"Feinde" ist in der ARD zu sehen: im Ersten, in den dritten Programmen und in der Mediathek.
Ein Entführungsfall aus zwei Blickwinkeln
04:02 Minuten
Die Fernsehproduktion "Feinde" nach Ferdinand von Schirach erzählt von einer Kindesentführung - in zwei Filmen mit unterschiedlicher Perspektive. Die Reihenfolge legen die Zuschauer selbst fest. Packend, aber mit Schwächen, meint TV-Kritiker Jörg Taszman.
In der ARD läuft am 3. Januar das Fernsehexperiment "Feinde", bei dem ein Kriminalfall aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Die Zuschauer können selbst wählen, ob sie zunächst den TV-Film aus der Sicht des Ermittlers ("Gegen die Zeit") oder aus dem Blickwinkel des Strafverteidigers ("Das Geständnis") sehen wollen. Die Vorlage für die Drehbücher rund um einen spektakulären Entführungsfall stammt von Bestsellerautor Ferdinand von Schirach. Der Fernsehkritiker Jörg Taszman hat sich die TV-Produktion vorab angesehen:
Peter Nadler ist seit 28 Jahren Polizist. Der Ermittler und Familienvater sagt in dem TV-Film: "Es gibt das Böse. Ich sehe es jeden Tag auf der Straße. Diebe, Mörder, Vergewaltiger, Drogendealer. Eine friedliche Gesellschaft kann nur existieren, wenn sie für ihre Taten bestraft werden. Das ist für mich Gerechtigkeit. Daran glaube ich." Nadler wird überzeugend und innerlich zerrissen gespielt von Bjarne Mädel. Der Ermittler weiß, was bei Kindesentführungen alles schiefgehen kann.
Umgang mit dem Schweigen
Die zwölfjährige Lisa aus reichem Hause ist auf dem Schulweg entführt worden. Nadler ist sich sicher, dass der Täter die Familie gut gekannt haben muss und verdächtigt den Sicherheitsmann Georg Kelz. Aber der schweigt. Nadler will Gerechtigkeit um jeden Preis. Mit seinen Methoden schockiert er seine junge Kollegin. Im Fernsehteil "Gegen die Zeit" erfährt der Zuschauer schnell, dass der Ermittler auch bereit ist, den Tatverdächtigen zu foltern.
Im Parallelfilm "Das Geständnis" dreht sich die Geschichte zunächst um Konrad Biegler, einen Verteidiger der alten Schule, glänzend und souverän gespielt von Klaus Maria Brandauer, dessen gewisse eigene Eitelkeit beim Spiel optimal zu seiner Figur passt. Schon zu Beginn beider Filme stellt sich dieser Biegler gegen Nadler.
"Herr Nadler irrt sich", ist Biegler überzeugt. Seit 30 Jahren verteidigt er Menschen vor Gericht. "In dieser langen Zeit habe ich nie einen nur guten oder nur bösen Menschen kennen gelernt. Die Gerechtigkeit, die Nadler will, bekommen wir nur durch unsere Gesetze, durch die Anwendung des Rechts. Ich weiß, manchmal ist das schwer zu ertragen."
Abwechselnd am reizvollsten
Bis zur Hälfte beider Versionen von "Feinde" bleiben die Macher ihrem Credo überzeugend treu, aus zwei Perspektiven zu erzählen. So weiß der Betrachter von "Das Geständnis" sehr viel früher, was eigentlich aus dem Opfer, dem zwölfjährigen Mädchen, geworden ist. Dafür erfährt man in "Gegen die Zeit" schneller, ob Nadler gefoltert hat oder nicht.
Es ist vielleicht gerade deshalb auch reizvoller, beide Filme nicht hintereinander zu sehen, sondern abwechselnd in 20 Minuten Blöcken. Und einen hervorragenden Charakterdarsteller wie Samuel Finzi sieht man übrigens nur in der Biegler-Geschichte. Er spielt den Arzt des Lebemannes und Kettenrauchers.
Sorgfältig komponierte Bilder
Den zweiten Teil von "Feinde" macht dann das Kapitel "Der Prozess" aus. Dort sind die Dialoge deckungsgleich. Es gibt jedoch raffinierte Wechsel der Kameraperspektive und sorgfältig komponierte Bilder der beiden grandiosen Kameramänner Sebastian Edschmid und Tilman Büttner.
Dennoch fällt das Finale für den Zuschauer als reiner Gerichtsthriller mitunter zu redundant aus. Es dreht sich zu sehr um die Frage, ob man für die Gerechtigkeit auch foltern dürfe oder nicht. Das ist zwar packend inszeniert, aber noch mehr Zweifel am Tathergang und echte Perspektivwechsel durch Figuren, die nicht in beiden Teilen auftreten, hätten sich sicherlich gelohnt. Dennoch bleibt "Feinde" intelligente und anspruchsvolle Fernsehunterhaltung.