Türkei

In Hass und Liebe gespalten

Recep Tayyip Erdogan wirft rote Blumen ins Publikum.
Recep Tayyip Erdogan wirft seinen Anhängern Blumen zu. © Rasit Aydogan / Pool, dpa
Moderation: Ute Welty und Dieter Kassel |
Einerseits eine repressive Stimmung, andererseits kaum noch Tabu-Themen: So beschreibt der Dokumentarfilmer Osman Okkan die Widersprüche in der türkischen Gesellschaft. Erdoğan habe die türkische Bevölkerung polarisiert wie kein anderer Politiker vor ihm.
Als erster deutscher Journalist hat der Dokumentarfilmer Osman Okkan im Jahr 1994 ein Interview mit Recep Tayyip Erdoğan geführt. Damals war der Politiker, der heute zum Staatspräsidenten der Türkei vereidigt worden ist, gerade Oberbürgermeister von Istanbul geworden.
Schon damals habe er den Eindruck gehabt, dass Erdoğan sehr zielgerichtet vorgehe, sagte Okkan im Deutschlandradio Kultur. Der Politiker sei seinen Prinzipien bis heute treu geblieben:
"Er ist ein konservativer Politiker, er ist ein machtbewusster Politiker. Und er versucht, die überwiegende Mehrheit der türkisch-sunnitischen Bevölkerung für seine Ziele zu gewinnen. Die intellektuellen Schichten, die westlich orientierten Schichten werden von ihm nur noch geduldet und an den Rand gedrängt."
Kein anderer Politiker habe die Bevölkerung in der Türkei so entzweit und polarisiert, meinte Okkan. In den letzten Jahren habe Erdoğan das sehr bewusst betrieben:
"Ich treffe bei meinen Interviews in der Türkei nur auf Leute - bei den Intellektuellen, bei den Politikern, bei den Schriftstellern und Künstlern -, die ihn entweder hassen oder sehr lieben und lobpreisen. Das ist eine neue Entwicklung in der Türkei."
Die Kunst- und Kulturszene spiegele diese Widersprüchlichkeit der Gesellschaft. Einerseits gebe es eine repressive Stimmung, andererseits existierten kaum noch Tabu-Themen in der türkischen Öffentlichkeit. So dürfe man heute auch über die Kurden-Frage und über den Genozid an den Armeniern weitestgehend offen sprechen:
"Und deshalb gibt es natürlich auch einen Boom in der Kunst- und Kulturszene. Weil auch unter diesen Bedingungen viel freier diskutiert werden kann als unter den bürgerlichen Regierungen beziehungsweise unter den von der Armee gebildeten Regierungen vor Erdoğan. Und das ist natürlich auch einer der größeren Widersprüche in der türkischen Gesellschaft."
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