Wenn die Arabische Welt vor dem Fernseher sitzt
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Extra für den Fastenmonat Ramadan werden jedes Jahr dutzende Serien und TV-Shows produziert. Für Millionen von Menschen sind sie eine willkommene Ablenkung − und kontroverse Themen führen zu hitzigen Diskussionen.
Die ganze Familie. Vereint vor dem Fernseher. Es läuft: Ein ägyptisches Drama. Der Held muss sich gegen eine Horde Schurken durchsetzen und gegen alle Widerstände die Liebe seines Lebens erobern.
Extra für den Ramadan produziert wurden in diesem Jahr mehrere Dutzend unterschiedliche Serien und TV-Shows. Schmalzige Dramen oder nervenaufreibende Action-Serien. Explosionen und Intrigen. Hauptsache emotional. Doch es geht nicht nur oberflächlich zu. Die populäre irakische Serie "Al-Funduq" – "Das Hotel" – wurde schon vor der Ausstrahlung monatelang heiß diskutiert. Sie spielt mit Themen, die viele Menschen in der arabischen Welt wohl lieber unter den Teppich kehren würden: Drogen, Gewalt und Prostitution.
Die Serie spielt in einem abgehalfterten Hotel. Der Besitzer versucht sich mit allerlei krummen Geschäften über Wasser zu halten. Ganz bewusst wollten die Macher damit provozieren, so der irakische Produzent Hamid al-Maliki:
"Bei diesem Werk handelt es sich um ein Thema von nationalem Interesse. In seinem Mittelpunkt steht die Jugend. Die Protagonisten der Serie sind auch hauptsächlich Jugendliche. Die Serie ist anders. Sie ist ungewöhnlich für das klassische arabische Drama. Daher fordere ich die Kritiker ausdrücklich auf, darüber ehrlich und fair zu diskutieren."
Doppelt so viel Menschen vor dem Fernseher
Laut einer Studie gucken die Menschen während des Ramadan doppelt so viel Fernseh-Shows und Serien. Jedes Unternehmen will in dieser Zeit, dass das eigene Produkt in der Werbeunterbrechung über die Bildschirme flimmert. Damit schießen die Werbeeinnahmen während des Ramadan nach oben in die Höhe wie sonst nie.
Die klassische Seifenoper spricht noch immer viele Zuschauer an. Doch Action, Gewalt und Drogen in Filmen – à la Hollywood – halten auch hier Einzug. Nicht alle sind damit einverstanden:
"Offen gesagt, ich finde, es ist nichts Gutes daran, was die Fernsehserien heutzutage anbieten. Alles, was gezeigt wird, sind Drogen, Prostitution und Gewalt. Zu meiner Zeit waren die Fernsehsendungen viel schöner. Die habe ich gern gesehen!"
Ägyptischer Geheimdienst kontrolliert Mediengruppe
In Ägypten wird der Serienmarkt von einem Giganten beherrscht. Mehr als die Hälfte aller Serien laufen über den Streamingdienst "Watch it!". Wie die regierungskritische Online-Seite "Mada Masr" herausgefunden hat, ist dessen Eigentümer auch Vorsitzender der Ägyptischen Medien Gruppe. Und die werde wiederum vom ägyptischen Geheimdienst kontrolliert. Das regierungskritische Nachrichtenportal ist der Meinung, dass so nicht nur eine stabile neue Einkommensquelle geschaffen wurde, sondern auch ein weiterer Weg zu kontrollieren, über was Ägypten spricht.
Allerdings ist die Plattform direkt zu Beginn des Ramadan ausgefallen. Doch die Ägypter finden ihre Lieblingsserien auch woanders. Und ganz hoch im Kurs steht: Comedy. Möglichst witzig. Und möglichst seicht.
Während es in Ägypten oft locker leicht zugeht, ist das Programm in Saudi-Arabien ernster. Religiöse Geschichtssendungen und Lesungen aus dem Koran werden in Saudi-Arabien produziert und in der ganzen arabischen Welt geguckt und gehört. Denn der Ramadan ist auch die Zeit der spirituellen Einkehr.
Aber auch im konservativen Saudi-Arabien gibt es Serien, die auf den gesellschaftlichen Wandel anspielen. Zum Beispiel bei "Yalla Nessuq". Zwei der Protagonisten sitzen vor dem Fernseher, als die Nachricht kommt: Frauen dürfen endlich Auto fahren.
Serien im Ramadan unterhalten und schockieren. Manche unterstützen indirekt den aktuellen Machthaber, andere sprechen den gesellschaftlichen Wandel an. Doch vor allem erleichtern sie das Fasten. Denn wenn der Held das Böse zurückschlägt und versucht, seiner großen Liebe näher zu kommen – dann ist der Hunger schnell vergessen.