America first – was sonst?
US-Präsident Trump steht vor seiner ersten großen Rede bei den Vereinten Nationen. Was wird er dort verkünden? Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger beschreibt das sehr pragmatische Verhältnis der USA zur UNO – das es auch schon unter Trumps Vorgängern gab.
Ute Welty: Ein High-Level-Meeting, ein hochrangiges Treffen, um über die Reformen der UNO zu sprechen, das steht heute auf der Agenda des amerikanischen Präsidenten, bevor Donald Trump morgen erstmals bei einer UN-Generalversammlung ans Rednerpult treten wird.
Klar ist, Reformbedarf bei den Vereinten Nationen besteht. Unklar ist, wie solche Reformen aussehen können und was Trump in dieser Hinsicht vorhat. Professor Thomas Jäger lehrt und forscht am Lehrstuhl für internationale Politik und Außenpolitik der Universität Köln und er ist Experte für amerikanische Außenpolitik. Guten Morgen, Herr Jäger!
Thomas Jäger: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Will Trump tatsächlich die UNO reformieren oder möchte er sie am liebsten abschaffen?
Jäger: Das weiß man nicht, das ist die Antwort von heute. Und er geht einerseits in der Politik weiter, die die Amerikaner schon vorher angelegt hatten, dass man die UNO vor allem effektiver und effizienter machen will, dass man sie möglicherweise auch beschränken will, und auf der anderen Seite ist das jetzt sein erstes Abtasten, das er mit dieser Organisation hat.
Und das bringt ihn in eine ziemliche Zwickmühle. Denn die Vereinten Nationen sind in der amerikanischen Bevölkerung überhaupt nicht gut angesehen und insbesondere die Trump-Wähler wären wahrscheinlich glücklich, wenn die Vereinten Nationen über den Atlantik schwimmen würden und weg wären.
Die US-Bürokratie kennt den Wert der UNO
Das ist in der Bürokratie ganz anders. Da weiß man um den Wert dieser Organisation und da kämpfen jetzt auch die Ministerien miteinander, wie positiv seine Rede ausfallen wird. Und gleichzeitig wird eben etwa auch an dem Umgang mit der Krise in Nordkorea, die ein wichtiger Bestandteil seiner Rede sein wird, sichtbar, wie beschränkt dann doch der Effekt ist, den die Vereinten Nationen auslösen können.
Welty: Was soll denn die UN aus Sicht von Donald Trump leisten, und wo sollen sich die Vereinten Nationen besser raushalten? Lässt sich da schon so etwas wie eine Grenze ziehen zwischen diesen beiden Punkten?
Jäger: Was das in konkreter Politik bedeutet, lässt sich im Moment nicht sagen. Trump war einer der großen Kritiker der Vereinten Nationen, hat immer wieder gesagt, das ist ein Moloch, in dem Steuergeld verschwendet wird. Und viele derer, die aus amerikanischen Administrationen bei den Vereinten Nationen gearbeitet haben, sagen, das ist ein Dickicht an Bürokratie, der einfach nur teuer ist und keine Effekte hat. Das ist also nicht nur Trump alleine, der das denkt.
Dass er mehr Vereinte Nationen haben will, also die Reform dahingehend bewegen möchte, dass am Ende die Vereinten Nationen, der Generalsekretär gestärkt sind, das wird man ausschließen können. Und das deutet sich ja auch an bei den Schlagworten, die zumindest sein Sicherheitsberater für die Rede gegeben hat, nämlich dass Trump unter anderem über Souveränität und Verantwortung reden will. Und das ist etwas, was als Chiffre immer dafür gilt: Lasst uns doch in Ruhe, wir wollen uns nicht nach internationalen Regeln richten, wenn sie uns nicht gefallen, und wollen eben alleine bestimmen. Das ist mehr "America first" als "Vereinte Nationen".
Welty: Wenn der amerikanische Präsident eine schlankere UNO haben will, dann wird er dafür auch weniger bezahlen wollen, oder?
Trump will die Beiträge kürzen
Jäger: Das ist ein zentrales Motiv dabei und das hat er ja auch schon angekündigt, dass die Vereinigten Staaten das Budget hier kürzen werden.
Das Problem ist, das liegt nicht in seiner Hand, sondern das entscheidet letztlich der Kongress und der ist diesen Schritt noch nicht gegangen.
Man wird sehen, ob die Vereinigten Staaten dann wirklich hergehen, und insbesondere etwa bei den Friedensmissionen, wo Sie fast 30 Prozent der Kosten tragen, wirklich kürzen und damit diese Mission in Gefahr bringen. Das hat sich auf der einen Seite angedeutet, aber umgesetzt ist es noch nicht.
Und das ist genau die Klemme, in der ja doch viele Beobachter stecken: dass man immer diese Ankündigungen hat, etwa auch im Konflikt mit Nordkorea oder in Handelsfragen – aber die Umsetzung erfolgt dann zumindest noch nicht.
Welty: Wobei, wenn wir diesen Gedanken mal weiterspinnen: Die UN hat ja jetzt schon große Schwierigkeiten, beispielsweise das Welternährungsprogramm zu finanzieren. Weniger Geld aus Washington, wäre das in New York überhaupt zu verkraften?
Jäger: Das wäre eine schlichte Katastrophe. Und das weiß man bei den Vereinten Nationen auch. Entsprechend wird man eben mit Trump umgehen, weil man weiß, er ist der wichtigste Geldgeber und er ist derjenige, der das momentan kürzen kann.
Wer kann einspringen?
Bei anderen wird ja doch der Wert der Vereinten Nationen höher betrachtet und die Diskussion in Deutschland hat das schon Anfang des Jahres aufgegriffen, indem gesagt wurde: Wir müssen in Europa überlegen, wer dann einspringt!
Denn man weiß, dass alles andere viel teurer würde, wenn man das jetzt aus den Vereinten Nationen herauszieht. Und insgesamt sind die VN auch gar nicht so teuer. Mit etwas über fünf Milliarden im Kernbudget ist das überschaubar, wenn man sich den amerikanischen Haushalt betrachtet.
Es ist sozusagen da nicht die schiere Zahl, sondern auch die Frage: Will Trump das seinen Wählern verkaufen? Man muss das immer mitdenken, die hat er im Blick. Und wenn er etwa eine feurige Rede für die internationale Kooperation halten würde, dann würden wahrscheinlich zwei, drei widersprüchliche Tweeds nicht ausreichen, seine Basis zu beruhigen.
Welty: Bei einer UN-Generaldebatte spielt sich vieles auch am Rande ab. Der iranische Präsident Rohani beispielsweise hat jetzt die USA eingeladen, doch wieder an einem gemeinsamen Tisch Platz zu nehmen und zu essen und nicht in einem anderen Raum zu speisen. Kann Trump mit einer solchen Symbolik, mit einer so blumigen Rhetorik überhaupt umgehen?
Jäger: Das Programm steht ja weitgehend fest, was die Gespräche außen herum angeht. Sie haben schon angesprochen, ein erster Termin, über die Reformen zu sprechen, steht heute schon an. Hier hat man ja im Vorfeld mit einer ganzen Reihe von Staaten, auch mit der Bundesrepublik Deutschland, ein Papier verfasst, in dem man sich schon auf ein paar Punkte geeinigt hat. Und das wird jetzt weitergeführt.
Schritte auf der internationalen Bühne
Trump wird auch mit dem israelischen Ministerpräsidenten zusammentreffen, er wird den japanischen Premierminister treffen und den Präsidenten Südkoreas, da wird es um die Krise im Pazifik gehen. Er trifft sich mit dem Emir von Oman und von Katar und mit anderen, und man wird sehen, wie er sich auf dieser Bühne bewegt.
Er hat allerdings nicht alle Termine auf seinem Kalender, sondern der Vizepräsident wird einige Termine übernehmen und auch der Außenminister wird anwesend sein und eine Reihe von Terminen, etwa mit dem Iran, tragen.
Welty: Viele sehnen sich ja nach Trumps Vorgänger Obama zurück. War unter ihm und den anderen US-Präsidenten alles tatsächlich anders und besser?
Jäger: Vor allem die Rhetorik war unter Obama anders. Obama war rhetorisch immer auf Multilateralismus gebürstet und er hat immer gesagt, dass das das Verfahren ist, das eigentlich angewendet werden muss, um international zu Normen und Regeln zu kommen, dass man Vereinbarungen gemeinsam treffen muss.
Obamas Rhetorik war anders - die Politik nicht unbedingt
Aber wenn es dann darum ging, Politik zu machen, dann haben sich Trumps Vorgänger genauso verhalten, wie sich Trump verhalten wird, nämlich wenn es im amerikanischen Interesse liegt, dann wird man die VN nutzen, und wenn es nicht im amerikanischen Interesse liegt, dann wird man sie eben nicht nutzen. Multilateral, wenn es geht, unilateral – also auf eigene Kappe und alleine –, wenn es sein muss.
Welty: Die USA und die UNO – eine Analyse von Politikwissenschaftler Thomas Jäger. Haben Sie dafür herzlichen Dank!
Jäger: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.