Amerikas Brexit
Wie der Brexit ist die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ein Aufstand der Underdogs, kommentiert Hans Dieter Heimendahl. Trump habe zwar erfolgreich an niedere Instinkte appelliert, aber das Votum für den "Bad Boy" sei ein krampfhafter Versuch, die Komplexität der Welt zu leugnen.
Amerika hat seinen Brexit gewählt. Der Bad Boy Donald Trump, der Very Bad Boy Donald Trump wird der nächste amerikanische Präsident. Und keiner hat es kommen sehen. Weder die Meinungsforschungsinstitute, noch die politischen Kommentatoren. Das ist ein Schock, so sagte Ursula von der Leyen, und sprach aus, was für die meisten Politiker in Deutschland wie in den USA, ja, in Europa für den größten Teil der Öffentlichkeit gilt. Wie kann es sein, dass jemand, der in dieser Weise fremdenfeindliche, frauenfeindliche und rassistische Sprüche klopft, der unbeherrscht über politische Gegner oder Journalisten herfällt, und der keine anderen Lösungen als Ausgrenzung, Mauerbau und ein "zurück in die goldene Vergangenheit" vorzuschlagen hatte, die Wahlen zum ersten Mann im mächtigsten Staat der Welt gewinnt?
Ganz einfach: Eine Mehrheit hat ihn gewählt. Und das ist vielleicht die eigentliche Überraschung, dass diejenigen, die sich von dem sogenannten System, vom politischen Apparat in Washington und von den gesellschaftlichen Eliten verraten fühlen, in der Mehrheit sind. Donald Trump hat die Karte, die Alternative zum Establishment zu sein, mit großer Chuzpe gespielt, und mit jedem Regelverstoß diese Rolle nur noch weiter unterstrichen. Und die Medien haben dieses Spiel mitgespielt, ihm grenzenlose Aufmerksamkeit geschenkt und gerade da, wo sie ihn als nicht sachkundig, nicht würdig und nicht wählbar entlarvten, noch sein Spiel mitgespielt und seine Kampagne gestützt.
Plötzlich gibt er sich als Staatsmann
Wie der Brexit ist diese Wahl ein Aufstand der Underdogs, ein krampfhafter Versuch, die Komplexität der Welt zu leugnen, und ein Schlag mit der Faust auf den Stammtisch, dass die richtigen Rezepte doch gefälligst die einfachen sein müssen. Trump hat an die niedrigen Instinkte der angry white men appelliert und gewonnen. Und was passiert nun?
Schon in seinem ersten Auftritt als Wahlsieger hat Donald Trump eine Kehrtwende vollzogen und den Staatsmann gegeben, der dem Land dienen will. Aus dem Bad Boy ist der Grand Old Dad geworden. Das ist ein schon bekanntes Muster unter Populisten – wenn sie an der Macht sind, spricht aus ihnen das ganze Land. Oder ist das einer von vielen Rollenwechseln eines virtuosen, wenig zimperlichen Chamäleons, der schon als Unternehmer mal dieses und mal jenes, mal so und mal anders angefangen hat?
Seine politische Agenda ist schmal
Sieht man auf die politische Agenda von Donald Trump, staunt man, wie schmal sie ist, und wie wenig wir eigentlich wissen, was von ihm zu erwarten ist. Wird er eine neoliberale Wirtschaftspolitik forcieren oder wird er den Staat als Wirtschaftsmotor einsetzen und ein großes Investitionsprogramm auflegen? Mit beidem hat er im Wahlkampf geworben. Wird er die moralisch-politische Wende der Republikaner vollziehen, wie es mit den Mehrheiten in beiden Kammern leicht möglich wäre, oder wird er als liberaler Geschäftsmann aus New York doch eher ein laissez faire praktizieren und sich auf ökonomische Themen konzentrieren? Wird er eine isolationistische Außenpolitik betreiben, sich mit Putin verständigen und die amerikanischen Truppen aus Konflikten zurückziehen oder wird er die Globalisierungspolitik fortsetzen und vielleicht gar in stärkerem Maße die Welt Amerikas Stärke spüren lassen? Wir wissen es nicht.
Sicher wissen wir aber, dass es in dieser Richtung keine langfristig tragbaren Lösungen gibt, dass die Komplexität der Welt nicht reduzierbar ist, dass alle modernen Gesellschaften Migrantengesellschaften sind, und dass die Staaten der Welt nur gemeinsam die großen Probleme lösen können, heißen diese nun Klimawandel, Welternährung, wirtschaftliche Entwicklung oder soziale Gerechtigkeit.
So wird die Wahl von Donald Trump entweder ein letztes historisches Aufbäumen der alten weißen Mehrheit sein, der Beginn einer sozialen und politischen Kälteperiode in den USA oder Donald Trump wird in den nächsten Monaten einen Rollenwechsel vollziehen. Sein erster wäre es ja nicht.