Neue Investoren braucht das Land
Tunesien nimmt Kurs in Richtung Demokratie. Ein Problem bleibt aber: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Stimmung nach wie vor schlecht. Jetzt gilt es, politische Stabilität zu wahren, damit die Investoren bleiben - und neue kommen.
Arbeit, Freiheit, Würde: Dafür gehen die Menschen in Tunesien noch immer auf die Straße. Besonders im Süden, wo vor fast vier Jahren die Revolution begann, ist vom Aufbruch nicht viel zu spüren. Noch immer sind sie da, die vielen Mauersteher, die jungen frustrierten Männer, die an Hauswänden lehnen, weil es nichts zu tun gibt. Offiziell liegt die Arbeitslosenquote in Tunesien bei 15 Prozent, viele Hochschulabsolventen suchen Jobs, manche verkaufen ihr Diplom schon auf dem Schwarzmarkt – weil sie es für wertlos halten.
Tunesiens Wirtschaft wächst in diesem Jahr noch langsamer als im letzten, das macht auch Premierminister Mehdi Jomâa Sorgen. Immerhin: Was die Freiheit betreffe, sagt er trotzig, da habe Tunesien enorme Fortschritte gemacht. Er verweist auf die neue Verfassung und verlangt mehr Geduld.
Kein Wachstum ohne Investoren
"Am Anfang gab es falsche Hoffnungen. Alle dachten, das Land wird sofort zu einem Paradies. Aber die Übergangsphase war kompliziert: Politische Krisen haben das Land destabilisiert, unsere europäischen Partner selbst mit der Finanz- und Eurokrise zu kämpfen. Aber wir haben Potenzial, wir können Jobs und Wohlstand schaffen – dafür haben wir ja schließlich diese Revolution gemacht. Aber ohne Geduld und harte Arbeit wird es nicht gehen."
Und auch nicht ohne Investoren. Denn nach Jahren der Subventionswirtschaft sind die Staatskassen leer, gleichzeitig steigen die Preise für Grundnahrungsmittel, die Menschen sind wütend. Deshalb umgarnt Premierminister Jomâa Partner wie den IWF, die Weltbank, die EU-Entwicklungsbank. Aber er setzt vor allem auf private Unternehmen. Über 150 ausländische Firmen allerdings haben in den letzten Jahren ihre Niederlassungen in Tunesien geschlossen, Tausende Jobs gingen verloren: zu viele Streiks, zu viel politisches Chaos.
"Tunesien lebt nur von den Exportbetrieben und vom Tourismus. Sonst ist ja nichts vorhanden. Der Tourismus hat schon stark gelitten, bei Bekleidung sind 60 Prozent abgewandert—da bleibt nicht mehr allzu viel da!"
sagt der hessische Textilfabrikant Dieter Fuchs. In seinem Betrieb im Norden des Landes fertigt er Damenbekleidung und Jeans, erhält Ware aus Deutschland, verarbeitet sie weiter und exportiert zurück. Fast 25 Jahre habe das gut funktioniert, sagt der Unternehmer, aber wie viele andere fragt er sich, ob Tunesien wirklich noch ein guter Standort ist.
Die deutschen Firmen sind geblieben - noch
"Die Leute haben selbst in die Regierung und die Politik allgemein kein Vertrauen mehr, sie fühlen sich hintergangen. Das Geld fehlt überall. Und das macht sich auch in den Betrieben bemerkbar."
Von den über 250 angesiedelten deutschen Firmen sind die allermeisten auch in schwierigen Zeiten geblieben – bis jetzt. Darunter der Automobilzulieferer Leoni und die Firma Schleich, die ihre Spielzeugfiguren in Tunesien verarbeitet. Steiff-Kuscheltiere werden in Tunesien produziert, und der deutsche Back-Experte Dr. Oetker mischt mit seiner tunesischen Partnerfirma mit. Michael Adolph hofft, dass das auch in Zukunft so bleibt. Er führt die Geschäfte für Tunesien und den Maghreb-Raum:
"Also mit den Ereignissen 2013 haben wir schon das eine oder andere Mal gezuckt, aber grundsätzlich ist es schon so, dass wir der Situation in diesem Land sehr zuversichtlich gegenüberstehen, und auch mit unserem lokalen Partner weiter Vertrauen schöpfen können, weil der natürlich auch weiter in diese Märkte investiert."
Aber auch Geschäftsführer Michael Adolph weiß: Neue Arbeitsplätze für Tunesien kann auch Dr. Oetker nicht einfach backen. Ohne politische Stabilität läuft nichts in der Start-Up-Demokratie am Mittelmeer – denn dann kommen auch keine neuen Investoren.