Truppenabzug von Africom und Eucom

Die Machenschaften des in Stuttgart stationierten US-Militärs

03:41 Minuten
US-Soldaten stehen in den "Patch Barracks" in Stuttgart auf einer Wiese, auf der Löwenzahn wächst.
Emran Feroz kritisiert, dass es von deutschen Behörden nie als problematisch betrachtet wurde, dass das US-Militär von Stuttgart aus Drohnenhinrichtungen koordiniert. © picture alliance/dpa/Marijan Murat
Ein Kommentar von Emran Feroz · 20.08.2020
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Der angekündigte US-Truppenabzug aus Deutschland betrifft auch zwei Kommandozentralen in Stuttgart. Anders als Politik und Wirtschaft begrüßt der Journalist Emran Feroz dies und kritisiert die deutsche Tolerierung tödlicher Missionen des US-Militärs.
"Wir wollen nicht mehr die Trottel sein!" Mit diesen Worten begründete Donald Trump den Teilabzug des US-Militärs aus Deutschland, das laut Washington seinen NATO-Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und deshalb abgestraft werden müsse.
Hinzu kommt, dass laut Trump die Deutschen seine Soldaten in erster Linie als gute Konsumenten betrachten würden. Und zugegeben, recht hat er! Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft sprechen nämlich für sich. Es wird nicht nur über langjährige Freundschaften und transatlantische Beziehungen gesprochen, sondern auch über wirtschaftliche Folgen.
Diese werden vor allem in Stuttgart spürbar sein, wo sich mit Eucom und Africom zwei US-Kommandozenralen finden lassen. Vielen Schwaben passt das nicht. Sie wissen, dass die "Troops" gute Esser und Trinker sind. Der strikte Fokus auf die Wirtschaft ist allerdings mehr als zynisch, wenn man bedenkt, in was für Machenschaften das US-Militär in Stuttgart überhaupt verwickelt ist.

US-Operationen in Afrika von Stuttgart aus

Dies betrifft vor allem Africom, das als Zentrum aller US-Operationen auf dem afrikanischen Kontinent fungiert. Dort ist das Militär bereits seit Jahren aktiv, und es wird immer präsenter. Mittlerweile agiert man in fast 50 Staaten. Beobachter sprechen von einem Schattenkrieg, der regelmäßig zivile Opfer fordert.
Dies konnte man Anfang August abermals in der somalischen Stadt Dschilib beobachten, wo eine US-Drohne mindestens drei Zivilisten, allesamt Kinder, tötete. Africom sprach abermals von getöteten "Terroristen", während lokale somalische Journalisten dem widersprachen und Fotos der Opfer teilten.
Offiziell bekämpft das US-Militär in Somalia die militante Al-Shabaab-Miliz. Doch viele Opfer sind Zivilisten in abgelegenen Dörfer, für die sich kaum jemand interessiert. Amnesty International berichtet von 32 Zivilisten, die in den letzten drei Jahren getötet oder verletzt wurden. Seitens Africom gab es weder ordentliche Untersuchungen noch Entschädigungszahlungen an die Opfer.

Koordinierung von Drohnenhinrichtungen

Den deutschen Behörden sind all diese Umstände seit langem bekannt, doch unternommen wurde nichts. Dass in Stuttgart extralegale Drohnenhinrichtungen koordiniert werden, wurde nie als problematisch - geschweige denn als gesetzeswidrig - betrachtet. Die Bundesregierung hat sich stets vor allen Fragen diesbezüglich gedrückt.
Dies hatte wohl nicht nur mit Ignoranz zu tun, sondern auch mit klaren Machtverhältnissen. Der neokonservative US-Historiker Robert Kagan verglich die USA und Europa einst mit den römischen Gottheiten Mars und Venus, die für Krieg und Liebe standen. Letztere könne ohne Ersteren nicht überleben. Diese Hierarchie wurde nicht aufgelöst, sondern besteht weiterhin.
Wohin Africom ziehen wird, ist unklar. Bevor die Kommandozentrale 2008 nach Deutschland kam, hatte sie ohnehin ein Problem. Die meisten europäischen Staaten wollten nämlich nichts von ihr wissen, während Deutschland sich willig zur Verfügung stellte.
Dass diese von Stuttgart ausgehende Mittäterschaft nun ein unfreiwilliges Ende findet und Africom von dannen zieht, ist umso besser. Der Schattenkrieg in Somalia und anderswo wird allerdings fortgeführt werden, er hätte viel mehr Beachtung sowie eine kritische Berichterstattung verdient.

Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln und österreichischem Pass. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz recherchierte unter anderem die dramatischen Folgen der amerikanischen Drohnenangriffe in Afghanistan und veröffentlichte dazu das Buch "Tod per Knopfdruck: Das wahre Ausmaß des US-Drohnen-Terrors oder Wie Mord zum Alltag werden konnte".

Porträtaufnahme von Emran Feroz , der an einer Säule lehnt.
© picture alliance / Frank May
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