TV-Spielfilm

Ein Hauch von Woody Allen in der ARD

Szene aus dem Film "Der Liebling des Himmels" mit Mario Adorf (links) und Axel Milberg.
Szene aus dem Film "Der Liebling des Himmels" mit Mario Adorf (links) und Axel Milberg. © NDR/Christine Schroeder
Von Michael Meyer |
Mit dem Film "Der Liebling des Himmels" bringt Regisseur Dani Levy eine ungewöhnlich schräge Komödie über einen kauzigen Psychiater ins sonst eher seichte Freitagabendprogramm der ARD. Eine echte Perle, meint unser Kritiker.
Kann man Mitgefühl mit einem Unsympathen haben? Man kann. Axel Milberg spielt in "Der Liebling des Himmel" einen echten Antihelden, den Psychiater Magnus Sorel, der ein wahrer Menschenfeind ist: Er ist zwanghaft, er zählt seine Schritte ab, hat einen Waschzwang, er hört und riecht alles doppelt und dreifach so stark. Er ist ein äußerst komplizierter Charakter. Sein Desinteresse für seine Mitmenschen geht soweit, dass er, während seine Patienten ihm intimste Dinge erzählen, auf dem iPad spielt, was seine Dauerpatientin, die Kroatin Mascha, auf die Palme bringt, als sie es zufällig entdeckt:
"Was? Ich ziehe mich vor Ihnen aus und Sie schreiben Einkaufslisten? Für 180 Euro die Stunde? - Ich verstehe, dass Sie wütend sind... - Ich bin nicht wütend, ich bringe Sie um! - Ich bin nicht Ihr Problem, Mascha... - Doch, Sie sind mein Problem! - Sie projizieren Ihre Probleme auf mich... - Fassen Sie mich nicht an!"
Aber nicht nur das Leben seiner Patientin ist in Unordnung, auch Magnus' Leben wird ordentlich umgekrempelt. Mascha zeigt ihn an, weil er sie angeblich sexuell belästigt hat – dabei war sie es, die etwas von ihm will. Die Begegnungen der beiden sind im Film sehr komisch: Masha wird gespielt von Andreja Schneider, die schon lange bekannt ist als Fräulein Schneider im Komikertrio Geschwister Pfister. Überhaupt arbeitet Levy gerne und oft mit schrägen Figuren, die er ungewöhnlich besetzt. Sorels Vater etwa, ebenfalls ein angesehener und langjähriger Psychiater, wird gespielt von Mario Adorf. Adorf trägt langes graues Hippie-Haar und sitzt mit seinem Sohn im Sand am Elbufer, als er ihm erzählt, dass seine Patientin Anzeige gegen Magnus erstattet hat:
"Schon gesehen? Lies mal Seite 26, klein aber fein. - Als erstes stellt sich natürlich die Frage, du entschuldigst, wenn ich das... - Ob ich was mit ihr hatte? - Oder hast. - Nein! - Na das hilft… - Die Frau ist, die ist knapp 50, Typ schwitzende Wechseljahre. Korpulent, geschmacklos. - Wer ist diese Patientin? - Mascha Kowaczewicz, in Kroatien geboren, 1991 flieht sie vor dem Krieg. Kriegstrauma, ungelöste Vater-Tochter-Beziehung. Missbrauch in der Ehe, pathologische Fixierung auf ihren Therapeuten." - Auf dich…? - Auf mich!"
Im Netz von Zwangsneurosen und Ängsten
Doch die Anzeige von Mascha soll nicht das einzige Problem werden, dass Magnus Sorel lösen muss. Hinzu kommt, dass er erpresst wird, jemand hat seine Tagebücher geklaut und droht damit, sie zu veröffentlichen. Man sieht: Eine Menge Stoff für 90 Minuten.
Es hat etwas Woody Allen-haftes, was Levy da entwickelt: Ein Mann der um seine Integrität kämpft, aber gefangen ist im Netz von Zwangsneurosen und Ängsten – das ist sehr lustig anzusehen. Letztlich kann der Psychiater Sorel nicht richtig mit seiner Umwelt kommunizieren. Er will das Richtige sagen und landet dann doch bei der völlig falschen Formulierung, etwa wenn er seine krebskranke Ex-Frau nach langer Zeit wiedersieht und sagt:
"Da schau her, rank und schlank! Du wolltest doch immer abnehmen. Oh mein Gott, was machst du denn, was ist denn das für eine Prüfung."
Humor und Drama liegen in dem Film schon mal eng beieinander. Levy hat sich die Hauptfigur abgeguckt bei Jack Nickolson, der 1997 ebenfalls ein unausstehliches Ekel spielte: "As good as it gets" hieß der Film, und da macht Nickolson eine Wandlung durch – ein wenig ist das bei "Der Liebling des Himmels" auch so. Dany Levy hat die Rolle des Magnus Sorel übrigens gezielt für Axel Milberg entwickelt, hat sie ihm sozusagen auf den Leib geschrieben.
Nun ist der Freitagabend der Sendeplatz der Degeto, der Tochterfirma der ARD, die für Filmeinkauf und Produktion zuständig ist. Hier läuft oft Seichtes, Filme mit Christine Neubauer etwa – hier will die ARD auf diesem Sendeplatz mehr wagen als bisher. Diese neue Levy-Komödie ist jedenfalls durchaus eine kleine Perle, Woody Allen trifft auf Jack Nickolson, auch Anteile von Loriot erkennt man in der Figur des Magnus Sorel – das lohnt die 90 Minuten vor dem Fernseher.

"Der Liebling des Himmels" von Dani Levy läuft am Freitag, den 18.09.2015, um 20:15 Uhr in Das Erste.

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