Trump und die Demokraten

Das liberale Amerika braucht eine neue Agenda

04:24 Minuten
Die US-amerikanische Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez (Demokraten) steht auf einer Bühne. Im Hintergrund ist der Schriftzug "The Green New Deal" zu erkennen.
Starpolitikerin Alexandria Ocasio-Cortez bringt Schwung in die Kampagne für einen Green New Deal. © picture alliance / dpa / AP Photo / Cliff Owen
Ein Kommentar von Max Paul Friedman · 03.06.2019
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Alle Bemühungen, den US-Präsidenten juristisch zu belangen, sind gescheitert. Zeit für einen Strategiewechsel, meint der Historiker Max Paul Friedman: Wie wäre es mit politischer Opposition? Der "Green New Deal" und die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez zeigen, wie es geht.
In den letzten zwei Jahren hat es sich das linksliberale Amerika abends auf dem Sofa bequem gemacht und im Fernsehen verfolgt, welche Russen sich mit welchen Mitgliedern der Trump-Kampagne getroffen haben und mitgezählt, wie viele seitdem angeklagt oder inhaftiert worden sind. Ein atemberaubendes Vorspiel für den mit großer Hoffnung erwartet Abschlussbericht des Sonderstaatsanwalts Robert Mueller. Dessen explosive Enthüllungen, da war man sich sicher, würden ein "nixonisches" Ende der Trump-Präsidentschaft bringen.

Die Trump-Obsession abschütteln

Jetzt, wo der Mueller-Bericht nicht mit einem Knall sondern einem Wimmern zündete, spalten sich Amerikas Demokraten in zwei Lager: Das eine will, dass das Repräsentantenhaus das tut, was Mueller nicht getan hat: Das Verhalten von Trump weiter skandalisieren und ihn so aus dem Amt drängen. Das andere möchte die Trump-Obsession abschütteln und die Partei auf der Grundlage einer neuen Agenda wieder aufbauen.
Man kann nur hoffen, dass sich letztere durchsetzen. Denn es gibt tatsächlich sichtbare Ansätze und echte Lösungsvorschläge für echte Probleme: Studiengebührenfreie Unis, universelles Grundeinkommen, staatliche Gesundheitsversorgung, Rückkauf von automatischen Waffen. Um nur einige zu nennen. Es gibt 24 Kandidaten für das Weiße Haus, und jeder scheint mindestens ebenso viele Ideen zu haben. Wie der Schauspieler Will Rogers mal gesagt hat: "Ich bin nicht das Mitglied einer organisierten politischen Partei. Ich bin Demokrat."

Die Klimapolitik vorantreiben

Die aufregendste Idee von allen ist auch die ehrgeizigste: The Green New Deal. Der strebt tatsächlich eine ökologische Wende der Industriegesellschaft an, um die zwei große Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen: den Klimawandel und die "Industrie 4.0" - die Automatisierung der Wirtschaft, die traditionelle Arbeitsplätze schneller zerstört, als die ursprüngliche industrielle Revolution es getan hat. Damals wurde das noch verstärkt durch eine ungerechte Steuerpolitik, was zu einer massiven sozialen Ungleichheit führte, zu Krawallen auf den Straßen und sogar zu Kriegen. Erst Franklin Roosevelts New-Deal-Reformen milderten die Spannungen.
Der Green New Deal ist, wie Roosevelts Konzept, erst mal nur eine Skizze und eine Orientierung, kein entwickeltes Gesetzesprojekt. Er zielt unter anderem - und vielleicht am wichtigsten - auf 100-Prozent erneuerbare Energie bis 2030, ermöglicht durch massive staatliche Investitionen.
Dazu kommen eine Reihe von Programmen zur Ausbildung und Beschäftigung von Arbeitnehmern. Neue und "grüne" Jobs in Infrastruktur, Industrie, Landwirtschaft und Transport. Ein mögliches Motto: "Save your Job, save your Planet!"

Abkehr von Hillary Clintons Strategie der Mitte

Wenn die Demokratische Partei das Konzept zu ihrem Wahlprogramm machen würden, wäre das eine völlige Abkehr von Hillary Clintons nur mittelmäßig erfolgreichen Strategie der mittleren Mitte. Es wäre eine Abkehr davon in Fragen der Wirtschaft und Staatsführung nur leiser das zu sagen, was die Republikaner laut brüllen. Die Graswurzelbewegung Sunrise Movement, Schulstreiker und junge Starpolitiker wie Alexandria Ocasio-Cortez aus der Bronx bringen Schwung in die Kampagne für einen Green New Deal. Zehn der Präsidentschaftskandidaten sind schon dabei.
Diese Rückkehr zu den Werten von Roosevelt zur Lösung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts könnte eine Erneuerung der Partei ermöglichen. Nach langer Zeit klingt da wieder etwas nach eine echten Alternative zu Donald Trumps Nach-mir-die-Sintflut-Raubtierkapitalismus.

Max Paul Friedman ist Geschichtsprofessor an der American University in Washington. Im Januar erhielt er den Friedrich-Wilhelm-Bessel-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung. Derzeit forscht er als Gast am Latein-Amerika-Institut der Freien Universität Berlin. Sein bekanntestes Buch "Rethinking Anti-Americanism" erschien bei Cambridge University Press.

Der Historiker Max Paul Friedman
© American University / Jeff Watts
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