Udo Jürgens: „Da Capo“
Seine musikalische Bandbreite war groß: Udo Jürgens bewegte sich auch im Chanson, Jazz und Funk. © Sony Music
"Er gab den Deutschen die Erlaubnis zum Fühlen"
17:22 Minuten
„Da Capo“: So heißt das neue Album von Udo Jürgens. Es helfe zu verstehen, wer der 2014 verstorbene Ausnahmekünstler tatsächlich gewesen sei, meint der Komiker und Jürgens-Fan Oliver Polak.
Das Udo-Jürgens-Album „Da Capo. Stationen einer Weltkarriere“ vereint neues und bereits bekanntes Material des vor acht Jahren verstorbenen Sängers, Liedermachers, Komponisten und Entertainers. Darauf sind unter anderem unveröffentlichte Versionen alter Hits und Jazznummern zu hören.
Das Album, das auch als CD-Box erhältlich ist, wurde von Jürgens‘ Kindern kuratiert. Das spüre man, sagt der Komiker und Udo-Jürgens-Fan Oliver Polak: Es sei sehr gewissenhaft zusammengestellt worden. Mithilfe des Albums könne man nun „viel mehr verstehen", wer Udo Jürgens gewesen sei.
"Trojanisches Pferd im Gewand des Pop"
Das hätten viele bis heute nicht, meint Polak. Udo Jürgens werde vor allem mit dem Stichwort „Schlager“ verbunden. Doch ein Schlagersänger sei er nicht gewesen. „Er war das Trojanische Pferd im Gewand des Pop, das aber Chanson, Jazz und Funk in sich trug. Es war eine krasse Bandbreite.“
Polak lernte die Musik von Jürgens im zarten Altern von neun Jahren kennen, über eine Kassette im Audioradio, die rauf und runter lief: ein Best of aus der „Hautnah“- und der „Deinetwegen“-Platte. Diese Lieder hätten ihn tief geprägt, berichtet Polak. „Udo Jürgens war für mich fast schon wie ein Therapeut meiner Kinderseele“ – mit Texten, die er als Poesie und eine Art Philosophie-Unterricht erlebt habe. „Das alles blieb ganz fest in meinem Herzen stecken.“
„Ich glaube, so, wie er vielleicht für mich Therapeut war, war er auch ein bisschen Therapeut für Deutschland; weil Deutschland irgendwie ein gebrochenes Land war.“
Polak vergleicht den Österreicher Udo Jürgens mit dem südafrikanischen Komiker Trevor Noah. Der sei ebenfalls von außerhalb gekommen und habe dann als Moderator der US-amerikanischen Nachrichtensatire „Daily Show“ Geschehnisse in den USA besser einordnen können, als das Amerikaner selbst konnten. Ähnlich wie Jürgens: „Es war eben Udo Jürgens, der Österreicher, der nach Deutschland kam und den Menschen wieder eine Erlaubnis zum Fühlen gegeben hat.“
Tiefgründiger als andere Schlagertexte
Jürgens habe „fast eine Revolution in den Gartenlauben ausgelöst mit einem Lied wie ‚Ehrenwertes Haus‘. Er hat den griechischen Gastarbeitern, die ihre Familien vermissten, hier allein waren und auch nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen wurden, mit ‚Griechischer Wein‘ eine empathische Hymne geschrieben.“ Und er habe über die Sehnsüchte der Menschen gesungen, wie zum Beispiel in dem Lied „Ich war noch niemals in New York“.
„Er hatte wirklich zu jedem Thema einen Song“, sagt Oliver Polak. Dabei seien Lieder wie „Griechischer Wein“, „Aber bitte mit Sahne“ oder „Mit 66 Jahren“ tiefergründiger als andere Schlagertexte. Was den Schlager angehe, könne man sagen: „Er hat das zwar bedient, aber er war das nie.“
Dennoch sei Jürgens letztlich als Schlagersänger wahrgenommen geworden. In Deutschland würden die Dinge gern eingeordnet, sagt Polak. "Wir schubladisieren Dinge und sperren unsere Gefühle gleich mit weg. Deswegen wurde er da, glaube ich, so verhaftet.“
Doch Jürgens habe sich aus der Schublade auch wieder rausgekämpft, "vor allen Dingen durch seine Live-Präsenz. Ihn haben über 6,5 Millionen Leute auf 25 Tourneen gesehen.“ Er habe – im Vergleich zu anderen Sängern – Mut gehabt. Und es sei bei ihm auch immer ein Hauch von Ironie mitgeschwungen.