Trump sei Dank!

Der amerikanische Mephisto

US-Präsident Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel
Ob der US-Präsident ein Teil jener Kraft ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, fragt sich Jörg Himmelreich. © Pool AP
Von Jörg Himmelreich · 07.07.2017
Donald Trumps unberechenbarer Politikstil hat in Europa dazu geführt, dass wir uns wieder auf Grundwerte wie Recht, Freiheit und Demokratie besinnen, findet Jörg Himmelreich. Wie ein Mephisto habe er ungewollt dafür gesorgt, dass politisches Augenmaß und kluge Kooperation wieder hoch im Kurs stehen.
Die politischen Ergebnisse dieses G-20 Gipfels der 20 Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sind höchst ungewiss. Das hat auch mit der erratischen Unberechenbarkeit der Politik des US-Präsidenten Trump zu tun.
Trump zerstört jede Bemühung um eine liberale Weltordnung und jeden multilateralen und auf Interessenausgleich zielenden Politikansatz, wie kein US-Präsident vor ihm. Das ist Anlass für größte Sorge, betrifft es nun die ureigenen amerikanischen Interessen, Trumps Politik im Nahen Osten oder die gegenüber Nordkorea.

Rückbesinnung auf europäische Werte

Aber hat Trump nicht fast wie ein Mephisto - "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" – ungewollt gerade durch seine beängstigenden Verunsicherungen zumindest in Kontinentaleuropa eine neue Selbstvergewisserung "westlicher" Werte hervorgerufen?
Offensichtlich ist Europa plötzlich wieder bewusst geworden, wie wesentlich unser Frieden und Wohlstand von Recht, Freiheit und Demokratie abhängen und wie wenig selbstverständlich, und umso schutzbedürftiger sie sind!
Besinnt Kontinentaleuropa sich nicht gerade durch Trumps dumme Absagen an freien Welthandel, an offene Gesellschaften, an Märkte und an globalen Klimaschutz nicht wieder auf seine Werte der politischen Aufklärung und der europäischen Integration zurück?

Europäische Absage an den Rechtspopulismus

Trump ist in Europa mittlerweile zum abschreckenden Negativbeispiel geworden. Er führt uns vor, wie eine Politik aussieht, die Recht und Kompromiss missachtet. Und sein Negativbeispiel wirkt.
Die Rechtspopulisten in Westeuropa, die Trump als einen der ihren feierten, befinden sich seit Beginn dieses Jahres im Sinkflug der Wählergunst. Der holländische Rechtspopulist Geert Wilders, der zuvor Trump zujubelte, verlor im März die Wahl in den Niederlanden.
Marie Le Pen vom Front National imitierte bei der entscheidenden Fernsehdebatte der französischen Präsidentschaftswahl mit ihren kenntnislosen, aggressiven Pöbeleien den Stil von Trump und: verlor. Mehr noch: Macron wurde mit einer dezidiert pro-europäischen Wahlkampagne gewählt.
Und auch die Bundeskanzlerin distanziert sich, wenn sie sagt: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Und: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen."

Merkel als Ikone westlicher Diplomatie

Diese beiden Erkenntnisse aus dem Munde der deutschen Bundeskanzlerin – das schlug weltweit ein wie eine Bombe. Im Ausland wird sie spätestens seitdem zur Ikone "westlicher" Ideale erhoben, die für die diplomatische Lösung der globalen Herausforderungen steht, ein Schuh, der natürlich für die Bundesrepublik viel zu groß ist.
Die Kanzlerin lehnt es deswegen auch ab, ihn sich anzuziehen. Und damit bestätigt sie doch gleichzeitig schon wieder einen Politikstil "westlicher" Vernunft. Nicht "Germany First" ist die Devise, sondern politisches Augenmaß und kluge Kooperation. Darin besteht deutsche und europäische "Soft Power".

Merkel kann nur gewinnen

Trumps Negativbild führt so zu dem kuriosen Ergebnis: Was immer der G-20 Gipfel auch beschließt und sogar, was er nicht beschließt, es wird die Stellung der Bundesrepublik und der Kanzlerin in Europa stärken. Gelingt ein gemeinsames, ernsthaftes Bekenntnis zu freien Weltmärkten, Wettbewerb und Klimaschutz, so ist der Gipfel ein Erfolg, scheitert es an Trump, stärkt G-20 die Kanzlerin einmal mehr als leuchtendes Gegenbeispiel.
Das ist eine der wenigen Gewissheiten des G-20 Gipfels. Trump sei Dank!

Jörg Himmelreich schreibt als Autor für die "Neue Zürcher Zeitung" und forscht zu kulturgeschichtlichen und außenpolitischen Themen Russlands und Asiens. Er war Mitglied des Planungsstabs des Auswärtigen Amts in Berlin sowie Gastdozent in Washington, Moskau und London.

© Peter Ptassek
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