Türkei

Alarmstufe Rot für Erdogan

Zehn Minister hat der türkische Premier Erdogan ausgetauscht. Nach dem Korruptionsskandal sollte das wie ein Befreiungsschlag wirken. Doch die Affäre werde Erdogan zunehmend selbst gefährlich, meint der Journalist Jürgen Gottschlich.
Die Ministerrücktritte im Korruptionsskandal in der Türkei haben Regierungschef Recep Tayyip Erdogan kurzfristig zur Umbildung seines Kabinetts gezwungen. Zehn der 26 Kabinettsposten wurden neu besetzt, sagte Erdogan nach einem Treffen mit Präsident Gül. Neben dem Wirtschafts-, dem Innen- und dem Umweltminister, die zuvor zurückgetreten waren, tauschte Erdogan noch sieben weitere Minister aus, darunter der Minister für Europaangelegenheiten, Egemen Bagis. Erdogan selbst lehnt es jedoch ab, sein Amt niederzulegen.
Ist auch Erdogans Sohn in die Affäre verwickelt?
Die Affäre könne dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan sehr gefährlich werden, meint der seit 1998 in Istanbul lebende Journalist und "taz"-Mitbegründer Jürgen Gottschlich . Es ginge bereits so weit, "dass gerüchteweise die Staatsanwälte gestern versucht haben sollen, auch seinen Sohn zu verhaften". Dies sei "im letzten Moment durch den neu von Erdogan eingesetzten Polizeichef verhindert" worden. Wenn selbst die Familie des Ministerpräsidenten im Visier der Justiz ist, sei "Alarmstufe Rot erreicht für Erdogan".
Alle politischen Beobachter gingen davon aus, dass hinter der Affäre ein Machtkampf zwischen der regierenden AKP und der Bewegung des islamischen Predigers Fetullah Gülen handele, sagt Gottschlich. "Diese Gülen-Bewegung hat mit der AKP jahrelang engstens zusammengearbeitet, auch gegen das Militär - und sie sind jetzt Todfeinde." Seit der Wahl 2011 habe sich zwischen beiden Gruppierungen "mehr und mehr Konfliktpotenzial angehäuft", das wohl auch auf Erdogans autokratischen Regierungsstil zurückzuführen sei.
Entscheidend werden die Kommunalwahlen im März
Dennoch glaube er, dass sich Erdogan zunächst weiter im Amt halten könne, sagt Gottschlich. Er habe auch innerparteilich "keinen wirklichen Konkurrenten". Die Entscheidung über seine politische Zukunft werde vermutlich bei den nächsten Kommunalwahlen im März getroffen: "Wenn Erdogan Istanbul verliert, das ist dann der definitive Anfang vom Ende."
Seit mehr als einer Woche erschüttert der Korruptionsskandal die Türkei. Im Zuge der Ermittlungen wurden bereits 24 Verdächtige festgenommen. Dazu gehört der Direktor der staatlichen Halkbank, Süleyman Aslan, sowie die Söhne der bisherigen Wirtschafts- sowie Innenminister. Der Sohn des bisherigen Umweltministers wurde nach seiner Festnahme am 17. Dezember unter Auflagen freigelassen. Die Festgenommenen sollen einem kriminellen Ring angehört haben, der die Bestechung von Politikern organisierte, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen.
phe mit dpa
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