"Ich mach doch nicht in die Windel"
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Lkw fahren war schon immer ein harter Job. Doch derzeit ist die Arbeit hinter dem Steuer überhaupt kein Spaß mehr: Die Trucker leiden unter geschlossenen Toiletten und Duschen, auch eine warme Mahlzeit gibt es an den Raststätten oft nicht mehr.
Ich bin auf der Autobahn A1 Hamburg Richtung Puttgarden unterwegs, freie Fahrt. Es ist wenig Verkehr. Immer wieder überhole ich Lkws mit ausländischen Kennzeichen. Erster Stopp ist in Neustadt auf einer der Raststätten des Branchenprimus Tank und Rast. Ein bulgarischer Fahrer tankt.
Dann geht er in das Tankstellengeschäft zum Bezahlen – außer uns beiden und den beiden Verkäufern ist keiner da. Thorsten Wolter, der Mann an der Kasse, erzählt:
"Wir haben schon von Fahrern gehört, dass es schlimm sein soll auf anderen Rastplätzen. Aber bei uns ist alles sauber, die Klos werden geputzt, die Duschen sind kostenlos, das haben die Fernfahrer auch verdient. Hier sind die Wickelräume, hier hängen Schilder, die Schlüssel sind an der Tankstelle abzuholen."
Hier sind die sanitären Anlagen sauber - aber das wundert mich auch nicht, weil ich angekündigt war und eine Genehmigung bei Tank und Rast für die Reportage eingeholt habe.
"Wir tun was wir können, wir sind ja die Helfer, die den Helfern helfen."
Kochen mit dem Bunsenbrenner
Die Gastronomie ist aber auch hier bei Tank und Rast geschlossen. Es wirkt alles ein bisschen gespenstisch. Ein anderer bulgarischer Fahrer kocht mit Bunsenbrenner im freien Frachtraum seines Lkw. Die anderen schlafen wohl in ihren zehn geparkten Brummis oder ruhen sich aus.
Dann treffe ich zwei Beamte vom Bundesamt für Güterverkehr, die Streife fahren und kurz Pause machen. Sie bleiben im Auto und erzählen hinter vorgehaltener Hand, dass diese Raststätte eine positive Ausnahme darstellt – nur ein paar Kilometer weiter Richtung Hamburg sähe es auf einer Raststätte so aus: Keine Dusche, keine Toilette – auch die Gastronomie sei geschlossen.
Thomas Jancke und seine Frau Christiane fahren seit über 20 Jahren beide Lkw im Norden – meistens von Hamburg nach Bremerhaven zu den Eurogates. Das Leben für Brummifahrer war schon vor Corona nicht gerade rosig: Termindruck, wenig Platz auf den Raststätten zum Parken, teures, warmes Essen.
Keine Desinfektionsmittel, verschmutzte Dixiklos
Aber solche Zustände wie derzeit an den Rasthöfen haben sie noch nie erlebt: "Eine Erfahrung in Grundbergsee: Da kann ich mich als Frau nicht mal eben neben den Baum stellen, und in die Windel mache ich nicht." Auch im Hafen, wo sie die Fracht abliefere, seien die Zustände schlimm.
"Die Abstände werden nicht eingehalten, da ist kein Desinfektionsmittel, und dann stehen da nur die Dixiklos, da holst du dir sonst was weg."
Und wenn die Toiletten auf den Raststätten nicht geschlossen sind, könne man sie kaum betreten, erzählt ihr Mann Thomas Jancke: "Dreckige Toiletten, also immer, wenn ich komme, sind die Parkplätze überfüllt – ich muss dann in den Wald gehen. Ich mach doch nicht in die Windel."
Markus Wolters, Sprecher des Bundesverbandes "Spedition und Logistik", findet, dass die Lkw-Fahrerinnen und Fahrer nicht gut behandelt werden.
"Lkw-Fahrer werden zwar als Helden des Alltags gefeiert, ihre Arbeitsbedingungen in der Coronakrise haben sich aber verschlechtert", kritisiert er. "Die menschenunwürdigen Zustände sind aber schon wieder besser geworden. Das muss aber noch besser werden. Es war gut, dass der Bundesverkehrsminister mit Tank und Rast gesprochen hat."
Mahnende an den Branchenführer
Offenbar hat es von der Bundesregierung mahnende Worte an den Branchenführer gegeben.
Der Sprecher von Tank und Rast, Dietmar Thomas, bestätigt, dass genauer hingeschaut wird: "Wir brauchen bei Beschwerden konkrete Hinweise. Wir haben alle Tankstellen rund um die Uhr geöffnet und dort das Speisenangebot erweitert."
Christiane Jancke und ihr Mann gehen lieber auf Nummer sicher: Sie haben einen guten Freund und der ein Unternehmen, das auf ihrer Strecke liegt - da können sie dann ihre Notdurft verrichten.