über Bahrain und England schließlich ins New Yorker Umland nach New Jersey führt, auch einer ganz anderen prominenten amerikanischen Familie verbunden - den "Simpsons" aus der gleichnamigen Vorabendzeichentrickserie. Durch den schwarzen Humor und den ständigen Kampf, in einer satirisch überzeichneten Umwelt zurechtzukommen.

Schon die Geburt von Will, dem ältesten Sohn, ist eine solche Geschichte. Denn eigentlich ist er gar nicht das Kind seiner Eltern. Das schnappt sich eine andere Mutter aus dem Wochenbett, weil sie es hübscher findet und macht sich aus dem Staub, um kurz darauf mitsamt dem Baby bei einem Autounfall ums Leben zu kommen. Den leiblichen Eltern bleibt Will, der Sohn dieser Frau, den zu adoptieren sie von eben jenem Titel gebenden Dr. Underberg überredet werden. Ein Sohn, der nicht aussieht wie seine Geschwister und doch genau deshalb ein typisches Kind dieser Familie ist, die einen Vater hat, der es nie irgendwo lange aushält, und eine Mutter, die sich ebenfalls gerne verzettelt. Auf eine den "Simpsons" verwandte Weise ist diese Familie trotz aller Missgeschicke doch glücklich.

Aber die Frage nach der Identität zieht sich quer durch den Roman. Gerade weil die Familie Lament sich durch ständigen Ortswechsel jeder Festlegung immer wieder zu entziehen sucht. Doch fast jeder Name in "Die Zöglinge des Dr. Underberg" trägt eine Bedeutung. Entweder, weil sein Träger ihm voll und ganz entspricht oder weil genau das Gegenteil der Fall ist. "Der Vorname eines Kindes ist sein Zugang zur Welt", sagt Wills Mutter. Der Nachname der Familie "Lament" scheint allerdings eher vom Himmel gefallen zu sein, denn beschweren tun sich ihre Mitglieder tatsächlich nie, es kommt eben wie es kommt und man muss weitermachen.

Alles in allem erinnert Hagens Buch in seinen Schilderungen der Abenteuer dieser Familie im Allgemeinen und ihres Sohnes Will im Besonderen auch an den Roman von John Irving "Garp und wie er die Welt sah". Das könnte vielleicht den gigantischen Erfolg erklären, den das Buch seit seinem Erscheinen gehabt hat. Obwohl ein Erstlingsroman, ist es bisher in 14 Sprachen übersetzt worden.

George Hagen: "Die Zöglinge des Dr. Underberg". Aus dem Amerikanischen von Sibylle Schmidt. Goldmann Verlag, München 2005. 448 Seiten, 19,90 Euro