"Typisch deutsch?"

Nachbarn

Ein Mann beim Schneiden einer Thuja-Hecke.
Ein Mann schneidet die Hecke zum Nachbargrundstück. © imago/blickwinkel
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt |
"Wenn mal ein paar Blätter ins Nachbargrundstück fallen, zieht man sofort vor Gericht", findet ein Rumänin. Positive Worte für Nachbarschaftsverhältnisse in Deutschland findet dagegen eine Amerikanerin.
Mălina Andronescu, Rumänien:
"Die Nachbarschaft in Deutschland ist sehr zurückhaltend, finde ich. In Rumänien ist das viel enger. Man klingelt einfach und fragt nach Zucker oder anderen Dingen. Da passt auch die Nachbarin zwischendurch mal auf das Kind in der anderen Wohnung auf, ohne dass sie dafür Geld nimmt. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. Hier gibt es ja auch viel Nachbarschaftsstreit. Wenn da mal ein paar Blätter ins Nachbargrundstück fallen, zieht man sofort vor Gericht. Das finde ich krass."
Akiko Yamashita, Japan:
"In Deutschland habe ich keinerlei Kontakt zu meinen Nachbarn. Ich weiß nicht, woran das liegt. In Japan stellt man sich beim Einzug vor und gibt den Nachbarn ein Geschenk. Beim Auszug ebenfalls. Hier in Deutschland gibt es so etwas nicht. Und ich war auch unsicher, ob man sich beim Einzug überhaupt bei den Nachbarn vorstellen soll oder lieber nicht. Das ist
hier ganz anonym. Manchmal treffe ich im Treppenhaus Leute und denke: 'Waren das meine Nachbarn?'"
Patricia Salazar Figueroa, Kolumbien:
"In Deutschland gilt wohl: Je weniger man miteinander zu tun hat, umso besser. Das habe ich mir auch zu eigen gemacht. Ich glaube, ich komme in dem Haus, in dem ich wohne, gut mit allen aus, weil man sich kaum sieht. Mich stört es auch nicht, wenn mal jemand etwas lauter Musik hört. Wenn ich mich da immer beschweren würde, würde ich ja zu einer Neurotikerin werden."
Asbjørn Svarstad, Norwegen:
"Die Nachbarschaft in Deutschland finde ich recht intensiv – gemessen daran, wie es in Norwegen ist. Ich wohne in Deutschland in einem Mietshaus. Da kennt man sich. Grüßt einander, und hin und wieder wird auch mal ein
Plausch gehalten. Das gibt es in Norwegen nicht. Man grüßt sich zwar, aber das war’s dann auch. Möglicherweise liegt das daran, dass einem in Norwegen die Wohnung gehört. Und der Besitz führt dann zu anderen Denk- und Verhaltensweisen. Früher haben die Leute, die in einem Haus wohnten, einmal im Monat vier Stunden gemeinsam am Haus gearbeitet. Da kannte man einander noch. Aber jetzt, wo die Norweger so sagenhaft gut verdienen, überlässt man das polnischen Schwarzarbeitern, und der Hausgemeinschaftsgedanke ist tot."
Deborah Cole, USA:
"Ich hatte in Deutschland immer Glück mit meinen Nachbarn. So reserviert die Deutschen sonst auch sein mögen, sobald man im selben Haus wohnt, ist das Eis gebrochen. Man begrüßt sich, redet sogar ein paar Worte miteinander. Und hin und wieder entstehen sogar Freundschaften. Das Haus, in dem wir zurzeit leben, hat einen großen Innenhof. Mein Ehemann fängt da im Sommer des Öfteren an zu grillen. Da kommen dann spontan Leute dazu und bringen etwas mit. Da wird dann geplaudert und gegessen und getrunken. Das ist sehr schön!"

Unsere Serie "Typisch deutsch" wird seit dem 10.11.2016 an jedem Donnerstag um 17.50 Uhr in der Sendung Studio 9 ausgestrahlt. Die Autoren Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt haben Korrespondenten aus rund 30 Ländern zu ihren Erfahrungen befragt. Dazu ist auch das Buch "Typisch deutsch" im Holiday Verlag erschienen.

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