"Ich bin ein Ergebnis der 90er-Jahre"
05:50 Minuten
Kateřina Tučková gehört zu der jungen schreibenden Generation, die sich in ihren Romanen für einen neuen Blick auf das deutsch-tschechische Verhältnis stark macht. Ihr literarisches Debüt "Das deutsche Mädchen Greta" war ein Riesenerfolg.
In einer großen Altbauwohnung um die Ecke vom Wenzelsplatz lebt Kateřina Tučková mit ihrem Mann, einem bekannten Galeristen. Lange Zeit war die studierte Kunsthistorikerin, der ein asymmetrisch-roter Pony ins schmale Gesicht fällt, hier nur gelegentlich anzutreffen.
Als langjährige Ausstellungskuratorin, Theater-Dramaturgin und Festivalleiterin verbrachte sie einen Großteil ihrer Zeit im mährischen Brünn. Seit Kurzem nun lebt die Bestseller-Autorin in Prag und nur noch vom Schreiben. Geliebt von ihrem Publikum, von der Kritik vor allem gelabelt:
"Was mir immer begegnete, war die Frage, ob ich Frauenliteratur schreibe. Man wollte mich auf diese Kategorie beschränken. Frau schreibt über Frauen: also ist das Frauenliteratur. Das empfinde ich als mangelnde Wertschätzung dessen, womit ich mich beschäftige. Meine Themen sind Menschen, Geschichten über Macht, über Gut und Böse, nicht nur solche über Frauen."
"Was mir immer begegnete, war die Frage, ob ich Frauenliteratur schreibe. Man wollte mich auf diese Kategorie beschränken. Frau schreibt über Frauen: also ist das Frauenliteratur. Das empfinde ich als mangelnde Wertschätzung dessen, womit ich mich beschäftige. Meine Themen sind Menschen, Geschichten über Macht, über Gut und Böse, nicht nur solche über Frauen."
Der bislang größte Erfolg – "Das Vermächtnis der Göttinnen"
Kateřina Tučkovás Bücher nehmen historische Krisensituationen in den Blick. Den bislang größten Erfolg erzielte die 38-Jährige mit ihrem zweiten Roman, "Das Vermächtnis der Göttinnen" über die Verfolgung von Frauen, denen magische Kräfte nachgesagt wurden und die bis in die 1950er-Jahre hinein als Heilerinnen in einem kleinen mährischen Bergdorf tätig waren.
Nach Erscheinen des Buchs erlebte der abgeschiedene Ort einen echten Besucherandrang. Historisch verortet ist auch das Debüt von Kateřina Tučková. "Gerta, das deutsche Mädchen" thematisiert die gewaltsame Vertreibung eines Drittels der Einwohner Brünns im Sommer 1945 – es war die gesamte deutschsprachige Bevölkerung.
"Ich komme aus einer Gegend Südmährens unweit der österreichischen Grenze. Meine Familie ist aber durch und durch tschechisch, ich habe also keinerlei biografische Verbindung. Das war also für mich ein völlig neues Kapitel, das ich da für mich aufschlug. Und das war vielleicht auch gut so. ich war nicht emotional involviert in diese Problematik."
"Ich komme aus einer Gegend Südmährens unweit der österreichischen Grenze. Meine Familie ist aber durch und durch tschechisch, ich habe also keinerlei biografische Verbindung. Das war also für mich ein völlig neues Kapitel, das ich da für mich aufschlug. Und das war vielleicht auch gut so. ich war nicht emotional involviert in diese Problematik."
Eine Kindheit geprägt von häuslicher Gewalt
Kateřina Tučková recherchierte drei Jahre lang in Archiven, sprach mit Zeitzeuginnen und Historikern. Und brach mit ihrem Roman ein jahrzehntelanges Tabu: das Schweigen über die tschechische Gewalt gegenüber den Deutschen. Mit viel Empathie zeichnete Tučková das Leid ihrer Protagonistin und der Frauen in deren Umfeld. Doch auf einfache Schuldzuweisungen verzichtet sie.
"Mein Prinzip ist es nicht, gegen jemanden zu kämpfen, sondern jemanden zu schützen und etwas zu bewahren. Weil ich aus einem kleinen Ort komme, in den wir erst gezogen sind, als meine Mutter es schaffte, uns von meinem biologischen Vater, einem Tyrannen und Alkoholiker zu befreien. Meine Kindheit war bis zum sechsten Lebensjahr geprägt von häuslicher Gewalt. Das sind Erinnerungen, die ich nie aus dem Kopf bekommen werde. Das ist tief in mir drin und ich bin schon deswegen sehr sensibel, wenn es darum geht, daß Frauen nicht respektiert werden oder wenn es um Machtmissbrauch an Frauen geht. Das macht mir sehr viel aus und hallt nach in all dem, was ich als Kind für Vorstellungen, Gedanken und Ängste hatte."
"Mein Prinzip ist es nicht, gegen jemanden zu kämpfen, sondern jemanden zu schützen und etwas zu bewahren. Weil ich aus einem kleinen Ort komme, in den wir erst gezogen sind, als meine Mutter es schaffte, uns von meinem biologischen Vater, einem Tyrannen und Alkoholiker zu befreien. Meine Kindheit war bis zum sechsten Lebensjahr geprägt von häuslicher Gewalt. Das sind Erinnerungen, die ich nie aus dem Kopf bekommen werde. Das ist tief in mir drin und ich bin schon deswegen sehr sensibel, wenn es darum geht, daß Frauen nicht respektiert werden oder wenn es um Machtmissbrauch an Frauen geht. Das macht mir sehr viel aus und hallt nach in all dem, was ich als Kind für Vorstellungen, Gedanken und Ängste hatte."
Beinflusst von der Aufbruchstimmung unter Václav Havel
Neun Jahre alt war Kateřina Tučková, als sich die Tschechoslowakei durch die "Samtene Revolution" im November 1989 vom Kommunismus befreite. Der Schriftsteller und Dissident Václav Havel, lange Jahre verfolgter Regimekritiker, zog damals als Präsident auf die Prager Burg. Die Aufbruchstimmung des nachfolgenden Jahrzehnts hat ihre Generation nachhaltig geprägt:
"Ich bin ein Ergebnis dieser 90er-Jahre, oder sagen wir mal, hoffentlich bin ich es – im positiven Wortsinn, denn Václav Havel und diese große Hoffnung auf Veränderung, die plötzlich stärkere Betonung auf Menschenrechte, auf gesellschaftliche Fragen, auf Kultur und die feinsinnigeren Fragen rund um unser Leben: das alles hat mich geformt."
Die Vielzahl der Projekte, die Kateřina Tučková im Laufe der vergangenen Jahre initiiert oder begleitet hat, zeigt die Bandbreite ihres Engagements. Auch wenn sie in Prag wohnt: Das Meiste findet weiterhin in Brünn statt. Dort hat sie ein Kulturfestival namens Meeting Brno gegründet, dort kümmert sie sich mit diversen Aktionen um die deutsch-tschechische Versöhnung.
"Ich bin ein Ergebnis dieser 90er-Jahre, oder sagen wir mal, hoffentlich bin ich es – im positiven Wortsinn, denn Václav Havel und diese große Hoffnung auf Veränderung, die plötzlich stärkere Betonung auf Menschenrechte, auf gesellschaftliche Fragen, auf Kultur und die feinsinnigeren Fragen rund um unser Leben: das alles hat mich geformt."
Die Vielzahl der Projekte, die Kateřina Tučková im Laufe der vergangenen Jahre initiiert oder begleitet hat, zeigt die Bandbreite ihres Engagements. Auch wenn sie in Prag wohnt: Das Meiste findet weiterhin in Brünn statt. Dort hat sie ein Kulturfestival namens Meeting Brno gegründet, dort kümmert sie sich mit diversen Aktionen um die deutsch-tschechische Versöhnung.
Aktuell arbeitet sie daran, dass neben den 800 Denkmälern in Brünn, die allesamt Männern gewidmet sind, endlich auch die verdienten Frauen der Stadt öffentlich gewürdigt werden. Vielleicht bekommt ja Kateřina Tučková irgendwann selbst mal ein Denkmal. Verdient hätte sie es.