Türkei im Krisenmodus

Wohin steuert Erdogan?

53:30 Minuten
Die Türkei inmitten einer Währungskrise. Männer im Gespräch vor einer Wechselstube in Istanbul am 14. Oktober 2021. Nach dem Treffen zwischen Präsident Erdogan und dem Vorsitzenden der türkischen Zentralbank Şahap Kavcıoğlu wurde der Dollar mit 9,19 Lira gehandelt, dem höchsten Stand in der Geschichte.
Die türkische Währung hat gegenüber Dollar und Euro massiv an Wert verloren, Corona lähmt das Land, die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Preise steigen. © imago / NurPhoto / Umit Turhan Coskun
Moderation: Gerhard Schröder |
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Die Türkei steckt in einer Wirtschaftskrise, Corona lähmt das Land und Präsident Erdoğan geht auf Konfrontationskurs zum Westen. Die Botschafterkrise wurde zwar entschärft, aber der Kurs des Nato-Landes Türkei wird zunehmend unkalkulierbar.
Die Türkei befindet sich im Krisenmodus und Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine islamisch-konservative Partei AKP kämpfen um den Erhalt ihrer Macht. Die türkische Währung hat gegenüber Dollar und Euro massiv an Wert verloren, die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Preise steigen. Zudem leben rund fünf Millionen Geflüchtete aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan in der Türkei. Auch das kostet die Regierung Erdoğan immer mehr Sympathien und stärkt die Oppositionsparteien. Mit an den "Westen" adressierten Demonstrationen der Stärke versucht Erdoğan seine Klientel hinter sich zu versammeln.

"Astronomische Vollmachten" Erdoğans

Die Türkei leide unter der schlechten Regierungsführung von Präsident Erdoğan, meint der ehemalige Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann. Seiner Einschätzung nach waren die Proteste im Istanbuler Gezi-Park der Wendepunkt in der politischen Laufbahn Erdoğans.
Inzwischen sei die Türkei zu einer "konstitutionellen Autokratie" geworden. "Die Vollmachten des Präsidenten sind astronomisch und das hat dazu geführt, dass das Land jetzt in dieser Situation ist", sagt der frühere Türkei-Botschafter Deutschlands. Er halte die türkische Justiz für politisiert und dysfunktional. Prozesse ziehen sich "enorm in die Länge". Das werde auch an der inzwischen vier Jahre andauernden Untersuchungshaft von Osman Kavala deutlich.

Türkei droht Ausschluss aus Europarat

Der Umgang der türkischen Justiz mit Osman Kavala untergrabe deren Glaubwürdigkeit, betont der SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoglu. "Allein das ist schon ein großer Schaden." Sollte Osman Kavala nicht bis Ende November freigelassen werden, droht der Türkei ein Vertragsverletzungsverfahren. Während der Berlin-Koordinator der AKP-nahen SETA-Stiftung, Zafer Meşe für den Fall einer Nicht-Freilassung Kavals eher mit einem Stimmentzug als einem Ausschluss der Türkei aus dem Europarat rechnet, hält der SPD-Abgeordnete Karaahmetoglu es durchaus für möglich, dass im Ministerkomitee des Europarats eine Mehrheit für einen Ausschluss der Türkei zustande kommen könnte.

Europa muss Erdoğan besser einschätzen

Die Hörfunk-Korrespondentin der ARD in der Türkei, Karin Senz, rät den europäischen Partnern der Türkei in jedem Fall, Erdoğans Reaktionen in Zukunft besser vorherzusehen. Es sei "unglaublich schwierig", mit Präsident Erdoğan umzugehen. "Man muss vor allem einkalkulieren, wie Erdogan agiert. Das hat man auf europäischer Seite oft nicht im Preis mit drin." Das sei in der Botschafter-Krise einmal mehr deutlich geworden.

Es diskutieren:
Martin Erdmann, ehemaliger Botschafter Deutschlands in der Türkei (2015 - 2020)
Macit Karaahmetoglu, SPD-Bundestagsabgeordneter
Karin Senz, Korrespondentin des ARD-Hörfunks in der Türkei
Zafer Meşe, Berlin-Koordinator der SETA-Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung
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