Turbo-Teilchen könnten die Physik revolutionieren

Von Frank Grotelüschen |
Neutrinos bewegen sich womöglich schneller als das Licht. Das wollen Forscher am Teilchenforschungszentrum CERN herausgefunden haben. Stimmen ihre Messwerte, dann wäre Einsteins Relativitätstheorie in ihren Fundamenten erschüttert – eine physikalische Revolution.
Neutrinos, elektrisch neutrale Elementarteilchen mit sehr kleiner Masse, bewegen sich womöglich schneller als das Licht. Hinweise darauf haben Physiker am Europäischen Teilchenforschungszentrum CERN gefunden und jüngst auch bestätigt. Ein Resultat mit Sprengkraft: Denn mit einem Wert von knapp 300.000 Kilometer pro Sekunde gilt die Lichtgeschwindigkeit als absolutes Tempolimit im Universum und bildet die Grundlage für Einsteins Relativitätstheorie. Stimmen die Messwerte, wäre Einsteins Meisterwerk in seinen Fundamenten erschüttert – eine physikalische Revolution.

Neutrinos sind häufige, aber extrem unscheinbare Elementarteilchen. Sie entstehen in riesigen Mengen im Sonneninneren und rasen kreuz und quer durchs All. Allerdings sind die Winzlinge äußert flüchtig: Sie reagieren kaum mit Materie und lassen sich deshalb nur mit riesigen Nachweisinstrumenten aufschnappen. Einer dieser Hightech-Klötze heißt OPERA, eingebaut in eine unterirdische Höhle im italienischen Gran-Sasso-Massiv. Er fängt einen künstlichen Neutrinostahl auf, der 730 Kilometer entfernt am CERN erzeugt wird. Um Abflug und Ankunft der Neutrinos genau zu erfassen, stellten die Experten hochpräzise Atomuhren auf, eine am CERN, die andere im Gran-Sasso-Labor.

Als die Experten die Daten analysierten, kamen sie zu einem verblüffenden Ergebnis. Die Neutrinos kamen 60 Nanosekunden (milliardstel Sekunden) früher am Detektor an als erwartet, waren also schneller als das Licht. Dennoch könnten Fehlerquellen den Befund nur vortäuschen: So scheint es möglich, dass die Forscher die Laufzeiten der Messsignale im Detektor falsch geschätzt haben. Deshalb müssen andere Detektoren in Japan und den USA das Experiment bestätigen – oder aber widerlegen.

Auch ein anderes CERN-Projekt ist physikalischen Neuigkeiten auf der Spur: der Superbeschleuniger LHC. Seit knapp zwei Jahren läuft er – nach schleppendem Start – mittlerweile auf Hochtouren. Und schon bald könnte der 27 Kilometer große Ring ein bislang unentdecktes Elementarteilchen aufspüren – das Higgs, von den Physikern seit Jahrzehnten gesucht.