"Unerwartet, unerfahren, uninformiert"
Donald Trumps Jerusalem-Entscheidung wirft in der israelischen Öffentlichkeit viele Fragen auf. "Heute weiß man weniger als gestern", sagt der politische Kommentator David Witzthum. Das Schlimmste, was passieren könnte: Dass aus dem israelisch-palästinensischen nun ein religiöser Konflikt wird.
Die Entscheidung von Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist fast überall auf der Welt auf Ablehnung und scharfe Kritik gestoßen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel war dem US-Präsidenten vor, "Öl ins Feuer" zu gießen.
Die Palästinenser haben für heute einen Generalstreik ausgerufen, morgen kommt der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. In der israelischen Öffentlichkeit wird derweil darüber spekuliert, welche Strategie die USA verfolgen.
"Man weiß überhaupt nicht, wohin er steuert"
Der Schritt Trumps sei unerwartet gekommen, sagte der politische Kommentator David Witzthum im Deutschlandfunk Kultur. Und Skepsis darüber sei unter den Israelis weit verbreitet. Denn Trump sei "unerfahren" und "uninformiert": "Man weiß überhaupt nicht, wohin er steuert."
Was jetzt kommt? Für Witzthum ist das Nachdenken darüber Stochern im Nebel: "Heute weiß man weniger als gestern." Die wichtigste Frage sei derzeit, ob aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt nun ein religiöser Konflikt werde, betonte Witzthum.
Sicher ist wohl nur: Eine Verlegung der US-Botschaft, die mit Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt verbunden ist, wird wohl Jahre dauern. Dadurch ergäbe sich die "Gelegenheit, noch mal zu denken", so der Kommentator.
Geht es um einen "Weckruf"?
Vielleicht sei Trumps Entscheidung ja auch ein "Weckruf" und die erste Stufe einer Strategie, mit der Trump Israelis und Palästinensern Verhandlungen unter Vermittlung der USA aufzwingen wolle. Das allerdings werde dann mit der rechten Regierung in Israel unter Netanjahu schwer, sagte Witzthum voraus.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte in einer Reaktion von einer "mutigen und gerechten Entscheidung" und einem "historischen Tag" gesprochen. Momentan sieht es so aus, als könne er durch die Jerusalem-Debatte nur gewinnen. Denn es hilft ihm, von den Korruptionsermittlungen abzulenken, die gegen ihn laufen. Und wenn tatsächlich die Gewalt ausbricht, die nächste Intifada kommt, wird Netanjahu laut Witzthum zu "Mister Security".
Der endgültige Status von Jerusalem ist einer der wesentliche Streitpunkte im Nahost-Konflikt. International herrschte bislang Einigkeit darüber, dass das Problem in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden muss. (ahe)