Tyrannische Kinder - überforderte Eltern. Wenn Kinder zum "Projekt" werden

Kinder, deren Wutanfall einen ganzen Supermarkt beschäftigt, Vierjährige, die schon im Kindergarten prügeln, hyperaktive Zappelphilippe, die dem Unterricht nicht folgen können, kleine Nervensägen, die ihren Eltern und Großeltern auf der Nase herumtanzen. Kaum ein Erziehungsproblem dürfte Jan-Uwe Rogge fremd sein.
Das zeigen schon die Titel seiner Bestseller, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt sind: "Ohne Chaos geht es nicht" oder "Wut tut gut". Seit seinem Buch "Kinder brauchen Grenzen" aus dem Jahr 1993, das mittlerweile in der sechsten Auflage erscheint, ist er einer der bekanntesten Erziehungsexperten Deutschlands. Lange vor dem Boom der Erziehungs-Shows à la "Super Nanny" tourte er bereits mit seinen Seminaren und Vorträgen quer durch den deutschsprachigen Raum.

Der Sozialwissenschaftler und selbst Vater eines Sohnes ist überzeugt: "Die meisten Eltern machen einen prima Job." Darauf gelte es aufzubauen. Viele Eltern versuchten jedoch zwanghaft, keine Fehler zu machen. Statt nach einem nicht umzusetzenden Perfektionismus zu streben, ermutigt er Eltern eher dazu, die eigene Unvollkommenheit anzunehmen, "Unvollkommenheit macht menschlich". Unvollkommenheit sporne an, Neues auszuprobieren, etwas Überraschendes zu machen.

Erziehung sei auch: Umwege gehen, das erweitere, bilde Menschenkenntnis. "Man will das pflegeleichte und eben auch das selbstbewusste Kind. Dabei ist das ein Widerspruch." Eltern heute wüssten viel mehr als ihre Eltern vor 30 Jahren, damit seien sie jedoch zu Erziehungstechnikern geworden. Vor lauter Wissen seien sie unsicher, was sie tun sollen und setzen ihre Kinder unter Erfolgsdruck.
Seine Mahnung: "Kinder mögen keine Eltern, denen das pädagogische Pflichtprogramm aus den Augen sticht."

Erziehung – so seine scheinbar simple Botschaft – ist kein Geschäft:
"Erziehung ist Begleitung der Kinder ins Leben. Meine Position ist, das Kind in seiner Einzigartigkeit anzunehmen. Jedes Kind ist anders, jedes Kind ist einzigartig. Sie anzunehmen, wie sie sind, heißt gelassen zu werden."
Dies komme auch der Beziehung der Eltern zugute: "Es ist eine der großen Krisen, wenn aus Paaren Eltern werden. Nicht von ungefähr ist die Scheidungsrate drei bis sechs Jahre nach der Elternschaft besonders hoch."

Viele Eltern - meist Mütter – kämen total abgekämpft zu ihm, mit der Klage, sie hätten doch schon alles versucht. "Je perfekter ich sein will, umso mehr gehen die Kinder in die Anarchie." Dabei sei dies oft eine Art Hilfeschrei, "Hey guck` doch mal!"

"Tyrannische Kinder, überforderte Eltern – Wenn Kinder zum ´Projekt` werden", darüber diskutiert Dieter Kassel heute gemeinsam mit Jan-Uwe Rogge von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen über Jan-Uwe Rogge im Internet unter: www.jan-uwe-rogge.de
Die Bücher von Jan-Uwe Rogge sind im Rowohlt-Verlag erschienen.