Die US-Republikaner sind gespalten und doch einig
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Nach den Ausschreitungen rund um das US-Kapitol gibt es mehr denn je Kritik an US-Präsident Donald Trump und seiner Partei. Obwohl Trump rote Linien überschritten habe, sieht der deutsche Republikaner Ralph Freund keine echte Spaltung der Konservativen.
Nach längerem Zögern hat US-Präsident Donald Trump die Gewalt republikanischer Anhänger am US-Kapitol in Washington verurteilt. Noch mehr überrascht allerdings: Der noch amtierende Präsident hat erstmals das Ergebnis der US-Wahlen vom 3. November anerkannt und damit seine Niederlage gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden eingestanden. "Das bedeutet, dass man die Amtsübergabe in ruhige Fahrwasser lenken möchte und demokratische Grundprinzipien anerkennt", erklärt Ralph Freund, Vizepräsident der "Republicans Overseas Germany".
Freund zweifelt nicht daran, dass Trumps Statement dazu mit Druck von außen entstanden ist. "Der Präsident hat aus meiner Sicht – und ich spreche für die US-republikanische Partei – drei Jahre lang eine sehr gute Amtszeit mit großen außen- und innenpolitischen Erfolgen gehabt." Dann hat er dem deutschstämmigen Republikaner zufolge in den letzten zwölf Monaten und auch vor der Wahl mit seinem Covid-Management, aber auch mit seiner Kommentierung der Rassenunruhen "einen Ton gefunden, der nicht präsidial ist. Seit seiner Abwahl hat Trump rote Linien überschritten."
Daher rät Freund: "Man sollte ihn auf den letzten Metern nicht noch mehr Porzellan zerschlagen lassen." So sei dann auch Trumps Eingeständnis entstanden. "Da hat man ihn eng an die Hand genommen", sagt Freund.
Trump habe "nicht initiiert, aber befeuert"
Die Verantwortung für die Ausschreitungen vor und im Kongress sieht der Investmentbanker allerdings nicht allein bei Trump. "Er hat die Sache nicht initiiert, aber er hat sie natürlich befeuert", so Freund weiter. Insofern treffe ihn eine Teilschuld - auch weil er dieser Gewalt nicht Einhalt geboten hat.
Eine politische Spaltung in der republikanischen Partei sieht Freund nicht "in Bezug auf außen-, innen- und wirtschaftspolitische Ziele". Stattdessen beklagt er eine Spaltung im Umgang mit der Öffentlichkeit und der Formulierung von Worten. "Der neue Kongress hat sehr viele junge Trumpisten nach oben gebracht, die auf der Welle von Trump gewählt worden sind und die es noch lange geben wird."
Der gebürtige Frankfurter, der in Stanford und Mannheim studierte, sei daher gespannt, wohin die Dinge sich innerhalb der Partei entwickeln werden: Polarisierung der Wählerschaft oder ein moderaterer Ton?
Biden mit historisch hauchdünner Stimmenmehrheit
Mit Spannung schaut Freund auch auf die kommende Präsidentschaft von Biden, der am 20. Januar sein Amt antritt. "Die Mehrheit von elf Stimmen im Repräsentantenhaus ist historisch als hauchdünn zu bezeichnen." Zudem sieht er die große Spanne an politischen Meinungen innerhalb der demokratischen Partei als Problem: Minderheiten, Gewerkschaften, Wall-Street-Millionäre. Biden müsse daher versuchen, diese breite Spanne zusammenzufügen.
"Er hat eine Anti-Trump-Koalition geschmiedet und war nicht so sehr inhaltlich stark, sondern darin, Trump abzuwählen", sagt Freund. Dieses Ziel sei erreicht worden, nun gehe es darum, demokratische Gesetzesvorlagen durchzubringen.
Eine zweite Amtszeit Trumps sieht Freund nicht, denn "er hat so vielen Leuten auf den Fuß getreten". Er hoffe daher auf den letzten Metern seiner Amtszeit auf einen ordentlichen Abgang und dann werde die Trump-Zeit politisch vorbei sein. "Wir werden aber natürlich noch immer den ehemaligen Präsident Trump haben, der über Twitter die Dinge kommentieren wird."
(lsc)