Im eigentlichen Bratwurstland Thüringen findet man heute als natürliche Trüffelvorkommen zum Beispiel den geschützten und von Gourmets geschätzten Burgundertrüffel. Früher, im alten Rom und Griechenland, wurden die faszinierenden und mythologisch aufgeladenen Knollen noch als Heilmittel und Aphrodisiakum geschätzt.
Später liebten die europäischen Fürstenhäuser diese Pilze als Spezialität bei ihren Banketten und Waldarbeiter verdienten sich damals als „Trüffeljäger“ ein ordentliches Zubrot. Wo Trüffeln zu finden sind, war oft ein Geheimwissen, das in der Familie weitergegeben, aber nicht dokumentiert wurde.
Deutschland war Trüffelexportland
Bis in die 30er-Jahre war Deutschland sogar Trüffelexportland – demnach gab es Trüffel im Überfluss. Sie kamen nicht nur in Thüringen vor, sondern vor allem auch in Bayern und Niedersachsen. Doch viel vom Wissen über Trüffel ging verloren und durch die Industrialisierung der Landwirtschaft wurden natürliche Standorte vernichtet.
Von den rund 300 Trüffelarten sind nur einige kulinarisch interessant. Der weiße Alba-Trüffel findet sich sogar regelmäßig unter den Top Fünf der weltweit teuersten Lebensmittel, gleich hinter Kaviar und Safran. Beliebt ist auch der Périgord-Trüffel oder schwarze Trüffel, der in Spanien, Italien und im Süden Frankreichs in symbiotischer Verbindung mit der Steineiche gedeiht.
Diese beiden gibt es in Thüringen allerdings nicht, sie können auch schwer bis gar nicht kultiviert werden. Aber unter den über 100 verschiedenen Trüffelarten, die hier schon gefunden wurden, befindet sich eben auch der Burgundertrüffel, weiß Anja Kolbe-Nelde. Die Trüffelexpertin lebt in Schönewerda, einem kleinen Dorf eine Stunde von Erfurt entfernt, in dem sie auch aufgewachsen ist.
Von der Pilzleidenschaft gepackt
Schon als Kind ging sie mit ihren Eltern in den Wald, um klassische Speisepilze zu suchen. Ihre Pilzleidenschaft hat sie später aber so gepackt, dass sie ihren Job bei einer Bank aufgab: Sie absolvierte verschiedene Kurse und Prüfungen als Pilzsachverständige und Trüffelberaterin und machte sich selbstständig.
Mit ihr und ihren beiden eigenen Trüffelhunden Jette und Alba geht es zu einer möglichen Fundstelle. Aber es gibt natürlich keine Garantie, dass dort wirklich Trüffel sein werden.
Ich weiß es nicht, weil: Es hat eben kaum geregnet. Im Sommer war ich da schon mal gucken. Selbst da war nicht viel. Aber gut. Es kann immer sein, dass jetzt Fruchtkörper reif geworden sind, die da noch nicht reif waren, die die Hunde auch noch nicht anzeigen konnten.
Die Trüffel wollen gefunden werden, um sich zu verbreiten, weil er ja das Sexualorgan des Pilzes ist. Wie soll er sich vermehren oder verbreiten oder weitergetragen werden? Das schafft er nur durch Tiere oder durch Entnahme.
Anja Kolbe-Nelde, Trüffelexpertin
Erst schnüffeln die Hunde am Wegrand, dann schlagen sie sich ins Gebüsch, immer die Nase tief am Boden. Die beiden gehören übrigens zur Rasse Lagotto Romagnolo, die in Italien klassischerweise für die Trüffelsuche eingesetzt wird. Man kann aber auch jeden anderen Hund darauf trainieren, erklärt die Expertin.
Ein Kilopreis von etwa 700 Euro
Kurze Zeit später schlägt Jette an, guckt nach oben, fängt an zu graben, dass es staubt. „Wenn sie so tief gräbt, könnte es Burgunder sein“, erklärt Anja Kolbe-Nelde. Und tatsächlich. „Ich sehe ihn schon– ja wir haben einen Burgundertrüffel. Jette super!“ Dafür bekommt sie nun auch von ihrer Besitzerin eine Belohnung – Hundeleberwurst.
Der nur etwa haselnussgroß große gefundene Trüffel ist etwa 15 bis 20 Euro wert, der aktuelle Kilopreis von Herbsttrüffeln liegt derzeit bei etwa 700 Euro.
Es darf aber nicht jeder einfach losziehen und Trüffel suchen, erklärt Anja Kolbe-Nelde.
Die Burgundertrüffel, überhaupt die Tuberarten, sind in Deutschland geschützt und dürfen dem Boden nicht so entnommen werden, wenn sie in der freien Natur liegen. Wenn ich sie aber anbaue, dann darf ich das. Ich habe eine besondere Genehmigung: Weil wir jetzt hier an einer Forschungsstelle waren, wo wir untersuchen, ob der Fruchtkörper reif ist oder nicht.
Anja Kolbe-Nelde
In ihrer Pilzschule in Schönewerda hat sie einen richtigen Schulungsraum mit mehreren Mikroskopen. Denn sie gibt nicht nur Kurse für Pilzinteressierte, sondern erforscht auch mit Mykologen, also Pilzexperten an der Uni Jena, die Trüffelvorkommen in Thüringen.
Erforschung der besten Anbaubedingungen
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes experimentiert sie auf einem freien Feld in der Natur. Sie untersucht die perfekten Anbaubedingungen in Bezug auf Bodenbeschaffenheit, ideale Baumarten, die passenden Gräser und Bakterien.
Denn züchten im direkten Sinn kann man Trüffel nicht. Aber man kann ihnen die perfekte Umgebung bieten. Zu diesem Zweck hat Anja Kolbe-Nelde eigene Trüffelplantagen angelegt, züchtet die richtigen Baumarten, deren Wurzeln bereits mit Trüffelsporen geimpft sind.
Die Trüffelexpertin hat damit ehrgeizige Ziele. Sie will Thüringen zum Trüffelland machen und bekannten Trüffelregionen in Frankreich oder Italien den Rang ablaufen.