Der Film "Als wir Tyrannen waren" ist in der Arte Mediathek zu sehen.
Arte-Doku „Als wir Tyrannen waren“
Alle gegen einen: Jay Rosenblatt arbeitet mit Collagetechnik, um zu illustrieren, wie seine Klasse 1965 einen Jungen mobbte. © Arte / Jay Rosenblatt
Mobbing aus Tätersicht
07:10 Minuten
Was bringt Kinder dazu, andere Kinder zu mobben? Dieser Frage geht der US-Filmemacher Jay Rosenblatt in seiner Kurz-Dokumentation „Als wir Tyrannen waren“ nach, indem er ein persönliches Erlebnis verarbeitet. Nun ist der Film bei Arte zu sehen.
Es ist nur eine kurze Szene in einem Stück altem Lehrfilm: Ein Junge schubst einen anderen, da schlägt ein dritter aus dem Hinterhalt den Angegriffenen mit der Faust. Doch als der US-amerikanische Psychologe und Regisseur Jay Rosenblatt in den 90ern diese Szene in seiner Kurzdoku „The Smell of Burning Ants“ verwendete, einem Film über die Grausamkeit heranwachsender Jungen, da fiel ihm ein Erlebnis aus seiner eigenen Kindheit ein. Damit kam ihm auch die Erkenntnis: Er selbst war nicht unschuldig.
Rosenblatt hat in der fünften Klasse (im Jahr 1965) einen Jungen namens Dick gemobbt, zusammen mit anderen Klassenkameraden. In seinem Film „Als wir Tyrannen waren“ (im Original „When We Were Bullies“) geht er der Frage nach, was ihn und seine Klassenkameraden dazu bewogen hat. Er begibt sich an den Schauplatz, seinen Schulhof, spricht mit ehemaligen Mitschülern und auch seiner damaligen Klassenlehrerin.
Keine eindeutigen Antworten
Eine klare Antwort auf die Frage bekommt er nicht. Dick selbst kommt nicht zu Wort. Viele können sich an den Vorfall nicht erinnern, dafür aber an Dick selbst, der irgendwie „anders“ war. Auch die Klassenlehrerin, mittlerweile über 90 Jahre alt, hat keine Antwort auf die Frage, warum Kinder so etwas tun. "Kinder erkennen etwas, das Erwachsene nicht sehen können", sagt sie. Sie hätten etwas wie einen sechsten Sinn dafür. Dann enthüllt sie, dass ihre Tochter selbst ein Opfer von Mobbing war – und sich schließlich das Leben nahm.
Jay Rosenblatt montiert Interviewaufnahmen mit Found Footage, also bereits vorhandenem alten Filmmaterial, zum Beispiel aus alten Lehrfilmen. Außerdem verwendet er alte Fotos und bedient sich einer Collagetechnik, in der er diese Fotos immer wieder neu arrangiert und animiert.
Dabei zeigt er Sinn fürs Detail und Humor und erweist sich als ein „sehr guter Erzähler“, wie Filmkritiker Matthias Dell sagt. Er lobt auch die Kürze: „Das braucht nur 34 Minuten, und die sind vollkommen ausreichend und zugleich ziemlich komplex.“