Trumps Wirtschaftsbilanz

Düstere Aussichten für die USA

Trump-Unterstützer in Des Moines, Iowa, während der "Thank You Tour 2016" des gewählten US-Präsidenten
Trump-Unterstützer in Iowa: Viele von ihnen leiden heute wirtschaftlich unter Trumps Außenhandelspolitik. Ihrem Präsidenten bleiben sie dennoch treu. © AFP/ Timothy A. Clary
Von Thilo Kößler |
Donald Trump nennt sich selbst den "größten Jobproduzenten, den Gott je erschaffen hat". Vor den Zwischenwahlen am 6. Dezember kann der US-Präsident Vollbeschäftigung verkünden. Aber seine Handelskonflikte lassen auch republikanische Wähler zweifeln.
Als Barack Obama 2009 US-Präsident wurde, lag die Arbeitslosigkeit bei mehr als zehn Prozent, das Land war in der großen Rezession. Unter ihm wurden jährlich zwei bis drei Millionen neue Jobs geschaffen und die Arbeitslosenquote sank auf rund fünf Prozent.

Unter Trump entstanden vor allem schlecht bezahlte Jobs

Diese Entwicklung setzt sich unter Donald Trump fort. Er verpasste der Konjunktur einen zusätzlichen Schub, indem er Auflagen zum Verbraucherschutz außer Kraft setzte, Umweltauflagen abschaffte, die Bankenregulierung rückgängig machte und eine große Steuersenkung durchsetzte.
Jetzt herrscht Vollbeschäftigung, die Arbeitslosenquote liegt bei 3,9 Prozent. Allerdings sind überwiegend schlecht bezahlte Jobs entstanden. Die Löhne stagnieren und so fühlen viele Bürger einen realen Vollstandsverlust.
Zudem erhöht Präsident Trump massiv die Staatsschulden, 2019 könnte das jährliche Defizit erstmals seit der Rezession wieder mehr als eine Billion US-Dollar betragen. Langfristig droht die Schuldenquote der USA sogar höher zu steigen als die Italiens.

Handelskonflikte schädigen Bauern in den USA

Trump will die heimische Wirtschaft auch ankurbeln, indem er ausländische Produkte mit Strafzöllen belegt. Darauf reagieren Länder wie China, Mexiko, Kanada und die EU-Staaten mit Gegenmaßnahmen, die Trumps Wählerschaft direkt treffen. Zu sehen in Iowa - einem kleinen Bundesstaat im Mittleren Westen, der eigentlich die Welt mit Soja, Mais und Schweinen versorgt.
John Weber, landwirtschaftlicher Großunternehmer, Iowa, USA
Landwirt John Weber im US-Bundesstaat Iowa.© Deutschlandradio / Thomas Spang
In über hundert Länder liefert Landwirt John Weber - China und Mexiko hat er allerdings gerade von der Liste gestrichen. Ausgerechnet die beiden größten Absatzmärkte. Wegen der Strafzölle, die Donald Trump gegen China, Mexiko und Kanada verhängt hat. Und auf die China und Mexiko ihrerseits mit Strafzöllen reagierten.
Die Warnlampen seien schon angegangen, sagt John Weber - er macht sich Sorgen. Der Schweinepreis ist seither deutlich gefallen und kann nur wegen der Lagerhaltung einigermaßen stabil gehalten werden. Die Lager quellen mittlerweile über, berichtete der Des Moines Register, die größte Zeitung in Iowa.
"Noch tut uns das alles nicht so richtig weh. Aber alle Produzenten machen sich Sorgen über den Preisverfall. Sie versuchen, sich nach neuen Märkten umzusehen, und beobachten die Entwicklung der Produktionskosten sehr genau."

Trumps Politik trifft seine eigenen Wähler

Die Farmer hier werden immer nervöser, sagt John Weber - und das hat seinen Grund: Sie haben in Iowa ganz auf die Schweinemast und auf die Produktion von Mais und Sojabohnen gesetzt.
Der Glaube an das immerwährende Wachstum im Zeichen dieser Spezialisierung sei ihnen gerade abhandengekommen, sagt Weber. Denn die Farmer haben sich abhängig vom Export gemacht und sind damit zur Zielscheibe Chinas und Mexikos geworden.
Ihre Strafzölle auf Sojabohnen und Schweinefleisch treffen zuallererst die Farmer - und damit eine wichtige Wählerklientel Donald Trumps im Mittleren Westen. Im Bundesstaat Iowa, dem Land der Schweinemäster und Sojafarmer, ist Donald Trump mit einem Vorsprung von 10 Prozent gewählt worden.
John Weber verrät nicht, wen er selbst gewählt hat. Aber er ist überzeugt davon, dass Donald Trump bei den Landwirten immer noch so beliebt ist wie vor zwei Jahren - trotz seiner Handelspolitik, trotz der Strafzölle, trotz der Abschottung von den Märkten. Die Farmer halten zu ihm.
Es sei vielen Landwirten noch nicht richtig an den Geldbeutel gegangen, sagt John Weber. Den Schweineproduzenten gehe es immer noch relativ gut. Aber für die Sojabauern sehe es schon viel schlechter aus.

Unabhängigkeit und Souveränität

Ein Hof im Südwesten Iowas, ein paar Autostunden von der Schweinemast John Webers entfernt. Ein roter Traktor biegt von dem Sträßchen ab, das nach Nodaway führt, einem kleinen Ort mit 100 Einwohnern und einem Bahngleis für den Güterzug von Burlington nach Santa Fé.
Bill Shipley steigt aus dem Führerhaus: 59 Jahre alt, Bauchansatz unter dem karierten Hemd, getönte Brille, eine Schirmmütze über dem freundlichen runden Gesicht. Bill Shipley ist hier geboren und aufgewachsen. Er nennt sich Farmer aus Leidenschaft - er habe es immer geliebt, Tiere und Pflanzen aufzuziehen, sagt er.
Monokulturen von Mais und Soja in Iowa, USA
Gut sichtbar: Monokulturen von Mais und Soja in Iowa.© Deutschlandradio / Thomas Spang
Er setzt sich in den Schatten eines großen Baumes, der auf der Wiese vor seinem Wohnhaus steht. Vorsichtig setzt er zwei kleine Katzen ins Gras, die an seinen Hosenbeinen hochgeklettert sind. Er liebt den Blick über seine Felder, sagt er. Andere brauchen vielleicht Berge, er brauche das hier: die Weite seines Ackerlandes unter dem blauen Himmel von Iowa.
Es ist ein abgeschiedenes Leben hier draußen. Der nächste Nachbar ist weit weg. Die nächsten kleinen Städte zehn und 20 Meilen entfernt. Am wichtigsten seien ihm: Unabhängigkeit. Souveränität. Und die Möglichkeit, einfach für sich zu sein.

Anbau von Monokulturen rächt sich

Abgewandt, aber vom Weltmarkt abhängig: Ganz Iowa lebt mit und von diesem Widerspruch. Auch Bill Shipley produziert nicht für sich und den heimischen Markt. Seine Sojaernte geht in alle Welt - vor allem nach China. 1300 acres, etwa 500 Hektar, bewirtschaftet er mit seinem Sohn Trevor, der nebenbei ein paar Schweine hält. Mais für die Viehzucht. Und Soja für die Welt.
Diese doppelte Monokultur auf den Feldern Iowas hat Tradition, sagt Bill Shipley. Die ganze Logistik sei auf diesen Markt ausgerichtet.
Das rächt sich jetzt - es gebe nur noch ein Thema bei den Farmern, sagt Bill Shipley. Die Farmer seien in allergrößter Sorge, sagt er und bezieht sich selbst mit ein. Die Sojapreise sind seit Mai um 20 Prozent gesunken. Damals verkündete Präsident Trump seine Strafzölle für die Nafta-Staaten Mexiko und Kanada und für China - und die Retourkutsche kam prompt.

Die Farmer stehen zu ihrem Präsidenten

Dennoch steht Bill Shipley zu seinem Präsidenten. Er verstehe, weshalb Donald Trump den Konflikt vom Zaun gebrochen hat. Bisher habe noch niemand in seinem Kollegenkreis Donald Trump dafür kritisiert, den Chinesen die Stirn zu bieten.
Seit China Mitglied in der Welthandelsorganisation WTO sei, habe sich das Land nicht an die internationalen Absprachen gehalten. Da habe Trump einmal auf den Tisch hauen müssen – allerdings beschleichen Bill Shipley erste Zweifel.
Doch nicht nur die Tatsache, dass der Konflikt andauert, macht ihm Sorgen. Bill Shipley fragt sich auch, ob es klug ist, diesen Konflikt an so vielen Fronten gleichzeitig auszutragen: Gegen China. Gegen Kanada. Gegen Mexiko. Ja selbst gegen die EU, die jetzt zwar vage versprochen hat, mehr amerikanische Sojabohnen zu importieren, damit aber kaum den Markt vor dem Zusammenbruch retten wird.
"Warum steigt Donald Trump mit allen gleichzeitig in den Ring? Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier. Ich habe darüber nur Theorien gehört. Dass er gegen alle gleichzeitig vorgehen will, um dann dieses Problem ein für allemal zu lösen. Anstatt diesen Konflikt immer weiter in die Länge zu ziehen. Was natürlich besonders hart ist, weil wir nicht mehr die Alliierten hinter uns wissen, die wir eine Ewigkeit lang an unserer Seite hatten. Um ehrlich zu sein: Darauf kann ich mir keinen Reim machen. Ich fasse mir morgens manchmal an den Kopf."

Farmer hoffen auf Trumps großen Plan

Doch Staatshilfen will Bill Shipley nicht in Anspruch nehmen. Das 12-Milliarden-Dollar Hilfsprogramm, das Donald Trump jetzt den Farmern versprochen hat, hält er für einen Tropfen auf den heißen Stein. Ich möchte exportieren können und Geschäfte machen, ich will keine Alimente haben, sagt er.
Insgeheim setzt Bill Shipley darauf, dass Donald Trump einen großen Plan hat, der am Ende aufgehen wird.
Und wenn nicht? Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, sagt Bill Shipley. Entweder man komme besser aus dieser Krise, heraus als man hineingegangen ist. Oder es drohe eine Katastrophe.

"Farmer sehen sich von lauter Gegnern umgeben"

Chad Hart setzt nicht auf das Prinzip Hoffnung. Er setzt nicht auf Spekulationen und den Glauben an einen geheimen Plan des Präsidenten. Chad Hart setzt auf Zahlen und Belege.
Er sitzt vor dem Bildschirm in seinem Büro der State University of Iowa und deutet auf ein Diagramm. Es zeigt die jüngste Entwicklung im Export von Sojabohnen nach China. Dargestellt in Form eines Balkens, der schockgrün in die Tiefe stürzt. Chad Hart ist Agrarökonom und spricht von einer Krise, die bereits die gesamte Landwirtschaft der Vereinigten Staaten erfasst habe.
"Die Sojafarmer sind am meisten betroffen. Bei den Viehzüchtern sind es die Schweinebauern. Aber wir sehen auch schon Auswirkungen auf dem Rindermarkt, beim Weizen- und Maisanbau, ja selbst beim Geschäft mit Obst und Gemüse."
Deshalb kann Chad Hart die Sorgen der Farmer in Iowa gut verstehen - seien es die Sorgen es der Schweinemäster wie John Weber. Oder der Sojabauern wie Bill Shipley. Er spricht von einem globalen Handelsstreit, der immer fatalere Folgen nach sich ziehen wird, je länger er dauert.
"Normalerweise konzentriert sich ja so ein Handelsstreit auf ein, zwei Länder. Aber die Sorgen der Farmer sind schon berechtigt: Sie sehen sich von lauter Gegnern umgeben."
Verschärft wird der Konflikt dadurch, dass gleich mehrere Absatzmärkte für die US-Agrarindustrie verloren zu gehen drohen. Selbst ein noch so kurzer Handelsstreit führe zu langfristigen Folgen, weiß der Agrarökonom Chad Hart.
"Jeder Handelskonflikt sorgt für eine Neuordnung der Handelswege. Meistens kehren diese Handelsströme niemals wieder in die gewohnten Bahnen zurück. Man wird feststellen, dass einige Marktteilnehmer schlichtweg rausgekegelt wurden. Und genau das geschieht hier."

Mitbewerber suchen andere starke Partner

Verloren gegangene Märkte wieder zurückzugewinnen, sei äußerst schwierig, sagt Chad Hart. Manchmal gelinge es gar nicht mehr, manchmal dauere es Jahre.
In einem Handelskrieg gibt es keine Gewinner, davon ist Hart überzeugt. Die USA müssten damit rechnen, dass sich die internationalen Handelsströme im großen Umfang neu organisieren. Zumal Donald Trump auch das transpazifische Freihandelsabkommen TPP aufgekündigt, das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zur Disposition gestellt und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP auf Eis gelegt habe.
"Andere Mitbewerber auf den Weltmärkten schauen sich schon nach Handelsbeziehungen mit anderen starken Partnern um. Das Abkommen zwischen der EU und Japan ist da nur ein Beispiel."
EU-Ratspräsident Donald Tusk, Japans Premier Shinzo Abe, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli 2017 bei der Ankündigung des geplanten Freihandelsabkommens Jefta.
EU-Ratspräsident Donald Tusk, Japans Premier Shinzo Abe, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker 2017 bei der Ankündigung des Freihandelsabkommens Jefta.© dpa/pa/MAXPPP
Der protektionistische Weg der US-Handelspolitik unter Donald Trump führt direkt in eine neue Phase des Isolationismus, prognostiziert Hart. Er verbindet damit im schlimmsten Fall ein Krisenszenario wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
"Wenn man ein ganz negatives Bild zeichnen wollte, müsste man an die 1920er- und -30er Jahre erinnern. An die Jahre der großen Depression, die ebenfalls mit einem Handelskonflikt begann. Der Streit betrifft ja nicht nur USA und China, sondern wird global ausgetragen. Und natürlich sind andere Länder genauso davon betroffen. Wenn der Streit andauert, wird er alle mit sich reißen."
Nur einer scheint es in der Hand zu haben, das Steuer noch herumzureißen: der Präsident. Doch der ist nach wie vor davon überzeugt: "Ein Handelskrieg ist eine tolle Sache", wie er unlängst twitterte. Das Bemerkenswerte daran: Ausgerechnet die ersten Opfer dieser handelspolitischen Nebelfahrt - die Farmer - stehen geschlossen hinter ihm.

Farmer jubeln Trump zu

"Farmland ist Gottes Land." Er liebe die Farmer. Sie liebten ihn. Als Donald Trump unlängst in Dubuque/Iowa eine Rede hielt, jubelten ihm wieder Tausende zu: Sie waren aus den Dörfern aus dem weiten Umland gekommen, sie parkten ihre Pick-up-Trucks vor dem örtlichen Stadion, trugen "Make America great-again"-Mützen zu Jeans und groß karierten Hemden. Und stärkten jenem Präsidenten den Rücken, der ihnen gerade nachhaltig das Geschäft verhagelt.
"Iowa ist so strukturiert, dass es fast die perfekte Trump-Wählerschaft repräsentiert", erklärt Mack Shelley, Politologe an der Iowa State University in Ames, der sein Büro auf demselben Campus wie sein Kollege Chad Hart hat. "Zu 90 Prozent weiß, also praktisch monochrom. Zutiefst ländlich. Zutiefst republikanisch. Zutiefst konservativ - und zwar sowohl in sozialen Fragen wie etwa bei der Abtreibung oder in wirtschaftlichen Fragen wie bei der Einwanderung. Das ist Donald Trumps Haltung zu Politik und sozialen Themen gewissermaßen auf den Leib geschneidert."
Shelley ist ein begehrter Gesprächspartner, leise und bescheiden, aber sehr entschieden, ja geradezu unerbittlich in seinem Urteil. Viele der Anhänger Donald Trumps aus der unbeirrbaren Fangemeinde seien geradezu ideologische Konservative mit einem fest gefügten Weltbild, sagt er.
So erklärt sich der Politologe die geradezu unerschütterliche Unterstützung, die Trumps Anhänger ihrem Präsidenten zuteilwerden lassen. Sie glaubten ihm, wenn er ihnen verspreche, für sie und für Amerika einzustehen. Selbst wenn sie persönliche Nachteile in Kauf nehmen müssten.

"Es wird rau für die Republikaner"

Diese "diffuse Unterstützung", wie Politologe Mack Shelley sagt, müsse aber nicht in Stein gemeißelt sein. So, wie John Weber im Nordosten Iowas und Bill Shipley im Südwesten Iowas bereits auf überlegte Distanz zu Donald Trump gegangen sind, so könnten auch bei vielen anderen Farmern die Zweifel am handelspolitischen Kurs ihres Präsidenten wachsen.
"Bereits jetzt produzieren Farmer zu Kosten, die jenseits der Profitgrenze liegen. Das könnte ein Warnsignal sein für die weitere Entwicklung, wenn die ökonomischen Probleme noch zunehmen. Und das könnte die Leute, die heute an der Macht sind, noch in gehörige Schwierigkeiten bringen."
Die Sonne knallt unerbittlich auf das Weltblechdach des Schweinestalls auf dem Hof von John Weber. Wenn Donald Trump bis zu den Zwischenwahlen zum Kongress im November weiter an der Eskalationsschraube dreht, könnte er einen ersten Dämpfer bekommen.
Und dann werde es rau für die Republikaner.
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