True-Crime-Podcasts

Mehr als nur Krimi?

52:13 Minuten
Die Silhouette einer Hand vor einem roten Hintergrund
Podcasts über wahre Verbrechen: Faszination für die blutigen Hände des Täters. © Eyeem / Ari Spada
Von Karla Kenya, Dennis Kogel und Carina Fron |
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Verbrechen sind beliebt, zumindest auf den Kopfhörern. Der Hype um True-Crime-Podcasts nimmt kein Ende. Wir vergleichen die Podcasts "Zeit Verbrechen", "Täter unbekannt" und "Verified". Wie gelingt ihnen die Balance zwischen Grusel und Journalismus?
Der Kriminalpodcast "Verbrechen" der Wochenzeitung Zeit gehört zu den erfolgreichsten Formaten in Deutschland, erreicht stets prominente Plätze in diversen Podcast-Charts und hat es bei Spotify auf Platz drei der meistgestreamten Podcasts Deutschlands 2019 geschafft. Wer über True-Crime-Podcasts in Deutschland reden will, kommt an "Zeit Verbrechen" also nicht vorbei.
"Zeit Verbrechen": Aus dem Fundus einer Gerichtsreporterin
Seit 2018 besprechen Sabine Rückert, Gerichtsreporterin und stellvertretende Chefredakteurin der "Zeit", und ihr Kollege Andreas Sentker alle zwei Wochen Kriminalfälle, eher unbekannte Fälle genauso wie medial präsente Verbrechen. Dabei profitiert der Kriminalpodcast stets von Sabine Rückerts Erfahrungen, denn viele der im Podcast besprochenen Fälle hat sie selbst in der Vergangenheit journalistisch aufgearbeitet. Zudem versuchen Rückert und Sentker auch immer, anhand eines Falles eine größere Gesellschaftsdebatte zu diskutieren.
Unsere beiden "Über Podcast"-Moderatoren sind sich einig: "Zeit Verbrechen" ist dabei vor allem eine "Sabine-Rückert-Show". Karla Kenya ist Fan und hat deswegen fast jeden Episode gehört. Dennis Kogel hingegen kann dem Kriminalpodcast nicht so viel abgewinnen: "Der Stand der Recherche bleibt meistens – in den Folgen, die ich gehört habe – eingefroren auf diesen Moment der Veröffentlichung des Zeit-Artikels, was gelegentlich Jahre in der Vergangenheit liegt. Deswegen hinterlässt das bei mir einen ganz komischen Nachgeschmack."
"Täter unbekannt": Neue Ermittlung dank Recherchen
Der US-amerikanische True-Crime-Podcast "Serial" mit seinen mittlerweile drei Staffeln gilt als das Vorbild schlechthin, wenn es um das Genre True-Crime geht. Kein Wunder also, dass auch die Macher von "Täter Unbekannt" inspiriert waren und bei ihrem Podcast einen ähnlichen Ansatz wählten.
In den zwei Staffel begeben sich Anouk Schollähn und Thomas Ziegler von NDR2 auf die Suche nach zwei vermissten Frauen, sprechen mit dem persönlichen Umfeld und mit Zeugen, gehen Hinweisen nach. Die Frauen verschwanden beide vor fast 20 Jahren, bis heute gibt es keine wirkliche Spur von ihnen. Doch der Podcast hat es geschafft, dass in beiden Fällen wieder verstärkt ermittelt wird.
Im Interview mit "Über Podcast" erzählt Anouk Schollähn, warum den Journalisten die Zustimmung der Familien zu diesem Projekt so wichtig war, welche Bedeutung Transparenz in der Entstehung hatte und darüber, welche Verantwortung die beiden als Journalisten haben: "Man führt wahnsinnig viele Gespräche und man bekommt da auch Informationen, die uns geholfen haben, diese beiden Frauen zu verstehen, die aber nichts mit den Fall zu tun haben. Das ist dann – wie ich finde – eine sehr wichtige Grenze, die den Journalismus von der Sensationslust abgrenzen muss. Das geht niemanden etwas an."
"Verified": Opfer-Geschichten statt Täter-Hype
Viele True-Crime-Formate neigen dazu, den meist männlichen Täter in den Mittelpunkt zu stellen – immerhin sorgt das Mutmaßen über seine Motive meist für die größte Aufmerksamkeit, der Täter übt eine gewisse Faszination aus. Dennoch bietet das True-Crime-Genre eben auch die Möglichkeit, den Opfern und ihren Angehörigen eine Stimme zu geben. Genau das schafft der Podcast "Verified" auf Stitcher.
Dort erzählt die Investigativjournalistin Natasha Del Toro die Geschichte von Frauen auf der ganzen Welt, die einem bestimmten Polizisten zum Opfer gefallen sind. Dieser hat mithilfe eines Couchsurfing-Profils Frauen zu sich nach Padua in Italien gelockt, sie dort unbemerkt unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht.
Doch zunächst wollten viele Menschen den Frauen nicht glauben, dass sie Opfer eines Verbrechens geworden sind. Erst mit Hilfe eines Journalisten-Teams von IRPI, dem Investigative Reporting Project Italy, konnten sich die Frauen Gehör verschaffen und den Polizisten zur Verantwortung ziehen. Unsere beiden "Über Podcast"-Moderatoren sind begeistert und glauben, dass "Verified" Podcastmacherinnen und -macher dazu anregen kann, das True-Crime-Genre journalistisch weiterzuentwickeln – jenseits des Grusel-Faktors und Täter-Hypes.
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