Über das Leben mit den Traditionen Afrikas
Der Schwede Henning Mankell, erfolgreich mit seinen "Wallander"-Krimis, ist ein halber Afrikaner. Seit 1985 lebt er einen großen Teil des Jahres in Mosambik. Das moderne Afrika bildet auch den Hintergrund von Mankells Geschichten in "Die flüsternden Seelen". Der Autor erzählt mit Mut zum Pathos, mit viel Poesie und mit reichlich Verklärung.
"In Afrika", schreibt Henning Mankell zu Beginn dieses Romans, "habe ich etwas entdeckt, das eigentlich keine Entdeckung sollte. Alle Menschen sind verwandt. Wir gehören zur selben Familie." Das ist die Botschaft dieses Buches, und es ist natürlich keine gute Idee, sie an den Anfang zu stellen, der Rest liest sich dann nur noch als Illustration der guten Absicht. Leider geht es erst einmal so weiter, Henning Mankell hat seinem Roman einen pamphletistischen Aufgalopp mitgegeben, er geißelt Kolonialismus, Bibel und Weltbank und kommt darüber nicht zum Erzählen. Diese ersten 20 Seiten muss man durchstehen, um zu Mankells Geschichte zu gelangen.
Er hat etwas zu erzählen. Der Schwede Henning Mankell ist seit über 20 Jahren ein halber Afrikaner. Seit 1985 lebt er einen großen Teil des Jahres in der mosambikianischen Hauptstadt Maputo, dort leitet er ein Theater. Neben seinen erfolgreichen Wallander-Krimis hat Mankell immer wieder Bücher über seine afrikanischen Erfahrungen geschrieben, "Der Chronist der Winde", "Tea Bag" oder "Die rote Antilope". Sein neuer Roman, "Die flüsternden Seelen", soll nun eine Art Summe seiner Begegnungen mit Afrika sein, 25 Jahre habe er an diesem Text gearbeitet, schreibt Mankell in einer Vorbemerkung.
Felisberto ist die Figur im Zentrum dieses Romans, ein alter Schwarzer, der vor der Unabhängigkeit bei einem Portugiesen als Diener gearbeitet hat. Jetzt sitzt Felisberto als Erzähler am Feuer, er lässt die Figuren seiner weit verzweigten Sippe auftreten, angefangen bei der Stammesmutter Samima, die erst mit über 300 Jahren gestorben sein soll. Auch jetzt noch ist sie sehr lebendig, sie pendelt hin und her zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt. Etwa, um Marta zu warnen, die morgens auf das Feld geht, ihren kleinen Sohn Castro auf dem Rücken. Samimas Warnung kommt zu spät, Martas Hacke trifft eine Mine, sie ist sofort tot, Castro verblutet.
Auch andere Figuren passieren die Grenze zwischen Tod und Leben. Der tote Legendo taucht immer wieder bei seiner Frau Sakina auf, um sie ins Totenreich zu locken, seine Begründung: ihm ist langweilig ohne sie. Die Verbindung zum vielfältigen Reich der Toten, der Geister und Dämonen ist einer der Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen, die Henning Mankell stark macht in diesem Roman. Mitleidig schauen die Afrikaner auf die Weißen hinab, die auskommen müssen mit nur einem Gott und seinem an zwei Bretter genagelten Sohn.
Mankells afrikanische Figuren stehen zwischen Gegenwart und archaischer Vorgeschichte. Lukas, ein junger Mann aus Felisbertos Verwandtschaft, schlägt sich nach Paris durch. Er lebt dort ein typisches Immigrantenleben, er besseres sogar, weil er einen festen Job findet. Um seiner Frau ein Geschenk zu machen, muss er aber einem Pfandleiher seine Seele anbieten. Der Pfandleiher wird als Inkarnation des Teufels identifiziert, der nur mit einem wundertätigen Pfeil bekämpft werden kann. Ein sehr altes Afrika ragt hinein in das Paris von heute.
Kolonialismus und Befreiungskriege, Emigration und Entwicklungshilfe, das moderne Afrika bildet den Hintergrund von Mankells Geschichten. Davor aber inszeniert er ein Gewebe von Erzählungen über Felisbertos große Familie, über den Bezug zum Jenseitigen, über das Leben mit den Traditionen, die die kulturelle Tiefe dieser Welt belegen sollen.
Mankell erzählt mit Mut zum Pathos, mit viel Poesie und mit reichlich Verklärung. Die guten Schwarzen gegen die bösen Weißen, auf diese Formel läuft viel in diesem Roman hinaus. Dennoch ist das Buch viel mehr als Politprosa, dafür sorgt der Reichtum der Bilder und Geschichten, die Mankell in seinem langen afrikanischen Leben gesammelt hat.
Rezensiert von Frank Meyer
Henning Mankell: Die flüsternden Seelen
Aus dem Schwedischen von Verena Reichel.
Zsolnay Verlag, Wien 2007, 256 Seiten, 21,50 Euro
Er hat etwas zu erzählen. Der Schwede Henning Mankell ist seit über 20 Jahren ein halber Afrikaner. Seit 1985 lebt er einen großen Teil des Jahres in der mosambikianischen Hauptstadt Maputo, dort leitet er ein Theater. Neben seinen erfolgreichen Wallander-Krimis hat Mankell immer wieder Bücher über seine afrikanischen Erfahrungen geschrieben, "Der Chronist der Winde", "Tea Bag" oder "Die rote Antilope". Sein neuer Roman, "Die flüsternden Seelen", soll nun eine Art Summe seiner Begegnungen mit Afrika sein, 25 Jahre habe er an diesem Text gearbeitet, schreibt Mankell in einer Vorbemerkung.
Felisberto ist die Figur im Zentrum dieses Romans, ein alter Schwarzer, der vor der Unabhängigkeit bei einem Portugiesen als Diener gearbeitet hat. Jetzt sitzt Felisberto als Erzähler am Feuer, er lässt die Figuren seiner weit verzweigten Sippe auftreten, angefangen bei der Stammesmutter Samima, die erst mit über 300 Jahren gestorben sein soll. Auch jetzt noch ist sie sehr lebendig, sie pendelt hin und her zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt. Etwa, um Marta zu warnen, die morgens auf das Feld geht, ihren kleinen Sohn Castro auf dem Rücken. Samimas Warnung kommt zu spät, Martas Hacke trifft eine Mine, sie ist sofort tot, Castro verblutet.
Auch andere Figuren passieren die Grenze zwischen Tod und Leben. Der tote Legendo taucht immer wieder bei seiner Frau Sakina auf, um sie ins Totenreich zu locken, seine Begründung: ihm ist langweilig ohne sie. Die Verbindung zum vielfältigen Reich der Toten, der Geister und Dämonen ist einer der Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen, die Henning Mankell stark macht in diesem Roman. Mitleidig schauen die Afrikaner auf die Weißen hinab, die auskommen müssen mit nur einem Gott und seinem an zwei Bretter genagelten Sohn.
Mankells afrikanische Figuren stehen zwischen Gegenwart und archaischer Vorgeschichte. Lukas, ein junger Mann aus Felisbertos Verwandtschaft, schlägt sich nach Paris durch. Er lebt dort ein typisches Immigrantenleben, er besseres sogar, weil er einen festen Job findet. Um seiner Frau ein Geschenk zu machen, muss er aber einem Pfandleiher seine Seele anbieten. Der Pfandleiher wird als Inkarnation des Teufels identifiziert, der nur mit einem wundertätigen Pfeil bekämpft werden kann. Ein sehr altes Afrika ragt hinein in das Paris von heute.
Kolonialismus und Befreiungskriege, Emigration und Entwicklungshilfe, das moderne Afrika bildet den Hintergrund von Mankells Geschichten. Davor aber inszeniert er ein Gewebe von Erzählungen über Felisbertos große Familie, über den Bezug zum Jenseitigen, über das Leben mit den Traditionen, die die kulturelle Tiefe dieser Welt belegen sollen.
Mankell erzählt mit Mut zum Pathos, mit viel Poesie und mit reichlich Verklärung. Die guten Schwarzen gegen die bösen Weißen, auf diese Formel läuft viel in diesem Roman hinaus. Dennoch ist das Buch viel mehr als Politprosa, dafür sorgt der Reichtum der Bilder und Geschichten, die Mankell in seinem langen afrikanischen Leben gesammelt hat.
Rezensiert von Frank Meyer
Henning Mankell: Die flüsternden Seelen
Aus dem Schwedischen von Verena Reichel.
Zsolnay Verlag, Wien 2007, 256 Seiten, 21,50 Euro