Tugendterror und Städtepartnerschaft
Haben Sie das Foto der Iranerin Sakineh gesehen – ihr schmales Gesicht, eingerahmt vom schwarzen Tuch eines Schleiers? Es ging diesen Sommer um die Welt und zeigt eine 43-jährige Witwe, die gesteinigt werden sollte. Der nicht bewiesene Vorwurf: unerlaubter Geschlechtsverkehr. Das iranische Strafgesetz legt fest, welche Steine zu verwenden sind: Sie müssen groß genug sein, um den Tod herbeizuführen, und klein genug, um ihn qualvoll hinauszuzögern.
Sakinehs Foto ging um die Welt, weil ihre 17-jährige Tochter und ihr 22-jähriger Sohn mutig für sie kämpften. Ihr Appell: "Rettet unsere Mutter!" fand Resonanz. Der britische Außenminister sprach von einer "mittelalterlichen Bestrafung", sein französischer Kollege geißelte die Steinigung als "Verstoß gegen das Weltgewissen" und Hillary Clinton kritisierte sie als einen "barbarischen und widerlichen Akt".
In Berlin allerdings blieb es ruhig. Verdächtig ruhig. Natürlich lehnt das politische Berlin die Todesstrafe und die Steinigungen ab. Jedoch möchte die Bundesregierung auch weiterhin der wichtigste Dialog- und Handelspartner des iranischen Regimes in Europa sein. Immerhin kamen in 2009 über ein Drittel aller Waren, die die EU nach Iran exportierte, aus der Bundesrepublik. Allzu lauter Protest könnte da schaden.
Und außerhalb des politischen Berlin? Auch hier ist es bislang um die Unterstützung von Frauen wie Sakineh eher schlecht bestellt.
Nehmen wir Freiburg, die einzige deutsche Stadt, die seit zehn Jahren eine Städtepartnerschaft mit der iranischen Millionenstadt Isfahan unterhält – eine grandiose Partnerschaft! Hier die Ökometropole, dort das Zentrum der iranischen Nuklear- und Raketenforschung. Hier die Musterstadt des Liberalismus, dort eine stockkonservative Verwaltung, die die iranische Freiheitsbewegung mit Knüppeln und Todesurteilen unterdrückt.
Kürzlich feierte Freiburg den zehnten Jahrestag seiner deutsch-iranischen Städtepartnerschaft. Frauen wie Sakineh passten hier nicht ins Bild. Auch die fünf zum Tode verurteilten Demokraten aus Isfahan blieben unerwähnt. Stattdessen zelebrierte man mit vom Mullah-Regime ausgesuchten Künstlern einen "persischen Liederabend" unter dem Titel: "Träume aus 1001 Nacht". Ein unter diesen Umständen makabrer Titel, da er die wirklichen Träume nach Freiheit und einem Leben in Würde aus dem Blickfeld verbannt.
Wäre es nicht besser, mitzuhelfen, dass der iranische Traum von Freiheit und Würde Wirklichkeit wird? So wie einst massiver Druck von außen das damals so mächtige Apartheidregime in Südafrika zu Fall brachte, so würde heute massiver Druck von außen auch Veränderungen in Teheran erzielen.
Freiburg kann seine groteske Beziehung mit Isfahan auf Eis legen. Die Unternehmen können ihre Hightech-Exporte nach Iran stoppen. Und die Bundesregierung? Sie kann und sollte wenigstens laut und vernehmlich erklären, dass sie einer Frau wie Sakineh Asyl gewährt.
Denn internationale Solidarität, auch dies zeigt dieser Sommer, kann etwas bewirken. Am 8. Juli setzte Iran die Steinigung von Sakineh aus. Doch die Gefahr, dass sie nunmehr am Galgen verendet, bleibt groß. Eine Unterstützerbewegung auch in Deutschland ist nicht nur notwendig. Sie ist überfällig!
Dr. Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg. Seine jüngstes Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag, Berlin. Weitere Informationen und Kontakt über: www.matthiaskuentzel.de.
In Berlin allerdings blieb es ruhig. Verdächtig ruhig. Natürlich lehnt das politische Berlin die Todesstrafe und die Steinigungen ab. Jedoch möchte die Bundesregierung auch weiterhin der wichtigste Dialog- und Handelspartner des iranischen Regimes in Europa sein. Immerhin kamen in 2009 über ein Drittel aller Waren, die die EU nach Iran exportierte, aus der Bundesrepublik. Allzu lauter Protest könnte da schaden.
Und außerhalb des politischen Berlin? Auch hier ist es bislang um die Unterstützung von Frauen wie Sakineh eher schlecht bestellt.
Nehmen wir Freiburg, die einzige deutsche Stadt, die seit zehn Jahren eine Städtepartnerschaft mit der iranischen Millionenstadt Isfahan unterhält – eine grandiose Partnerschaft! Hier die Ökometropole, dort das Zentrum der iranischen Nuklear- und Raketenforschung. Hier die Musterstadt des Liberalismus, dort eine stockkonservative Verwaltung, die die iranische Freiheitsbewegung mit Knüppeln und Todesurteilen unterdrückt.
Kürzlich feierte Freiburg den zehnten Jahrestag seiner deutsch-iranischen Städtepartnerschaft. Frauen wie Sakineh passten hier nicht ins Bild. Auch die fünf zum Tode verurteilten Demokraten aus Isfahan blieben unerwähnt. Stattdessen zelebrierte man mit vom Mullah-Regime ausgesuchten Künstlern einen "persischen Liederabend" unter dem Titel: "Träume aus 1001 Nacht". Ein unter diesen Umständen makabrer Titel, da er die wirklichen Träume nach Freiheit und einem Leben in Würde aus dem Blickfeld verbannt.
Wäre es nicht besser, mitzuhelfen, dass der iranische Traum von Freiheit und Würde Wirklichkeit wird? So wie einst massiver Druck von außen das damals so mächtige Apartheidregime in Südafrika zu Fall brachte, so würde heute massiver Druck von außen auch Veränderungen in Teheran erzielen.
Freiburg kann seine groteske Beziehung mit Isfahan auf Eis legen. Die Unternehmen können ihre Hightech-Exporte nach Iran stoppen. Und die Bundesregierung? Sie kann und sollte wenigstens laut und vernehmlich erklären, dass sie einer Frau wie Sakineh Asyl gewährt.
Denn internationale Solidarität, auch dies zeigt dieser Sommer, kann etwas bewirken. Am 8. Juli setzte Iran die Steinigung von Sakineh aus. Doch die Gefahr, dass sie nunmehr am Galgen verendet, bleibt groß. Eine Unterstützerbewegung auch in Deutschland ist nicht nur notwendig. Sie ist überfällig!
Dr. Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg. Seine jüngstes Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag, Berlin. Weitere Informationen und Kontakt über: www.matthiaskuentzel.de.